Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Archive for November 2011

Gastbeitrag: Florian Haufe über „Plusbanker“ mit Zukunft

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Manchesmal fragen PR-Leute bei mir an, ob der eine oder andere Bankenvorstand mal was auf meinem Blog veröffentlichen kann. Dazu kann ich nur sagen, solange die Führungsriege mit dem Internet als Teufelszeug so wenig anfangen kann, um jenseits von Fassadenpolitur einen substanziellen Beitrag zur geistigen Wertschöpfung zu leisten – solange veröffentliche ich lieber Gastbeiträge von jungen Menschen, die sich Gedanken um ihre eigene Zukunft machen.

So meldete sich kürzlich bei mir Florian Haufe aus dem Umland von Berlin, der sich mit einer kleinen Gruppe an dem Projekt  www.schulbanker.de beteiligt, ein seit Jahren in der Branche durchaus geläufiges Bankenplanspiel. Dazu kreierten Haufe & Co. die fiktive „PlusBank“.

Ich habe die Plusbanker nun angeregt, auf diesem Weblog zum Thema „Wie sieht die Bank der Zukunft aus?“ einen kleinen sportlichen Ideenanstoß zu verfassen. Also Bühne frei für den „Schulbanker“ Florian Haufe:   

Immer deutlicher wird die Silhouette, immer augenfälliger die Kontur. Griechenlandkrise, Occupy Frankfurt, Rechnungsfehler – das Feindbild im 21. Jahrhundert? Banken.

Gastbeitrag von Florian Haufe

Aller Kritik zum Trotz und entgegen der hinfälligen Meinung sind Banken unentbehrlich. Banken nehmen in modernen Volkswirtschaften eine zentrale Stellung ein, sie verwalten das Geld von Sparern und stellen es Unternehmen sowie Privatpersonen als Kredit zu Verfügung. Banken sind gewissermaßen die Mittler zwischen denjenigen, die sparen und denjenigen, die investieren. Im wesentlichen transformieren sie Beträge, Risiken und Fristen.

Dennoch – die Finanzkrise 2008, verbunden mit der Lehman-Pleite, wirbelte Staub um die Frage der „Systemrelevanz“ auf. Aufgrund der Größe und des Kundenkreises mancher Banken wurden durch Pleiten monumentale Verwerfungen ausgelöst.

Ein hohes Risiko, wenn man die globalen Verflechtungen von Finanzdienstleistern bedenkt.

Globale Strukturen sind häufig sehr statisch und träge. Sie erinnern sich an Kostolanys Metapher vom Mann mit Hund? Mal rennt der Hund (Börse) vor, mal hängt er zurück, doch letztendlich orientiert er sich immer am Mann (Wirtschaft). Das lässt sich um eine Variable ergänzen: globale Strukturen. Sie sind in diesem Zusammenhang eine kleines Kind – es ist langsam und traut sich nicht so recht.

Die Politik ebnet den Weg für die Strukturen und da diplomatische Strukturen nicht so recht übergangen werden wollen, hängt man der Realwirtschaft hinterher. Der neoliberalistische Ansatz ist hier recht interessant, den Staat ein wenig auskoppeln und die Sache in die eigene Hand nehmen. Geht in der Realität nur nicht immer so einfach. Hedgeing kann zum Schlüsselbegriff werden, sich gegen Risiken die aus globalen Strukturen resultieren, absichern, seien es Währungsrisiken oder was auch immer. Trifft’s dann einen, bekommen die anderen nicht automatisch den schwarzen Peter zugeschoben.

Doch die Fragen, die die Bank der Zukunft ausmachen sind nicht allein von struktureller Natur, es geht auch um einen, gern zu Werbezwecken verwendeten, Begriff: Beratung. Banken sollten den Kunden Beraten. Die Realität sieht anders aus. Verkaufsdruck von allen Seiten, der Umsatz muss stimmen. Nur manchmal geht es einfach nicht, der Markt ist gesättigt. Letztendlich verkaufen Banken – keine Frage. Nur bekommen Schuhverkäufer einen Rüffel, nur weil jemand, der schon 100 paar Schuhe hat, keine neuen mehr kaufen möchte?

In vielen Vermögensverwaltungen ist die Arbeit auf Honorarbasis oder – netter ausgedrückt – Erfolgsbeteiligung Gang und Gebe. Scheinbar funktioniert es, getreu dem Motto gute Arbeit, gutes Geld – schlechte Arbeit, schlechtes Geld. Der Kapitalismus lässt grüßen.

Das Angebot in vielen Geschäften wechselt ständig. Sommerkollektion, Winterkollektion oder stellen Sie sich eine Lagerräumung des erwähnte Schuhgeschäfts vor. Das Sortiment ändert sich entsprechend des Kundenwunsches. Scheinbar ist in den Produktschmieden der Banken selten einer auf die Idee gekommen dem Kunden das zu bieten, was er möchte. Die Volksweisheit „Nehmen was da ist!“ hat ausgedient.

Eine hervorragende Plattform um mit Menschen in Kontakt zu treten ist das Internet. Vor allem die Entwicklung des Web 2.0 war eine einschneidende Veränderung. Den Protagonisten des Schauspiels „Leben“ wurde ermöglicht, virtuell und interaktiv miteinander in Kontakt zu treten. Die Grenzen des Internets werden lediglich von unserer Ideenvielfalt gezogen.

Es selbst einmal versuchen und den Schwergewichten im Bankensektor zeigen, dass es auch anders geht. Das hat sich die PlusBank auf den Hut geschrieben. Zwar ist die PlusBank nur eine fiktionale, im Rahmen des Bankenplanspiels Schul/Banker kreierte Bank, doch allein schon der Name lässt hoffen.

„Plus“ eben nicht „Minus“. Mit dem Plus an Vertrauen, oder einfach mit dem Plus an Ihrer Seite. Die Namensassoziation steht unter guten Sternen.

Die Strategie der PlusBank ist dabei stark an regionale Identität geknüpft – klein anfangen, statt groß scheitern.

Bei Geld werden die Leute komisch, dass wissen auch die PlusBank’ler. Daher geht es ihnen um das Vertrauen der Kunden. Nur damit ist keinesfalls das kurzweilige, scheinbare gemeint, sondern das wahrhaftige Vertrauen gemäß der preußischen Tugend. Wenn man es nun schafft, alles auf diesen einen Nenner zu kürzen, steht einer (Plus)Bank der Zukunft doch eigentlich kaum mehr etwas im Weg.

Fasst schon schade, dass in die Auswertung des Planspiels nur Zahlen einfließen. Diese „Wirtschaft auf dem Papier“ birgt die Schwierigkeit das geistige Innovationspotential in die offenbar präziseste Sprache der Welt zu übersetzen – in die Mathematik. Je nachdem wie gut die Vokabel- und Grammatikkenntnisse sind, werden u.U. interessante Ansätze nicht erfasst.

