Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Archive for Juni 2011

Preisfrage: Wer oder was sind eigentlich Schattenbanken?

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Dazu findet man reichlich verschiedenartige Erklärungen, die ein ausgesprochen widersprüchliches Bild ergeben. Gerade diese Vielschichtigkeit reizt. Schattenbanken können vieles sein. Es kann ein paralleles Geldwesen sein, das sich – je nach kultureller Ausprägung – durch den informellen Geldtransfer direkt zwischen Menschen oder Gruppen auszeichnet.

Es kann eine kriminell organisierte „Schattenwirtschaft“ sein, die versucht, die legalen Geldflüsse mit allen Mitteln auf ihre eigenen Konten umzuleiten. Es kann ein aus dem Ruder gelaufenes unreguliertes, nach außen jedoch vollkommen „legal“ getarntes Finanzsystem sein, das sich durch seine eigenen Exzesse in den Ruin zu treiben gedenkt.

Ein Beispiel: Man kann, wie der Ökonom Stefan Homburg es in einem Spiegel-Interview Das System wird gesprengt anschaulich und leicht angeberisch verdeutlicht, auch ordentlich Geld in griechische Anleihen stecken. Und zwar, um damit bis zu 25 Prozent Rendite zu machen – und es damit Banken und Hedge Fonds gleich tun, die alles tun, nur nicht an andere denken.     

Und es können schließlich extremere soziale und politische Gruppierungen sein, die an der Grenzlinie zwischen Anarchie und sozialer Utopie nach einem Ventil oder einer Ausflucht suchen.

Manche halten auch Ausschau nach einem konstruktiven Ausweg, einer besseren Alternative, die sie mit einem ökologisch und sozial nachhaltigen Wirtschaftssystem verbindet. Das ist sicherlich noch eine Minderheit. Wie schön wäre es, wenn das Geld die Bedürfnisse der Menschen und der Realwirtschaft ernst nähme, statt nutzlose Wolkenkratzer zu konstruieren, die in der späteren Nachwelt kein Erdenbewohner mehr verwalten möchte.

Ein Satz ist mir immer in Erinnerung: Die Banken gewinnen immer, ob im Krieg, Frieden, Auf- oder Abschwung. Wenn man sich das anschaut, was in Griechenland läuft, bestätigt sich dieser klischeehafte Eindruck bis zu einem gewissen Grad. Denn während private Banken längst reagiert haben, versuchen die Staaten sich ziemlich unprofessionell im Krisenmanagement, und sie zögern, sich selbst und anderen reinen Wein einzuschenken.

Gibt es sowas wie eine „Lichtbank“ – wohl kaum. Höchstens ein paar kleine Kerzen. Zweifellos, auch der ganz normale, aus der unauffälligen Mittelschicht unserer hoch entwickelten Industriegesellschaften stammende Planetarier ist eine Art von Schattenbank.

Somit gibt es unzählige Spekulationsgebiete und manche Protagonisten maskieren sich so wie ein hölzernes Trojanisches Pferd, aus dessen Innenleben plötzlich eine ganze Armee heraus stürmt, um andere auf elegante Weise den eigenen Spielregeln zu unterwerfen.

Es liegt also an uns selbst, ob wir für unser eigenes und das Geld anderer die Verantwortung übernehmen, wie wir also mit Licht und Schatten jonglieren. Es bleibt wünschenswert, sich einander in diesem Lernprozess die Spielbälle zuzuwerfen, statt sie nur im eigenen Feld halten zu wollen – oder sie gleich ganz ins Abseits zu befördern.

Die Basisvariante von „Social Banking“ jenseits einer zu hochgesteckten Gutmenschen-Moral  ist genau das, nämlich vernünftig, effizient und – nicht zu vergessen – kreativ mit dem eigenen und dem Geld anderer umzugehen. Man muss dem folgenden Video nicht zustimmen, aber sich mit dem Phänomen tiefergehend zu beschäftigen, lohnt sich allemal, auch für die eigenen Finanzen.

Written by lochmaier

Juni 30, 2011 at 7:31 am

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Social Media: Der Rattenfänger von Hameln punktet nicht

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Es kursieren derzeit viele Begriffe im Zusammenhang mit neuen Ansätzen für Banken und Finanzdienstleistern. Was verbirgt sich hinter den Begriffen Social Banking, Community Banking oder Social Media Banking und wie grenzen sich diese voneinander ab?