Naja, Ziel des Wettkampfes ist jedenfalls der Dazugewinn von wirtschaftlichen Erkenntnissen. Es ist ein Anfang, Jugendliche an die Problematik heranzuführen und ihnen freie Hand zu lassen. So kommt dem SocialBanking möglicherweise zukünftig doch noch eine gewisse Beachtung zu Gute.

Zum Autor: Bereits im Jahr 2009 gehörte der damals 16-jährige Florian Haufe aus Oberkrämer zu den Gewinnern bei Brandenburgs Rhetorik-Wettbewerb Jugend debattiert (1. Preis). Jetzt ist Florian Haufe, 18, zwar geboren in Berlin, aber wohnhaft im nordwestlichen ‚Speckgürtel‘. Der Gymnasiast befindet sich im 13. und letzten Schuljahr.

Nach erfolgreichem Abschluss des Abiturs beabsichtigt er, Anfang Herbst 2012 ein Dualstudium bei der BHF-Bank in Frankfurt am Main zu beginnen. Was ihn nach eigenen Angaben antreibt, habe Goethe’s Faust so formuliert: „Daß ich erkenne was die Welt im Innersten zusammenhält […]“ – im wirtschaftlichen Sinne. Florian Haufe sieht sich demzufolge als Querdenker, der nicht nur den nächsten, sondern auch die Konsequenzen des übernächsten Schrittes versucht zu bedenken. 

Auf der Website (bisher noch im Beta-Format) http://l.hh.de/plusbank und auf der Facebook-Seite http://www.facebook.com/pages/PlusBank/277247115650447 stellt sich das Projekt kurz vor. Das Team besteht aus 5 Schülern und einer beratenden Lehrkraft. Bei der Zusammenstellung des Teams liegt der Schwerpunkt auf „Asset Allocation“. So bündeln die Plusbanker Kompetenzen in Mathematik, Informatik, Wirtschaft und Finanzmarkt sowie Marketing.

Zum Hintergrund des Projekts: Seit vierzehn Jahren veranstaltet der Bundesverband deutscher Banken (www.bankenverband.de) ein Bankenplanspiel, genannt Schul/Banker (www.Schulbanker.de). Dieser Wettbewerb richtet sich an Schülerinnen und Schüler deutscher Schulen, der oberen Sekundarstufe. Finale und Preisverleihung finden vom 29. bis 31.04 2012 in Potsdam statt.

Written by lochmaier

November 30, 2011 at 7:56 am

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Burnout: Das erschöpfte Geld … und warum Eurobonds kommen

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Wohin mit dem lieben Geld, sofern man welches auf der hohen Kante hat, fragt in diesen „volatilen“ Zeiten so mancher. Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht, denn alles hat seinen Preis.

1. Immobilien sind nur dann ein guter (Vermögens)Inflationsschutz, wenn sie nicht überbewertet sind, und deren Lage auf längere Sicht Bestand hat, auch in kritischeren Zeiten.

2. Aktien sind nichts für Menschen mit schwachen Nerven, einem möglicherweise bald bevorstehenden Kapitalbedarf, oder einfach nur all jenen, die nicht jedes Auf und Ab an den Finanzmärkten aussitzen können und wollen.

3. Bargeld ist ebenso erschöpft, es kann zwar weiter gedruckt werden, wird aber sicherlich nicht mehr, sondern weniger wert.

4. Gold ist zwar im Keller gut und sicher verstaut, wird es aber als konkreter Wert benötigt, so lässt es sich im Leiterwagen schlecht meistbietend durch die Straßen chauffieren. Und dann hat man wieder Geld in der Hand, das neu anzulegen und produktiv einzusetzen alles andere als leicht fällt.

5. Geld hat (nicht nur in Europa) einen Burnout, und genau deshalb werden Eurobonds wohl eine unausweichliche Alternative sein. Ob es vielen Experten und Politikern passt oder nicht, der Fisch windet sich noch lange im Netz bevor er endgültig darin zappelt.

Die wichtigsten Gegenargumente gegen den „Euroschuldschein“ (Eurobonds):

–         Eurobonds laufen zentralen marktwirtschaftlichen Prinzipien zuwider, da sie die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Euro-Staaten gefährden. Sie untergraben damit die Stabilität des Euro.

–         Die „Vergemeinschaftung“ von Schulden kann nicht erfolgreich sein, da sie die schwächeren Staaten dazu anregt, nicht konsequent genug an der Wiederherstellung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu arbeiten.

–         Die Einführung von Eurobonds läuft dem Ziel einer stabilen Haushaltsführung entgegen.

–         Eurobonds ziehen erheblich höhere Zinskosten nach sich. Sie belasten den Bundeshaushalt und damit letztlich die Bürgerinnen und Bürger in Milliardenhöhe.

–         Grundsätzlich vertritt die Bundesregierung die Position, dass sich die Euro-Mitgliedsstaaten als Einheit bewähren müssen. Allerdings darf dies nicht einseitig zu Lasten der wirtschaftlich und finanziell starken Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland gehen.

Fazit: All diese immer wieder gebetsmühlenartig vorgetragenen Argumente dürften Makulatur sein, wenn das Vorgeplänkel, wer nach einer langen Party am Ende die Rechnung zahlt, ein Ende findet. Und da sitzen viele zurecht mit im Boot in der europäischen „Schicksalsgemeinschaft“.

In guten wie in schlechten Tagen gehabt euch wohl. Dass hier die von der Boulevard-Stimungsmache negativ gefärbte Mehrheitsmeinung auf den Euro-Bondskurs in modifizierter Form einschwenken wird, ist offensichtlich, wie auch das Interview Die Deutschen werden einknicken zeigt.

Schließlich hat Deutschland auch jahrelang profitiert von der Euroeinführung. Deshalb lohnt es sich, im Auge des Orkans Ruhe zu bewahren, und nicht nur mit dem bösen Finger auf die faulen Griechen zu zeigen, um hier ausnahmsweise einmal auf den Ex-Chef-Volkswirt der Deutschen Bank im Handelblatt zu verweisen: Die Party für Anleger ist vorbei.  

Bilanz: Die Ressource Geld wird sich nur dann nicht im Dauer-Burnout erschöpfen, wenn Menschen mit Mut und frischen Ideen sich in der Wirtschaft und Gesellschaft einbringen. Und wenn alte Eliten, die allzu sehr in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, abdanken. In Griechenland und Italien sind bereits „langweilige“ Pragmatiker am Regierungsruder.

Ein bisschen mehr Bodenständigkeit. statt einer gnadenlosen Inszenierungskultur, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdrungen hat, könnte auch uns hier in good old germany gut tun, damit wir uns nicht als Ganzes in unserer eigenen Sackgasse beim ständigen Hin- und Herlaufen erschöpfen, bis das Geld endgültig „verdampft“.

Written by lochmaier

November 28, 2011 at 7:43 am

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Versicherungen: Heilsversprechen der Branche greifen nicht mehr

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Wer gestern abend die ARD-Talkshow Anne Will ansah, konnte Zeitzeuge einer heraufziehenden Götterdämmerung werden. In diesem Fall geht es um die Versicherungsbranche, deren Vertreter und Kritiker ein Stelldichein gaben.

Zu denjenigen, die sich von den alten Praktiken abgewandt haben, gehört Walter Benda. Er betreibt das kritische Blog www.versicherungskritiker.de – gleichwohl ist der ehemalige Versicherungs“verkäufer“ jetzt auch weiterhin in der Branche aktiv. Nun aber auf eigene Rechnung und nicht als „Strukki“. Mal sehen, was unter dem Strich mit einer neuen kundenzentrierten Philosophie rauskommt.

Die Diskussion, bei der Geschädigte, Vertreter der Versicherungsbranche und Verbraucherschützer zu Wort kamen, zeigte ein klares Stimmungsbild. Nur die Provision zählt, titelt heute der STERN. Siehe auch die Frühkritik der FAZ: Da verliert man schon mal den Überblick. Oder wie ich bereits im Januar hier bilanzierte: Wenn Millionen Luftballons plötzlich platzen.

Es geht also nach unten, die Riester-Rente mit ihren Rendite- und Sicherheitsversprechen steht ebenso in der Diskussion wie die Zuverlässigkeit der Heilsversprechen, die im Kleingedruckten oftmals etwas anderes zustande bringt als in den Werbeprospekten.

Fairerweise soll hier natürlich durchaus eingeräumt werden, dass es auch Kunden gibt, die ihre Versicherung betrügen. Und es gibt auch Kunden, die per Saldo von einer Lebensversicherung o.ä. profitieren. Dennoch kann man die Situation nicht mehr schön reden. Die Überschussbeteiligungen schmilzen dramatisch, einige Versicherer taumeln, weil sie strukturell für die volatilen Märkte schlecht aufgestellt sind.

Aus Kundensicht kann man sein Geld deshalb auch anders anlegen, wenn das Vertrauen weiter bröckelt. Die Verträge sind inflexibel, sie spiegeln nicht mehr den Zeitgeist wieder, letztlich geht es immer noch um exorbitant hohe Abschlussprovisionen, getreu dem Motto: Nach mir die Sintflut!

Insofern kann man Walter Benda vom blog versicherungskritiker.de durchaus in den folgenden Punkten zustimmen:

Die Moral in der Finanzdienstleistung ist zur Politphrase verkommen. Der bitteren Erkenntnisse gibt es dabei viele:

  • Die meisten Menschen wissen nicht wie Geld entsteht.
  • Die meisten Menschen wissen nicht wie Geld funktioniert.
  • Finanzmathematik ist kein Lehrfach in der Finanzdienstleistung.
  • Es wird haufenweise Schrott verkauft, weil die meisten nicht wissen was sie da verkaufen.
  • Der Schrott wird weiterempfohlen, weil die meisten nicht wissen was sie da kaufen.
  • Von denen die es ahnen, machen fast alle die Augen zu und fragen nicht nach!
  • Warum? Die meisten Vermittler kämpfen ums nackte Überleben, weil sie kaum etwas verdienen. Als Selbstständige im Schnitt unter 30.000€ Jahresbrutto vor Betriebskosten!
  • Wer kein Geld verdient, kann sich ehrliche Beratung gar nicht leisten.

Quelle: versicherungskritiker.de

Fazit: Es stellt sich dennoch die Frage, ob es neue und bessere Versicherungsmodelle gibt, auch die Kritiker und teilweise frisch sich als unabhängig vermarkteten Alternativen müssen sich beweisen. Am besten ist sicherlich jene Versicherung, die nicht nur auf einer hohen Abschlussgebühr beruht, sondern auf einer permanenten und jederzeit nachprüfbaren Dienstleistung.

Das ist indes angesichts der hunderten Seiten von Bedingungen schwer. Ich selbst halte die meisten Versicherungen übrigens für komplett überflüssig. Wer das Leben allzu sehr versucht abzusichern, der begnügt sich oftmals mit „Scheinsicherheiten“, die gerade dann nicht greifen, wenn der Schadensfall eintritt. Besser ist es also, manchem Risiko ins Auge zu schauen und bewusst damit umzugehen.  

Tipp: Wer sich nun intensiver mit Schein und Sein der Versicherungsbranche auseinandersetzen möchte, der kann sich die Sendung Anne Will’s vom 23.11. noch einmal in voller Länge auf den Online-Seiten des NDR anschauen. Versichern, verkaufen, verschaukeln – wer traut noch seinem Berater?

Written by lochmaier

November 24, 2011 at 9:23 am

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Finanzwelt Inside (Teil V): Banker mutieren zu Investmentpunks

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Im vorerst letzten Teil dieser kleinen Serie zur Finanzwelt Inside wird eine weitere Möglichkeit des Umstiegs beleuchtet. Werden Sie doch einfach zum Investmentpunk? Diese provokative Lösungsoption vertritt jedenfalls Gerald Hörhan, selbst ein bekennender Vertreter dieser bis dato unbekannten Spezies.

Bisher sind in dieser Serie „Finanzwelt Inside“ erschienen:

Teil I – Zahl der kreativen Umsteiger nimmt zu 

Teil II – Banker(innen) steigen auf Nachhaltigkeit um

Teil III – Banker suchen Zuflucht in der Kunst

Teil IV – Banker suchen Zuflucht in der Natur

Er polarisiert bewusst. Der 35-jährige Österreicher Gerald Hörhan ist sowohl erfolgreicher Investmentbanker als auch bekennender Punk. Wie geht das zusammen? In seinem Buch Investmentpunk  zieht er nüchtern Bilanz: Statt gegen das Geld, die Reichen oder auf die Banken mit dem Finger zu zeigen, sollte die Mittelschicht aus dem Hamsterrad aussteigen.

Nicht ganz einfach allerdings für jemanden, der Familie zu ernähren hat und möglicherweise gerade einen Baukredit laufen hat. Aber das ist nicht unbedingt die Zielgruppe dieses Buches, sondern eher Menschen, die Alternativen zur von vielen Arbeitenden als „Hamsterrad“ empfundenen  Unternehmenskultur suchen.

Einen ersten Einblick über seine Thesen vermittelt ein aktuelles Interview mit dem Autoren auf Börse online. Die Kernthese lautet: Investmentpunks rebellieren, indem sie sich auf die planvolle Vermehrung des eigenen Vermögens konzentrieren. Das indes klingt reichlich kompliziert, denn es gibt ja keine Gelddruckmaschine.

Aber das behauptet Hörhan auch gar nicht, er sieht Disziplin (etwas Punkuntypisch vielleicht) als die Grundvoraussetzung für die Vermehrung des Vermögens an. Gerald Hörhan ist ein Aufsteigerkind aus einfachen Verhältnissen. Bereits als Jugendlicher gewann er eine Silbermedaille bei der Mathematik-Olympiade, schwor aber auch früh der kleinen idyllischen Welt seiner kleinbürgerlichen Kindheit ab und entwickelte sich zum umtriebigen Querkopf.