Im Kern gibt es eine zentrale Schnittstelle zwischen diesen drei Begriffen: Diese lässt sich mit dem gängigen Begriff der Kundenorientierung am besten beschreiben. Das bedeutet jedoch etwas gänzlich anderes, als eine Bank nur vordergründig auf dieses Ziel auszurichten. Das Social Banking in seiner zweiten internetbasierten Erscheinungsform sieht zwar keinen zwingenden Widerspruch zur Gewinnorientierung, wie die historischen Versionen der ausschließlich sozialen und ökologischen Zielen verpflichteten Social Banks. Die oberstes Prämisse in der Variante 2.0 ist es, den Kunden direkt einzubinden, etwa indem die Menschen sich gegenseitig Kredite zu transparenten und günstigen Konditionen verleihen.

Community Banking wiederum bedeutet, dass virtuelle Interessengemeinschaften sich über ihre Geldanlage gegenseitig austauschen und Tipps geben. Aber mehr noch: Web 2.0-basierte Ansätze  gehen einen Schritt weiter und binden den Kunden als aktives Glied in die gesamte Produkt- und Geschäftsentwicklung mit ein.

Und schließlich wäre das dritte Bindeglied zu mehr Kundenorientierung das Social Media Banking, oder genauer: anhand von objektivierbaren Kriterien real nachvollziehbarer „bedarfsgerechter Kundennähe“. Das bedeutet ganz einfach, dass die Bank nicht nur Signale in den Markt sendet, sondern aktiv das Feedback der Kunden zulässt, ja sich geradezu ersehnt. Die „sozialen Medien“ bieten diese Chance.

Das gilt aber auch dann, wenn dies eine kritische Diskussion über die eigenen Produkte und Entscheidungen mit einschließt. Diese „sozialen“ oder besser „kommunikativen“ Schnittstellen bilden die künftige Achse im interaktiven Dialogverhalten, wobei dieser Prozess in Richtung einer dehierarchisierten Kommunikationspolitik nur von jenen Banken und Finanzdienstleistern erfolgreich bewältigt werden kann, bei denen das Wohl des Kunden tatsächlich im Mittelpunkt der gesamten Produktpolitik steht.

Im gegenteiligen Fall verfährt die Bank die Kunden als „Rattenfänger von Hameln“, der den Menschen wohl klingende aber ins Nichts führende Töne vorflötet. Geschieht dies, so werden wir neue Varianten an window dressing sprich Etikettenschwindel sehen, die die drei oben genannten Begriffe in ihr Gegenteil verkehren. Die gute Nachricht lautet aber: Die „Social Bank Community“ würde diese Ansätze rasch entlarven.

What’s next?

Wie schon erwähnt, geht es beim Web 2.0 zunächst nicht um die idealtypischen Anwendungen, sondern um eine grundsätzliche Herangehensweise, bei der Transparenz und Partizipation auch in schwierigen Phasen im Mittelpunkt stehen. Konkret bilden das Engagement auf Twitter, Facebook – plus ein inhaltlich fundiertes Weblog – die Achsen in der Kundenkommunikation, die sich von der hierarchischen Einbahnstraßenkommunikation in Richtung eines vielstimmigen kreativen Chors wandelt.

Bei Twitter sollten die Einträge als Nachrichtenscharnier nicht nur auf die eigene Homepage weiter leiten, das wäre zu durchsichtig und entpuppt sich sogar als kontraproduktiv. Ebenso gilt dies für Facebook, wo keinesfalls das Motto gilt: Dabei sein ist alles.

Es kommt also auf Inhalte jenseits des reinen Produktmarketings an, ohne die eigenen bankspezifischen Interessen gänzlich zu verleugnen. Was aber zählt, ist der möglichst gehaltvolle und in diesem Sinne sogar neutrale Informationswert für die „virale Community“. Und dies bedeutet eben, dass die Bank gerade über ein regelmäßig aktualisiertes Business-Weblog mit ihrem Know-how über spezifische Anlagestrategien und Entwicklungen an den Finanzmärkten punkten sollte, um beim Kunden als verlässlicher Ratgeber wahr genommen zu werden, statt als „reine Verkaufsmaschine“.

Kurzum: Die Strategie des Rattenfängers von Hameln, der den Menschen schöne Melodien vorflötet, aber letztlich doch nur auf sein eigenes Wohl bedacht ist, verfängt gerade bei den großen sozialen Netzwerken kaum, wo sich Nachrichten binnen Minuten um den Globus verteilen.