Und er war sich früh bewusst, worauf es in dieser Welt jenseits einer rebellischen Geisteshaltung ankommt, nämlich vor allem aufs Geld, das für ihn heute den zentralen Schlüssel zur persönlichen Unabhängigkeit darstellt.

Später schloss Hörhan ein Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften an der Harvard University mit magna cum laude ab, arbeitete danach als Investmentbanker unter anderem für JPMorgan Chase & Co. in New York, und als Unternehmensberater für McKinsey in Frankfurt.

Bis hierher liest sich diese Biographie wie ein gängiger Aufsteigertraum, in leicht abgewandelter Form letztlich den Traum vom Tellerwäscher zum Millionär propagierend. Die konventionelle Seite dieser Biographie ist tatsächlich die, dass Hörhan heute tatsächlich ein Erfolgsmensch ist, der mittlerweile seine eigene Investmentfirma Pallas Capital Holding AG aufgebaut hat.

Aber er verfolgt im Privaten auch konsequent seine eigenen „Gestaltungsprinzipien“. Wie also gelingt der Spagat zwischen Schlips während des Tages als Investmentbanker bei Verhandlungen, und einer möglicherweise dazu im Kontrast stehenden Zweitidentität als „Investmentpunk“.

Fragen wir ihn mal selbst, was sich hinter dem griffigen Schlagwort Investmentpunk verbirgt. Denn seine Thesen sind insbesondere für reine Konformisten die pure Provokation.

Social Banking 2.0: Herr Hörhan, warum sollte die Mittelschicht aus ihrer passiven Rolle als Melkkuh ausbrechen?

Gerald Hörhan: Meine Kernbotschaft lautet: Die klassischen Sicherheiten und Konventionen greifen nicht mehr. Hinzu kommt die Verschuldungsspirale, aus der viele Menschen nicht mehr heraus kommen. Der Schuldendienst für Konsumausgaben bringt große Unfreiheit hervor. Die breite Masse trottet dem Weg der anderen einfach nur nach. Mein Buch ist ein Versuch, das Potenzial in den Menschen zu wecken, ihnen zu sagen, sie sollen sich anstrengen und kreativ sein. Es geht auch anders als mit den Bordmitteln, die einem durch andere von der Wiege bis zur Bahre eingetrichtert worden sind.

Social Banking 2.0: Der Vertrauensverlust in der Bankenbranche ist zwar enorm, letztlich bleibt es aber aufgrund der gängigen kognitiven Dissonanz beim allgemeinen Wehklagen der Masse und einem wenig ziel gerichteten Bankenbashing. Kaum einer ändert sein Finanzverhalten und führt es stärker in Eigenregie. Wird dies so bleiben?

Gerald Hörhan: Es gibt einzelne Menschen, die den Trend durchaus schon spüren. Vor allem meine Generation spürt die Problematik instinktiv sehr deutlich, etwa wenn es um die beste medizinische Behandlung geht, oder um die Schulausbildung für die Kinder, was künftig von Seiten des Staates nicht mehr zu machen sein wird. Die meisten Menschen wissen aber nicht, was sie tun sollen. Den richtigen Umgang mit Geld zu erlernen, gehört in jeder Schule zum Pflichtprogramm, ebenso wie die Funktionsweise unseres medizinischen Systems oder wie man gesund leben kann. Unser Ausbildungssystem versagt in dieser Hinsicht vollkommen.

Social Banking 2.0: Im Internet kann man heute vieles vergleichen. Der Blick in das virtuelle Hotelzimmer am Urlaubsort ist ebenso gut möglich wie der Vergleich von Finanzprodukten. Ändert sich dadurch etwas?

Gerald Hörhan: Jein. Man kann im Internet zwar vieles vergleichen, aber trotzdem sind Finanzprodukte immer noch undurchschaubar. Nach wie vor gilt die alte Regel, dass Sie sich entweder selbst gut auskennen müssen, oder dass Sie sich jemand suchen müssen, der Sie gut und erfolgreich berät. Und der durch Fakten belegt hat, dass er über ein Know-how in seinem Bereich verfügt. Ein Beispiel: Eine lokale Volksbank finanziert für mich beispielsweise meine Immobilienkäufe, und die machen ihre Arbeit sehr gut. Es gibt also Ausnahmeerscheinungen. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass wir in einer Welt leben, wo jeder für sich eigenverantwortlich handeln sollte. Das bedeutet auch, sich intensiv mit der Geldanlage zu beschäftigen.

Social Banking 2.0: Ist das Internet letztlich eine Art von „Nullsummenspiel“, durch das man nicht unbedingt produktiver und erfolgreicher in Finanzfragen agiert?

Gerald Hörhan: Das Internet hat sicherlich dazu beigetragen, auch die Finanzwelt stärker zu demokratisieren und schneller an Nachrichten zu gelangen. Noch vor zwölf Jahren während meines Aufenthalts in New York waren bestimmte Informationen nur für selektive Gruppen zugänglich. Das hat sich geändert. Über Online-Broker kann man die langfristige Performance bis hin zu Geschäftsberichten und Marktentwicklungen studieren und vergleichen.

Nur braucht man immer noch ein gutes System, um erfolgreich zu sein. Die menschlichen Instinkte zwischen Gier und Angst zu beherrschen, ist eine weitere Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein. An Insider-News glaube ich übrigens nicht, ich bin kein Zocker, sondern wähle Aktien langfristig nach gewissen Kriterien und einem klar definierten System aus.

Social Banking 2.0: Was macht denn einen Investmentpunk 2.0 im Internet-Zeitalter aus, bildet sich möglicherweise sogar eine eigene Subkultur im Netz jenseits von alt hergebrachten Klassenkampfvarianten?

Gerald Hörhan: Eindeutig ja. Die Subkultur besteht einerseits darin, die ganzen Konventionen über Bord zu werfen, die Euch eingetrichtert worden sind, aber auch gleichzeitig unternehmerisch zu denken und IT-affin ausgerichtet zu sein. Über niedrige Kosten und kleinteilige Arbeitseinheiten lässt sich das Leben heute ganz anders organisieren. Wer erfolgreich sein will, wie ein Investment Punk, muss aber trotzdem rebellieren gegen die etablierten Dummheiten.

Social Banking 2.0: Ist die Punkbewegung ähnlich wie die Alt-68-er nicht letztlich doch eine Modewelle, bei denen viele Protagonisten nach Jugendjahren, wo sie sich intensiv ausgetobt haben, später in gut bezahlten bürgerlichen Jobs im Establishment untergetaucht sind?