Eine ernsthafte und konsistent durchgezogene Strategie bei den Applikationen ist also unverzichtbar. Erst dann können auch technische Werkzeuge wie Apps und mobile Anwendungen ihr volles Unterstützungspotential entfalten.

Ade du schöne öde Bankfiliale?

Es gibt via Social Media durchaus erste und teilweise interessante Ansätze seitens der Genossenschaftsbanken und Sparkassen, um mit dem Kunden über das Netz auf Augenhöhe direkt zu kommunzieren. Die Protagonisten wären dafür ja aufgrund der „gemeinnützigen“ Satzungen prädestiniert. Allerdings wird dies noch etwas zögerlich umgesetzt. Vor allem ist Social Media nicht mit Werbung gleichzusetzen, sondern erfordert einen anderen Denkansatz.

Wer aber setzt sich auf offener See schon gerne dem rauen Wind aus? Genau darin läge jedoch eine wirkungsvolle Innovationsstrategie begründet, sich am Markt zu differenzieren und mittelfristig parallel dazu auch das klassische Filialgeschäft zu beleben.

Die kreative Verzahnung zwischen Online- und der Filialwelt bedeutet dabei, dem Kunden ein aktives Mitspracherecht an der Geschäftspolitik, aber auch der Produktgestaltung einzuräumen, und alle Änderungen und Weiterentwicklungen nicht nur von der Kanzel herab zu verkünden, sondern gemeinsam mit dem Kunden herbei zu führen. 

Dies stellt doch einen ziemlich gravierenden Paradigmenwandel im Verhältnis zwischen bislang aktivem Sender und passivem Empfänger voraus, von dem aber jene Geld- und Kreditinstitute profitieren, die sich von der Spitze des Unternehmens darauf einlassen. Am Ende eines permanenten Rückkoppelungsprozesses stehen besser auf den Kundenbedarf abgestimmte, das heißt effizientere Produkte.

Welche Bank aber gibt schon freiwillig Macht ab? Die eine oder andere wird ins virtuelle Spielfeld umziehen (müssen). Grundsätzlich wird die Filiale zwar nicht ganz verschwinden. Aber es werden deutlich weniger sein, wenn sich der Trend weiter in Richtung Internet verschiebt.

Die Filiale der Zukunft kann meines Erachtens weder durch eine hoch gerüstete Technik noch durch eine künstliche Erlebnisspielwiese punkten, sondern nur durch ihre reale Nähe zur Wirtschaft und zu den Menschen am Ort.

Dies setzt völlig neue Konzepte voraus, wie sie etwa die spanische Caja Navarra im Ansatz bereits erfolgreich praktiziert. Trotzdem sind die spanischen Banken massiv von der Finanzkrise, insbesondere den „luftigen“ Immobilienbewertungen, betroffen. Da nützt auch Social Media nichts, es kann sogar zum Prellbock für die Frustrationen werden. Es erfordert Mut von den Machern, sich gerade dann auch der Kritik zu stellen.    

Neben der hauptsächlichen Aufgabe, die Realwirtschaft mit Krediten und anderen Dienstleistungen zu versorgen, gilt es, die Bank auch als kulturellen und sozialen Versammlungsort wieder zu beleben, um zu zeigen, was sich mit Geld an sinnvollen Projekten bewegen lässt.

Das bedeutet aber deutlich mehr als ein paar hübsche Sonntagsreden über Nachhaltigkeit und Sozialorientierung. Die hybride Bankfiliale sollte dabei prinzipiell in Komfort und Nutzerorientierung den Prinzipien des Netzes folgen und nicht umgekehrt.

Ein erster konkreter Horizont dieser neuen Entwicklung lässt sich auf der relativ vollständigen Präsentation via Volksbank Bühl (Blog) nachlesen, wo die einzelnen Geschäftsmodelle mit der zukunftsweisenden Frage verbunden sind: Gibt es am Ende einen Anbieter, der all die bunten Blumen an denkbaren Bankinnovationen in einem Strauß zusammen schnüren kann?  Oder anders frei nach Bill Gates ausgedrückt: Banking is necessary, Banks are not. Wird es bald einen neuen derartigen „melting pot“ geben, der das beste aus zwei Welten verknüpft?