Gerald Hörhan: Natürlich gibt es auch unter den Punks viele, die später graue Mäuse geworden sind. Aber das normale Bewerberspiel etwa im Internet mitzumachen ist doch ebenso wenig erstrebenswert, etwa indem man vor dem Abschicken der Unterlagen sorgfältig jedes Foto von einer früheren Studentenparty hat löschen lassen. Die Personalchefs sind nur Bürokraten. Ich würde niemanden in meiner Firma einstellen, der nicht mal irgendwo besoffen war. Das wäre mir zu viel graue Maus und entspricht nicht unserer offenen Firmenkultur. Wer die Nummer 358 A sein will, soll sich an die Regeln halten, aber die meisten Menschen sind doch mit derartigen Jobs nicht wirklich glücklich.

Social Banking 2.0: Wie also nutzt ein kreativer Investmentpunk das Netzwerk und die Spielmöglichkeiten des Internets auf intelligente Art und Weise?

Gerald Hörhan: Ganz einfach, indem Sie ein individuelles Markenzeichen entwickeln, in irgendetwas besonders gut zu sein und sich einen eigenen Charakter und ein eigenes Image zu erarbeiten. Mein Ziel ist es, irgendwann eine alternative Ausbildungsstätte zu gründen, wo den jungen Leuten das geboten werden soll, was sie konkret fürs Leben brauchen, und nicht das, was von außen in sie hinein gepflanzt werden soll. Viele junge Menschen werden definitiv in die falsche Richtung gedrängt. Der Bedarf an wirklichen Bildungsinhalten ist gewaltig, den Rest kann man sich heute aber leicht übers Internet selbst aneignen. Eines aber bleibt unumstößlich: Sich in der bloßen Rebellion zu erschöpfen, ohne eine entsprechende Leistung dahinter, brächte den Investmentpunk nicht weiter an sein Ziel heran, nämlich mit Hilfe von Geld permanent an seiner inneren Unabhängigkeit und Freiheit zu arbeiten.

Interview: Lothar Lochmaier

Hinweis: Im Oktober 2011 hat Gerhard Hörhan übrigens ein weiteres Buch publiziert, mit dem Titel Gegengift, das sich wie oben angedeutet, ausführlich mit der Bildungskrise in unseren Breitengraden befasst. Untertitel: Wie euch die Zukunft gestohlen wird. Was ihr dagegen tun könnt. Erste Lesereinschätzungen gibt es via Amazon.  

Fazit: Man kann trotz der unterschiedlichen Geschmäcker, die sich an dem Label „Investmentpunk“ sicherlich reiben, durchaus dem Fazit eines Lesers zustimmen, der feststellt, dass die Gedankenwelt von Gerald Hörhan deutlich mehr Tiefgang enthält, als etwa diejenige der ständig in den Medien präsenten Finanzflüsterer Max Otte oder Dirk Müller.   

Weiterer Tipp: In einem Interview mit dem Deutschen Anlegerfernsehen (DAF) vom Mai 2010 kann man Gerald Hörhan’s Gedankenwelt auch bildlich folgen: 

Written by lochmaier

November 23, 2011 at 8:12 am

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Gastbeitrag: Boris Janek (Finance 2.0) über das Geno Barcamp

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Anlässlich des dritten Geno-Barcamps in Münster, an dem ich selbst auf Einladung der GAD teilnahm und interessante Einblicke in die „Genobank 2.0“ erhielt, vereinbarten drei Blogger den Austausch ihrer Artikel.

So erschien mein Beitrag auf den Blogseiten der Innovationswerkstatt Bühl unter dem Titel: Unbegrenzter Grenznutzen von Social Media. Franz Welter wiederum bilanzierte bei Finance 2.0 seine Sicht zum Barcamp. Nicht zu vergessen auch die Inneneinsichten des vielseitigen Blogs „Bausparfuchs“: Die Flamme brennt.

Nun liegt abschließend der Spielball bei Boris Janek, der seine Bilanz zum dritten Geno Barcamp den Lesern von Social Banking 2.0 präsentiert.

Gastbeitrag von Boris Janek von Finance 2.0

Genobarcamp – ein komisches Wort. Ist das überhaupt ein Wort? Wäre es offiziell, dann hätte es sicherlich keine schlechten Chancen bei der Wahl zum Wort oder Unwort des Jahres. Social Media, Social Banking, Occupy Wallstreet, Facebook, Crowdfunding und Gamification sind weitere Worte, die neu, oftmals noch ohne deutsche Übersetzung und dennoch nicht weniger wichtig sind und die auf dem 3. Bar Camp der Genossenschaftsbanken eine nicht unbedeutende Rolle spielten.

Die wichtigste Rolle spielten jedoch die Menschen, also die Teilnehmer dieses Bar Camps. Um die Menschen geht es ja eigentlich auch, wenn wir über eine Veränderung der Finanzbranche sprechen. Und darüber wird in letzter Zeit viel gesprochen. Zum Beispiel in Talk Shows, in Nachrichtensendungen, in Zeitungsartikeln- und Kommentaren, in sozialen Medien und natürlich auch auf dem genobarcamp. Dass Banken selber darüber nachdenken etwas zu verändern, könnte  den Ein- oder Anderen überraschen. Und dieselben Menschen werden sich möglicherweise auch wundern, dass Banken eben nicht gleich Banken sind. Kämen sie darüber hinaus auf die Idee, dass Banken als organisatorisches Gebilde eben aus einer Vielzahl unterschiedlicher Menschen bestehen, die eben nicht nur Mitarbeiter einer bestimmten Bank sind, sondern auch Ehemann, Familienvater, Verbraucher, Kunde, Steuerzahler, ehrenamtlicher Mitarbeiter, Kirchgänger, Vereinsmitglied, usw. sind? Und wenn Sie auf diese Idee kämen, dann wäre es doch spannend, wenn sie aktiv den Dialog suchen würden, wo immer dazu die Möglichkeit geboten würde.

Die Kreditgenossenschaften  beschäftigen 158.000 Mitarbeiter, haben mehr als 30 Millionen Kunden und fast 17 Millionen Mitglieder. Das klingt nach Vielfalt und Mitbestimmung. Da scheinen eine erfolgreiche Vergangenheit und ein nachhaltiges Geschäftsmodell durch. Aber auch die Verantwortung sich zu hinterfragen und auf die Entwicklungen der Moderne zu reagieren. Denn letztendlich sind auch die genossenschaftlichen Banken aus einer gesellschaftlichen Bewegung heraus entstanden. Und die Zeiten sind geeignet sich diese Tatsache wieder in Erinnerung zu rufen.

Die richtigen Fragen lauten zum Beispiel:

Was erwarten die Menschen von einer Bank, der sie vertrauen können?

Welche Produkte, Dienstleistungen und Kontaktkanäle wünschen sie sich?

Welche Werte soll eine Bank vertreten, leben und vielleicht sogar verbreiten?

Möchte der Kunde mitbestimmen und sich aktiv einbringen oder soll die Bank eher im Hintergrund die Fäden ziehen.

Für welche Angebote ist der Verbraucher überhaupt bereit noch etwas zu bezahlen?

Will der Kunde den menschlichen Kontakt oder ist er eher an einfachen und vielleicht auch Spass machenden Technologien interessiert bzw. muss man möglicherweise Beides machen.

Muss die Bank Social Media nutzen? Wenn ja, wofür und wie?

Macht uns die Nutzung von Social Media zu einer besseren Bank? Oder. Was ist zu tun, um ein soziales Geschäftsmodell zu etablieren und zu leben.

Oder auch praktische Fragen wie?

Sind wir innovativ? Wir innovativ müssen wir sein? Wie werden wir innovativer?

Wie kann man das Potential der genossenschaftlichen Bankengruppe besser nutzen?

Wie können wir von Crowdsourcing, Enterprise2.0 und Co. profitieren?

Wie kann man die Vielzahl der unterschiedlichen Positionen unter einen Hut bringen und dadurch eine Aufbruch Stimmung erzeugen?

Wie können wir zeigen, dass wir anders sind?

Und was können und müssen wir vielleicht noch alles ändern, um ein Unternehmen zu werden, welches die Menschen in eine glücklichere, gerechtere und nachhaltigere Zukunft zu führt.

… Und genau diesen Fragen stellten sich die Teilnehmer des 3. genossenschaftlichen Bar Camps. Auch wenn die Zahl der Teilnehmer überschaubar war. Es wurde rege und durchaus kontrovers diskutiert. Neue Geschäftsmodelle und Technologien standen ebenso auf der Tagesordnung, wie Fragen zur Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Social Media spielte eine Rolle. Es wurde über Marketing diskutiert und auch über die eigene Occupy- Kampagne. Viele spannende Vorträge und ebenso spannende Gespräche prägten die Tage im Innovationsforum der GAD. Herausragend organisiert von Frank Kleinert, grandios eingeleitet von Lothar Lochmaier und kurzweilig weiter geführt und gestaltet durch die Teilnehmer, die vielleicht auch Teil einer neuen Bewegung sind.

Zum Autor:

Boris Janek ist  Soziologe und arbeitet ist Manager Digitales Marketing bei der VR NetWorld GmbH in Bonn. Seit 2007 betreibt er den Blog www.finance20.de in dem er sich mit technologischen und kulturellen Veränderungen innerhalb der Finanzbranche entwickelt. Er hält regelmäßig Vorträge und führt Workshops durch, die sich vor allem mit den Themen Digitales Marketing, lokales Marketing Bank Innovationen und Finance2.0 beschäftigen. Mehr Infos erhalten Sie direkt vom Autor zum Beispiel über twitter @electrouncle oder auch auf Xing.

Written by lochmaier

November 21, 2011 at 7:30 am

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Finanzkrise und VWL: Wie Postautistische Ökonomen ticken …

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Statt einer langen Vorrede zur Rolle der Ökonomen und Medien, vor, während und nach der Finanzkrise, der ich mich in einem längeren Fachbeitrag demnächst noch widmen werde, hier zur bildhaften Einführung eine interessante 15-minütige ZDF-Reportage, die einige neue Denk- und Gestaltungsansätze zumindest anreißt.

Im Brennpunkt stehen „postautistische Ökonomen“ und sonstige Vor- und Querdenker, die VWL nicht nur als reines Formelwerk ansehen, sondern jenseits scheinbarer Rationalitäten nach neuen Ideen Ausschau halten. Zwar in der Substanz kein wirklich neuer Beitrag, aber er zeigt, dass es an den Unis beim Nachwuchs und darüber hinaus doch mehr Bewegung gibt, als es im schlauen Lehrbuch zu stehen scheint.

Aber schauen Sie doch selbst rein, wie postautistische Ökonomen ticken könnten …

Written by lochmaier

November 18, 2011 at 8:15 am

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Ropo-Effekt + Schubumkehr: Online-Recherchieren + kaufen!

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Regelmäßig schwärmen ganze Heere von Unternehmensberatern und Marktforschern aus, um durch die Brille ihrer Auftraggeber, in diesem Falle Banken und sonstige Finanzdienstleister, zu intelligenten und bahnbrechenden neuen Erkenntnissen zu gelangen. Zum Beispiel, wohin sich das Bankgeschäft entwickelt.

Beispiel: Der Ropo-Effekt – Es ist eine Art von ungeschriebenem Gesetz, an das sich die Bankenwelt klammert wie ein Ertrinkender an das Rettungsfloß. So schreibt die Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting, untermauert durch eine szenige Umfrage bzw. „Studie“ – Wege zum Kunden 2015  in der Bankenwelt, und zwar zum Verhältnis Internet und stationärer Bankberatung bzw. Filiale: 

Bemerkenswert ist, dass die verschiedenen Kanäle zunehmend parallel genutzt werden. Man spricht hier vom ROPO-Effekt (Research Online, Purchase Offline). So haben sich mindestens zwei Drittel aller Personen, die ein Produkt in der Filiale kaufen, vorab online informiert. Bei Konten und Kartenprodukten sind es sogar über 80 %.

Durch stetiges Wiederholen wird eine blinde Spekulation leider nicht glaubwürdiger. Deshalb gleich zu meiner These: In Zukunft recherchieren die Kunden online, und sie kaufen auch dort. Selbst ein erklärungsbedürftiges Produkt wie eine Baufinanzierung lässt sich dort im Grunde fast final zu Ende führen.

Ein geschickter Bankberater versucht ansonsten doch noch, die eine oder andere Provision rein zu schmuggeln… Dabei ist das Gespräch doch nur wirklich zielführend, wenn ich mit dem Berater zu einem (nicht nur für die Bank) besseren Endergebnis komme als ohne. Das dürfte nur in relativ wenigen Fällen der Fall sein, was sich auch durch diverse selbst erlebte Beispiele erhärten lässt.

Deshalb ist man gleich besser beraten, alle Konditionen und Bedingungen online durchzugehen, den klaren Kopf zu behalten, sich mit anderen über die Chancen, Tücken und Fallstricke auszutauschen. Das einzige, was einem niemand, und schon recht nicht der Finanzberater abnimmt, ist es, die richtige Strategie für einen selbst zu definieren. Aber auch hier hilft der Gang in die virtuelle Welt, man kann anhand von Szenarien alles viel besser überlegen und durchspielen.

Der „Finanzvermittler“ in seiner menschlichen Ausprägung dient dann allenfalls noch dazu, offene, ganz präzise Nachfragen zu klären, sofern er oder sie dazu überhaupt die richtigen Antworten parat hat.

Offen ist nun in der Branche bereits die Rede davon, den Beratungsprozess komplett ins Web zu verlagern – gleichzeitig ist man nicht müde, gebetsmühlenartig zu betonen, dass der persönliche Kontakt und Dialog zwischen Kunde und Bankberater auch künftig die wichtigste Rolle spielt.

Mein Fazit zum Umkehrschub beim Ropo-Effekt lautet deshalb: Online recherchieren, online kaufen!  