Written by lochmaier

Juni 28, 2011 at 6:56 am

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Interview: Theaterregisseur Tobias Rausch über „Magic Fonds“ – und die Schwarmintelligenz

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Vor kurzem habe ich hier das Theaterstück Magic Fonds vorgestellt. Alles weitere dazu: Wie mit Magic Fonds das Geld der Anleger verschwindet.  

Abschließend nach den Aufführungen in Deutschland und der Schweiz bilanziert nun der Regisseur Tobias Rausch – aus Sicht der freien Theatercommunity -, welche Einsichten der schwarmbasierte Gestaltungsansatz für die Teilnehmer erbracht hat. 

Social Banking 2.0: Was war Ihre Motivation, das Projekt Magic Fonds in dieser Form zu starten?

Tobias Rausch: In der Vorbereitung zu „Magic Fonds“ haben wir festgestellt, daß die meisten von uns Geld und Banken vollkommen selbstverständlich benutzen, dass wir aber eigentlich gar nicht so genau verstehen, wie es funktioniert und was mit unserem Geld passiert, sobald es am Bankschalter eingezahlt wurde. Das Ziel war es deswegen, zusammen mit Jugendlichen genauer nachzuforschen, wie Banken und Finanzmarkt genau funktionieren.

Warum mit Jugendlichen? Wir haben uns versprochen, dass die Jugendlichen die ganz naheliegenden und einfachen Fragen stellen, ohne sich dabei dumm vorzukommen. Außerdem interessierte uns die Sicht von Menschen, die aufgrund ihres Alters nie etwas anderes kennengelernt haben als eine globalisierte und liberalisierte Marktwirtschaft. Wie selbstverständlich ist für sie der Kapitalismus – oder können sie sich eine Alternative vorstellen?

Während der Recherche verlagerte sich der Schwerpunkt ein bisschen – von der Frage des Funktionierens hin zur Frage, wie der Umgang mit Geld Menschen beeinflusst, verändert und welches Selbstverständnis diejenigen haben, die im Finanzmarkt arbeiten.

Was uns wichtig war – mit diesem Projekt vor allem verstehen zu wollen und nicht zu urteilen. Insofern sollten einander widersprechende Stimmen in das Stück einfließen – also sowohl die Meinung eines Spitzenmanagers, der die Banken verteidigt, als auch beispielsweise die Aussage eines radikalen Aussteigers, der am ganzen System zweifelt. Das Urteil sollen sich die Zuschauer selbst bilden.

Social Banking 2.0: Hat sich bei den Teilnehmern aus Basel und Berlin etwas geändert durch das Projekt, gibt es einen anderen Umgang mit dem Geld (werden z.B. Bankberater völlig gemieden, oder läuft alles wie normal weiter)?

Es gab mehrere Interviews, die die Meinung der Jugendlichen zur Finanzbranche und zum Thema Geld stark beeinflusst und verändert haben. Beispielsweise das Interview mit einem Privatanleger, der von seinem Bankberater nach allen Regeln der Kunst (Einladungen zum Abendessen, Kennenlernen der Ehefrauen, wolkige Versprechungen, moralischer Druck) dazu verführt wurde, in hochspekulative Schiffsanleihen zu investieren („Sie reisen doch gerne. Es ist sicher auch möglich, dass sie einmal auf einem der Containerschiffe mitfahren.“). Hier sind die Jugendlichen skeptischer geworden – wenn ihnen 9% Zinsen versprochen werden, kann das nicht risikolos sein.

In einem anderen Interview erzählt ein Immobilienbanker sehr eindrücklich, wie viel Spaß sein Job macht, wenn man eine ganze Stadt mitgestalten kann. Und dass es entwürdigend ist, von allen als der „böse Banker“ beschimpft zu werden, obwohl man nur versucht, seinen Job so gut zu machen, wie es geht. Das Klischee vom bösen, gierigen Banker stimmt in der Mehrzahl der Fälle eben auch nicht. Es sind häufiger die Systemzwänge, die dazu führen, daß die Menschen so handeln, wie sie es tun.

Was sich bei den Jugendlichen außerdem verändert hat, ist der Blick auf das Geld. Wie dieses scheinbar selbstverständliche Zahlungsmittel jederzeit wertlos werden kann, wenn unser Glaube daran verloren geht – und wie fragil eigentlich unser ganzes Finanzsystem ist. 

Social Banking 2.0: Wie war die Resonanz auf das Stück, außer ein oder zwei Presseberichten, gab es qualitativ gutes Feed back, das auch die Teilnehmer bzw. Macher weiter gebracht hat?

Wir werden als letzte Stufe des Projekts einen Interviewband herausbringen, in denen Auszüge aus den Originalinterviews abgedruckt sind. Verlag und Veröffentlichungstermin stehen noch nicht fest.

 Social Banking 2.0: Gibt es das Projekt in weiterer Fortsetzung, oder war es das jetzt schon?

Abgesehen vom Presse-Feedback gab es natürlich vor allem Reaktionen der Zuschauer und der interviewten Zeitzeugen. Die häufigste Publikumsreaktion waren eine große Nachdenklichkeit und die Erkenntnis, daß die meisten von uns bislang sehr gedankenlos mit ihrem Geld umgehen. Hauptsache kostenloses Girokonto und dann etwas für die Riester-Rente. Mehr wollen die meisten nicht wissen. Warum dieses Tabu, dieses Nicht-Wissen-Wollen? Das haben wir bis heute nicht begriffen.

Social Banking 2.0: Wie schätzen Sie selbst persönlich Community- bzw. netzbasierte Ansätze ein, wie das Crowdfunding oder Social Lending ein – kann sich dadurch in der kleinen, später vielleicht auch großen Finanzwelt perspektivisch etwas ändern?

Zu Community- und netzwerk-basierten Ansätzen in der Ökonomie kann ich leider wenig sagen. Ich wage es auch nicht, für das gesamte Team zu sprechen. Allerdings gibt es möglicherweise ein paar Analogien zwischen den von ihnen erwähnten Konzepten und dem ästhetisch-methodischen Konzept, nach dem lunatiks produktion seine Stücke entwickelt. Dazu können Sie mehr erfahren in dem Aufsatz: Schwärme im Schneesturm.  

Interview: Lothar Lochmaier

Written by lochmaier

Juni 23, 2011 at 6:50 am

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Newsraport via Youtube: Der zweite Blick hinter die Nachricht

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Wieder mal vor dem Fernseher zur besten Tagesschauzeit eingeschlafen?

Wer hätte es gedacht, es gibt auch eine andere, kreativere Sichtweise auf die große Nachrichtenwelt: Das Berliner Projekt Newsraport rappt nämlich die News der großen und kleinen Welt via Youtube. Mehr Infos darüber bietet der Fernsehsender ARTE. Ein Auszug:

Revolution in Nordafrika, Dioxin im Schweinefleisch, die Benachteiligung von Migranten in Deutschland, das Elend in der Dritten Welt. Eine Gruppe Jugendlicher produziert in Berlins Problemviertel Wedding mit dem „News Raport“ ein Nachrichten-Format zu Hip Hop Beats. Statt Mainstream und langweiliger politischer Kommentare präsentieren die Jugendlichen im Internet ihre eigene gerappte Nachrichtensendung. Unterstützt wird das Format inzwischen auch von dem EU-Programm „Jugend in Aktion“.

Was bedeutet das Rappen von Nachrichten nun für die einschlägigen Platzhirsche? Nun ja, für alle Ungläubigen zum Mitschreiben: CNN, n-tv und all die anderen Platzhirsche, sie werden sich warm anziehen müssen. Denn die dezentrale Netzcommunity schläft nicht.

Drei Milliarden Videoabrufe verzeichnet Youtube täglich. Tonnenweise werden bildlich gesprochen virtuelle Botschaften jeden Tag neu drauf geschaufelt.

Und: Die klassischen hierarchischen Medienhäuser werden sich nicht kurz-, aber mittel- bis langfristig (etwas) ändern (müssen). Denn Hollywood-Blockbuster erscheinen nicht mehr zuerst im Kino, sondern gleich auf Youtube.

Oder neue Automodelle werden zuerst auf Facebook vorgestellt. Der ganze Nachrichtenspiess dreht sich um. Die Nutzer übernehmen die Regie und produzieren die Inhalte selbst.

Neue Helden aus dem Alltag werden geboren, die fleißig und kreativ sind.

Und unverblümt sind die Macher, indem sie unverstellte Einblicke ins Leben jenseits der glatt polierten Nachrichtenshows ermöglichen.

Begrüßenswerte Entwicklung, oder?