Written by lochmaier

November 16, 2011 at 9:40 am

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Doktor Spar: Röntgenblick auf Occupy Wall Street

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Occupy Wallstreet lebe die „liquide Basisdemokratie“ vor, schreibt die ZEIT. Am vergangenen Wochenende waren wieder einige Zehntausend Menschen auf der Straße, um gegen die Auswüchse des „Finanzmarktkapitalismus“ zu demonstrieren, der freilich eher ein gesamt gesellschaftliches Phänomen darstellt, als eine reine Sündenbockfrage (die gierigen Banker dort, und die bescheidenen Bürger hier).

Zum Einstieg mein früherer Eintrag zur kreativen Umwidmung einer Bankfiliale in Berlin-Charlottenburg – Mehr als eine Protestbewegung formiert sich. Will heißen, der Riss geht durch die ganze Gesellschaft, bei einem riskanten Spiel, das uns jenseits von Erfolg statt Leistung in Gewinner und Verlierer aufspaltet. Auf der Strecke bleiben viele im Wagen, die dann zum Knecht mutieren.

Und genau deshalb habe ich mein alter ego, Doktor Spar, gebeten, sich mit einem Kommentar über die Risiken und Nebenwirkungen der Frage anzunehmen: Occupy Wall Street – eine gesellschaftliche Randbewegung – oder Vorbote eines radikalen Wandels in der Finanz- und Bankenwelt? (Sorry für die kleinen Nebengeräusche, aber in einer Geldpraxis ist immer was los…)

Was denken Sie über die Bewegung Occupy Wall Street?

Written by lochmaier

November 14, 2011 at 8:06 am

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Bank of America: Im Kreuzfeuer von Social Media

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Eine Festung fällt meist dann, wenn viele kleine Gräben die Machtbasis von unten her unterwandern. So ähnlich ergeht es der größten US-Bank, dem Flaggschiff Bank of America (BoA). Jedes Mal, wenn man glaubt, sie träte aus den negativen Schlagzeilen heraus, gibt es etwas Neues zu berichten.

Das Spannende an dieser „Case Study“ mit dem Boah-Effekt für die Leser von Social Banking 2.0 ist nun, dass sich der Frust seinen Lauf auch über diverse Social Media Kanäle seinen Lauf bricht. Wir erinnern uns: Bereits im Jahr 2009 – nach der Finanzkrise – hatte sich eine durchaus vertrauenswürdige Kundin der Bank über die hohen Überziehungszinsen für Kreditkarten beschwert.

Und zwar via Youtube, ein Video, das immerhin mehr als eine halbe Million Mal angeklickt wurde. Die Reaktion der BoA zunächst: Keine, bitte warten – eine Endloswarteschleife, wie sie mancher Finanzdienstleister gerade bei berechtigter Kundenkritik immer noch gerne benutzt – statt auf den Kunden zu hören, und aus dessen Feed-back zu lernen. Am Ende gewann die Kundin – sicherlich ein Einzelfall  – doch, weil die Medien wie etwa in der Huffington Post nachzulesen auf sie aufmerksam wurden und die BoA zum Einlenken gezwungen war.  

Was ist nun neu? Das alte Geschäftsgebahren einer Black Box Bank funktioniert immer weniger. Denn die Kunden sind die Killerapplikation. So titelt die Financial Times Deutschland durchaus folgerichtig: Kunden zwingen US-Bank zum Einlenken.  Ein kurzer Auszug:

Die großen amerikanischen Banken haben die Macht ihrer Kunden zu spüren bekommen. Der Versuch, Gebühren für die Nutzung von Kontokarten einzuführen ist gescheitert. Die Bank of America  (BofA) gibt sich reumütig: „Wir haben in den vergangenen Wochen sehr genau darauf gehört, was unserer Kunden sagen“, heißt es in einer Mitteilung des Instituts. Als Folge beerdigt die Bank als letzte der großen Retailbanken des Landes ihre Pläne, für die Nutzung von Debitkarten, die etwa den deutschen EC-Karten entsprechen, eine Gebühr zu verlangen.

Quelle: ftd.de

Spannend daran ist auch, dass soziale Medien den Fruststurm kanalisieren bzw. verstärken, solange die andere Seite passiv bleibt und nur darauf setzt, die Kritik möge sich schon wieder legen (Motto: Ist der Ruf…..). Dass dies gerade im interaktiven Bankenuniversum nicht mehr funktioniert, darüber berichtet etwa marketingwatch.com: Social media user hate banks, but really hate Bank of America.   

Noch genauer berichtet das Milwaukee-Wisconsin Journal Sentinel am Fall der BoA in seinem Blog: Social media offer new outlet for complaints. Protest muss nicht immer an der Wall Street stattfinden, entscheidend ist sogar der abgewandte Blick zu den großen öffentlichen Schauplätzen, wo sich Veränderungen relativ unbemerkt abspielen.

Ich habe mir den natürlich auch nicht ganz uneigennützigen Datenreport von Amplicate genauer angeschaut. Dass die Citigroup hier auf Nummer Eins geführt wird, zeigt, dass die Methodik solcher Untersuchungen zum Bewusstseinswandel via Social Media einerseits von begrenzter Reichweite sein dürfte. 

Der Report „Public Opinion on Bank of America and Banks in the US and Europe on Social Media“ widmet sich der sogenannten Sentiment- also der Stimmungsanalyse in den sozialen Netzwerken gegenüber den Banken.

Der anhaltende „shitstorm“ in Social Media gegenüber der BoA mit praktisch nur noch negativen Kommentaren hat eine beträchtliche Dynamisierung erreicht, wenngleich es weit gravierende Beispiele von Unternehmensbashing in der Online-Welt gibt.

Dennoch steht fest: Das alte Gesetz, tue was du willst, es ist egal, was die Kunden dazu sagen, ist definitiv ein Auslaufmodell. Nach dem Nachdenken, kommt die Rückbesinnung, dann das Vordenken, das Aufräumen, und dann vielleicht ein besseres Geschäftsmodell. 

Oder auch nicht – aber es gibt neben den kleineren Community-Banks, die vom Frust gegenüber den Großen profitieren, auch andere Online-Banken in den USA, die sich am Puls des Kunden neu positionieren. Sie werden wachsen, während andere hoffen, nicht zu schrumpfen.

Wenn die Großen weiter so machen wie bisher, indem sie das Private Banking als unbedeutendes Nebengleis gegenüber dem Investmentbanking ansehen, das keine Rückkoppelung zwischen beiden Zweigen entfaltet, dann dürfte diese Philosophie in Frage gestellt sein.

Es gibt immerhin banksimple, mint und viele andere neue kreative Ansätze in den USA und darüber hinaus, zu denen die Kunden sich bei einem weiteren Festhalten der Großen am „business as usual“ hinorientieren werden. Die Krötenwanderung hat begonnen.