Machen wir den zweiten und notwendigen Blick hinter die Nachricht mal an einem autobiographischen Beispiel fest: Mit einem Freund bin ich 1985 durch Südamerika gereist.  

Auf dieser mehrmonatigen Reise gelangten wir an die weltweit bekannten Wasserfälle von Iguazu im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Brasilien. Ich hörte, dass dort ein Spielfilm gedreht wurde und wollte mir das von der Nähe aus anschauen. Man kam aber nur zum Drehort rein, wenn man zum Arbeitsteam dazu gehörte.

Mission reloaded: Die neue „Nachrichtenwelt 2.0“ sieht anders aus

Also ging ich, ohne groß nachzudenken, obwohl damals noch etwas schüchtern, ganz frech ins 5-Sterne-Hotel und fragte mich bis zum amerikanischen Executive Producer durch. Ich wollte Arbeit. Das Semester konnte glücklicherweise noch warten. Es handelte sich immerhin um einen prominenten Hollywood-Film, Mission mit Robert de Niro und Jeremy Irons, der später die Goldene Palme in Cannes erhielt.

Ich sagte damals dem Chef des internationalen Produktionsbüros, ich studierte Social and Economic history – und hätte eine Leidenschaft für historische Filmthemen, und es wäre ein Traum jetzt hier mitzuarbeiten. Und wie es in Amerika mal so schnell nicht nur meist abwärts sondern gelegentlich auch mal aufwärts gehen kann, so sagte er mir, ich solle kurz ein paar Minuten warten.

Dann bat er mich drei Minuten später wieder ins Büro herein. Und ich bzw. wir hatten den Job, vor allem weil ich bzw. wir spanisch, englisch und deutsch sprachen. Denn ich musste mit einem in London lebenden Österreicher, der für das historische Waffenarsenal die Verantwortung trug, die entsprechenden Listen führen, sprich jeden Morgen und Abend die Pistolen und Gewehre einsammeln. Der Chef der Waffenkammer musste also etwas bei Laune gehalten werden.

Das war eine spannende Zeit, direkt an den Wasserfällen im Grenzdreieck, entweder am Set oder am Zelt beim Lagerfeuer mit anderen Filmarbeitern zu diskutieren, oder sich direkt mit den Schauspielern unkompliziert an der Hotelbar zu unterhalten. Nun aber zum eigentlichen Punkt: Wenn man sieht, wie ein derartiger Film entsteht, erhält man eine ganz andere Perspektive auf „Nachrichten“ und scheinbar unverrückbare „Fakten“, die dem zweiten Blick selten stand halten.

So wurde beispielsweise einer der im Film „Mission“ gelegentlich als hochwertige Kulisse auftauchenden jungen Jesuitenpadres direkt aus dem Urwald rekrutiert. Es war ein Schweizer, der dem Wehrdienst in der Heimat nach Südamerika entflohen war, dann aber seinen inneren Kompass in der weiten Welt verloren hatte.

Er wurde von den Filmmachern um den Regisseur Roland Joffe gerade wegen seines vielsagenden mystischen Blicks in Szene gesetzt, der freilich auf seinem konstanten Marihuana-Konsum basierte. Als der Film später in die Kinos kam, musste ich an dieser Stelle immer wieder laut lachen, denn ich kannte ja durch meine Gespräche mit dem jungen Schweizer das ganze reale Bild, wie Woddy Allen jetzt zu sagen pflegen würde.

Was lernen wir aus diesem Beispiel? Nein, nicht, dass ich mit ein paar Hollywood-Stars zusammen gearbeitet habe, um jetzt damit anzugeben. Auch nicht, dass die Geschichte mit der wuchtigen Filmmusik von Ennio Morricone so stimmig inszeniert gewesen wäre. Ganz im Gegenteil, die Geschichte um die Jesuiten auf der Seite der armen entrechteten Indios war sogar reichlich klischeehaft. Siehe diese kurze Filmvorschau auf Youtube:

Am Drehort interessierten mich keine Autogramme von Schauspielern. Viel spannender war es, zu beobachten, mit wieviel Akribie und Leidenschaft eine einzelne Filmszene entstand.

Noch einmal also die Kernbotschaft: Der zweite Blick hinter die große und kleine Welt der Nachrichten, er lohnt sich auf jeden Fall, während durch Youtube und Co. der erste Blick in seiner Bedeutung deutlich herab gewürdigt wird. Zurecht.

Das wirkliche Leben, es wird künftig durchaus mehr als erwartet auf dem „zweiten informellen Medienkanal“ präsentiert, während die Zuschauer im Ersten tatsächlich viel zu oft in der letzten Reihe sitzen.

Written by lochmaier

Juni 21, 2011 at 6:31 am

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Warren Buffett (3): Der Finanzjongleur mal ganz anders betrachtet

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Venture Philantropy: Geld und Moral nicht immer im Gegensatz - Foto: Tim Schäfer

Warren Buffett , amerikanische Investmentlegende, ist ein teurer Gesprächspartner, berichtete kürzlich diepresse.com.  Wenige Stunden nach Beginn einer fünftägigen Versteigerung eines Power-Lunchs mit dem Milliardär beim Online-Auktionshaus Ebay stand der Preis schon bei knapp 2,35 Millionen Dollar (1,61 Millionen Euro) – und das bei einem Startpreis von nur 25.000 Dollar.

Für eine Handvoll Millionen Dollar? Dabei kann man durchaus billiger mit der Investmentlegende essen gehen.

Hier nun – etwas verspätet – zum Abschluß der dreiteiligen Serie über Warren Buffet ein Gastbeitrag, um den ich den Finanzblogger Tim Schäfer gebeten habe. Er berichtet via timschäfermedia regelmäßig direkt aus der US-Gemeinde der „Wallstreeter“.  Hier also seine Sicht der Dinge, warum er sich in seinem Blog immer wieder mit der Investmentlegende auseinandersetzt – und ihn natürlich auch schon persönlich getroffen hat, zum Billigtarif übrigens.

Warren Buffett bis zum Abwinken

von Tim Schäfer*

Immer wieder fragen mich Blogleser, warum ich ständig über Warren Buffett schreibe. Das Thema des Value Investings sei langweilig, Buffett sei ein Opa und seine Anlagephilosophie altbacken, klagen sie. Ich entgegne dann immer: Das Kernprinzip des Investierens ändert sich nie. Und Buffett ist mein Vorbild. Er ist der beste Anleger.

Ich reiste zwei Mal zu seiner Hauptversammlung ins verschlafene Städtchen Omaha. Trotz seines Erfolgs ist Buffett alles andere als arrogant. Er unterschrieb meine Einladung. Bereitwillig beantwortete er meine Fragen. Ich glaube, dass wir als Anleger sehr viel von ihm lernen können. Wir können sogar von ihm lernen, einen genügsamen Lebensstil zu führen. Obgleich der 80-jährige der drittreichste Mensch der Welt ist, wohnt er in dem selben Haus, das er 1957 für 31.500 Dollar erworben hatte. Nahezu sein gesamtes Privatvermögen in Höhe von 50 Milliarden Dollar hat er für wohltätige Zwecke reserviert. Der Löwenanteil seines Reichtums geht an die Stiftung seines Freundes Bill Gates.

Als Anleger können wir von dem „Orakel von Omaha“ lernen, dem Herdentrieb an der Börse nicht zu folgen. Buffett achtet mit Argusaugen darauf, keine Aktien zu kaufen, die in aller Munde sind. Er investiert statt dessen in unterbewertete Dividendentitel, die keiner im Blickfeld hat. Eines der Erfolgsrezepte ist nach seinem Einstieg einen langen Atem zu haben. Er bleibt Jahrzehnte in seinen Aktien investiert, in vielen Fällen hält er seine Bestände bis zum heutigen Tag.

Vielfach herrscht leider an der Börse der Irrglaube vor, dass man als Anleger mit Daytrading oder Momentum-Aktien gigantische Gewinne in die Scheune fahren kann. Es wird wie wild mit Aktien, Investmentfonds, Zertifikaten, Optionen und anderen Instrumenten spekuliert – in der Hoffnung, den großen Reibach machen zu können. Dabei wird übersehen, dass eine aktive Handelsstrategie gigantische Kosten verursacht – von Gebühren über Provisionen bis hin zu Steuern und Depotkosten. Ich glaube, dass das hektische Hin und Her für die Mehrzahl der Anleger ein absolutes Verlustgeschäft ist. Es gibt zahlreiche Studien über das Daytrading, die das belegen. 80 Prozent der aktiven Fondsmanager schneiden auf Dauer schlechter als ihr Vergleichsindex (Benchmark) ab.