Motto: No fake, keine unnötigen Gebühren, klare Serviceorientierung, gute Zinsen, keine Elfenbeintum-Produkte.

Written by lochmaier

November 9, 2011 at 3:17 pm

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Hacktivismus: Banken und Finanzelite im Fokus

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Die Hacker-Attacke von Anonymous auf Facebook am Wochenende ist offenbar ausgefallen, berichtet CIO. Dafür traf ein Hackerangriff mit bis dato unbekanntem Urheber den Sportartikelhersteller Adidas, dessen Website „zum Schutz der Kunden“ (und deren Daten, so die offizielle Version) immer noch offline ist. Ein neues Schreckgespenst, für andere wiederum ein Hoffnungsträger, grassiert in der Computerwelt: Politisch motivierter Hacktivismus. 

Der englischsprachige Begriff verbindet die beiden Elemente „Hack“ und Aktivismus. Er geht zurück auf den Designer und Autor Jason Sack, der diesen im Jahr 1995 mit Blick auf die Nutzung von Computern und Netzwerken für politische Zwecke prägte.

Heute kennzeichnet der Begriff eine große Vielfalt von technischen Interaktionen, die sich sowohl auf konstruktive Protestformen beziehen, aber auch destruktive Mechanismen einbeziehen, die grundlegende ethische und rechtliche Regeln missachten.

Demgegenüber unterscheidet sich der Begriff „ethischer Hacker“ (Ethical Hacker) dadurch, dass dieser im Idealfall Schwachstellen und Sicherheitslücken nur deshalb aufspürt, um sie unverzüglich an das betroffene Unternehmen oder eine Institution zu melden. Und zwar geschieht dies mit dem Ziel, damit dieser relevante Sicherheitslücken unverzüglich wieder schließen kann.

Der Ausdruck „Cracker“ wiederum beschreibt im Gegensatz dazu ein tendenziell stärker durch wirtschaftliche oder primär destruktive Motive bestimmtes Vorgehen. Unabhängig von klaren formalen Definitionen sind die Übergänge zwischen Hacktivismus, Hacking, Cracking und Cybercrime relativ fließend. Über was reden wir hier eigentlich, eine kleine Auswahl:

Aktuelle Sicherheitsvorfälle: Financial Services im Brennpunkt

 NASDAQ (2010) – Hacker unbekannter Herkunft verschafften sich mehrere Male den Zugang zum Computernetzwerk des Betreibers der NASDAQ-Börse in den USA. Dieser Fall stellte den Betreiber und die Behörden vor die Herausforderung, die Stabilität und Zuverlässigkeit des Online-Handels zu gewährleisten, um das Vertrauen der Anleger in dieses System zu stärken.

RSA (2011) – Hacker drangen in die Systeme des Sicherheitsunternehmens RSA ein, einer auf IT-Sicherheit spezialisierten Tochtergesellschaft der EMC Corporation. Den Eindringlingen gelang es, Informationen über die Zwei-Faktor-Authentifizierungsprodukte (Token) von RSA zu entwenden.

Citibank (2011) – Bei einem Hacker-Angriff wurden die Daten von ca. 200.000 Citibank-Kunden aus Nordamerika gestohlen, darunter Kontaktinformationen wie Namen und E-Mail-Adressen.

IWF (2011) – Der Internationale Währungsfond (IWF), die zwischenstaatliche Organisation zur Überwachung des globalen Finanzsystems mit 187 Mitgliedsstaaten, war Ziel einer der jüngsten Hacker-Angriffe. Auf den IT-Systemen sind unter anderem hoch sensible Daten zur finanziellen Situation unterschiedlicher Länder gespeichert.

Visa, Mastercard und Paypal (2011) – Ins Visier von Hackern gerieten die beiden Kreditkarten-Unternehmen und der Internet-Bezahldienst unter anderem deshalb, weil die Firmen in die Kontensperrung von Wikileaks involviert waren, einer Whistleblowing-Plattform im Netz. Anonyme Hackergruppen reagierten daraufhin mit diversen Attacken auf die Webseiten der Unternehmen, die sie kurzzeitig teilweise sogar lahm legen konnten.

Französisches Finanzministerium (2011) – Mit Hilfe eines Spionageprogramms (Trojaner) verschafften sich Eindringlinge Zutritt auf mehrere Hundert Rechner, Mailboxen und Server. Mangelhaft eingestellte Sicherheitssysteme ermöglichten auch diesen Angriff. Dabei wurden Dokumente entwendet, die im Zusammenhang mit der französischen Präsidentschaft des G-20-Gipfels standen, in dem die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer vertreten sind.

Fakt ist, jenseits des persönlichen Geschmackes, wieweit man die einzelnen Protestformen für richtig befindet und/oder unterstützt: Die jüngsten Hacker-Attacken auf strategisch bedeutsame Unternehmen und politische Einrichtungen haben deutlich gemacht, wie verletzlich und störanfällig hochsensible Infrastrukturen unserer modernen Zivilgesellschaften geworden sind.

Die Akteure bedienen sich dabei einerseits standardisierter Werkzeuge, aber auch immer ausgefeilter Methoden, um in betriebliche Netzwerke einzudringen. Der Begriff Hacktivismus umfasst dabei sowohl konstruktive bzw. legitime Protestformen der politischen Meinungsäußerung als auch destruktive Mechanismen, die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zuwider laufen.

So gibt die Gruppe Anonymous beispielsweise vor, den eigenen Lebensraum im Internet und den freien Zugang zu Informationen schützen zu wollen. Grundlegend missachtet werden dabei immer wieder elementare Aspekte wie das Urheberrecht, der Datenschutz sowie die wirtschaftlichen Schutzinteressen von Unternehmen. Andere wiederum sagen: Das sind legitime Protestmittel, bei dem das Internet auch als „soziale Waffe fungiert“. „Wir vergeben nicht, wir vergessen nicht“, so lautet jedenfalls die provokante Botschaft von Anonymous.

Als „Feuerknopf“ bezeichnen die politisch motivierten Hacker von Anonymous dabei jenen finalen Mausklick, zu dem sich die Aktivisten mit Hilfe von zuvor installierten Softwaretools in einer gemeinsamen Kommandoaktion verabreden. Die Ziele, die sie nach konzertierter Absprache und Aufruf über Chat angreifen, bestehen nicht nur aus Regierungen und Behörden, sondern auch aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen.

Hacktivismus – Welche operativen Zielgebiete gibt es?

> Das Verunstalten von Webseiten im Internet

> Webseiten oder Server zeitweise lahm legen

> Gezielte Botschaften in ein Netzwerk einschleusen und verbreiten

> Schädlichen Code verbreiten

> Ein Netzwerk ausspionieren

> Daten stehlen und über das Internet publik machen

> Anonyme Botschaften über das Netz zu politischen und gesellschaftlichen Inhalten und Zielen verbreiten

Wie schätzen die Leser dieses Phänomen ein?

Written by lochmaier

November 7, 2011 at 8:17 am

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