Zugegeben, es ist schwer rational an der Börse zu agieren. Die Gefühle machen uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Wichtig sind Selbstdisziplin, Geduld, Selbstvertrauen und Stärke. Ich nutze meinen Blog als ein Tagebuch. Ich möchte meinen Lesern ein paar Tipps geben. Der ein oder andere warf mir schon vor, arrogant den Zeigefinger zu erheben. Das möchte ich gewiss nicht! Denn ich mache selbst viel zu viele Fehler, als dass ich das könnte. Über meine Fehler schreibe ich offen in meinem Blog. Am meisten macht es mir Spass, wenn ich am nächsten Morgen in den Blog blicke und die interessanten Anmerkungen meiner treuen Leser entdecke.

Zum Schluss möchte ich Ihnen Börsentipps mit auf den Weg geben: Vergessen Sie die täglichen Kursschwankungen, sie sind im Grunde irrelevant. Was zählt ist vielmehr, wie sich meine Aktienfavoriten auf Sicht von Jahren entwickeln. Denken Sie mal darüber nach: Wenn meine Aktie um 15 Prozent pro Jahr zulegt, wie hoch fällt das Plus dann im Schnitt am Tag aus? Die Antwort: Es ist nicht der Rede wert. Insofern ist es ratsam an der Börse stets einen kühlen Kopf zu bewahren.

Ein weiterer Aspekt des Value Investings nach dem Konzept Buffetts ist es große Risiken zu vermeiden. Insofern setze ich auf starke und solide Großkonzerne, die hohe Dividenden ausschütten. Buffett wirbt für eine simple Vorgehensweise. Für die Geldanlage gibt es seiner Meinung nach zwei Grundregeln: Regel Nummer 1: Verliere kein Geld. Regel Nummer 2: Vergesse die Regel Nummer 1 nicht. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg an der Börse!

* Über den Autor: Der Journalist Tim Schäfer pendelt seit dem Frühjahr 2006 zwischen New York und Deutschland. Wöchentlich berichtet er über die Geschehnisse an der Wall Street für Euro am Sonntag, eine der führenden deutschen Wirtschaftspublikationen. Darüber hinaus schreibt er für Magazine wie Der Aktionär oder die Börsenbriefe Prior Global und Prior Gold.

Noch zwei kleine Hinweise: Das Weblog Social Banking 2.0 gibt keine Anlageempfehlungen. Der obige Beitrag gibt also die Perspektive des Autors wieder. Und hier geht es zum ersten und zum zweiten Teil der Serie über Warren Buffet, die den Finanzjongleur  aus allerlei anderen und teils schrägen Blickwinkeln betrachtet hat.

Written by lochmaier

Juni 16, 2011 at 7:00 am

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Bank 2.0: Die „Killerapplikation“ ist der Kunde

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Was treibt die Banken um? Sie kümmern sich um alles, außer um ihre Kunden. Aber wie sagte schon der berühmte Surrealist Salvador Dali: Das einzige, was mich interessiert, ist Geld!

Nun ja, demzufolge besteht für mich  die Revolution aus den Kunden selbst, und zwar in ihrem hohen internetbasierten Vernetzungsgrad. Aber der Reihe nach. Heute habe ich beschlossen, mich einmal selbst zu interviewen. Als Journalist oder Finanzblogger sitzt man sonst ja eher auf der anderen Seite und stellt die Fragen.

Nun aber eine Art von kreativer Selbstversuch, denn worin besteht „eigentlich“ die schleichende Revolution im Bankwesen? Gute Frage im Netz, über die man gleichwohl keine einfach gestrickten Antworten erhält. Und so habe ich meine Fragen praktischerweise gleich selbst beantwortet.

Fangen wir mal an: Was ist zum Beispiel eine Killerapplikation? Welch hässliches und kriegerisches Wort, nehmen wir doch besser disruptives Geschäftsmodell für Banken. Ich habe dazu eine klare Meinung…

Social Banking 2.0: Der gesellschaftliche Paradigmenwandel ist in vollem Gange. Ist Social Media nur ein Hype oder ein ernstzunehmender Zukunftstrend?

Lothar Lochmaier: Immerhin tummeln sich auf Facebook allein in Deutschland mehr als 20 Millionen Menschen, wenn man die eine oder andere Karteileiche übersieht. Auch den Kurznachrichtendienst Twitter kann heute kein Entscheider und Macher aus der Wirtschaft mehr links liegen lassen. Da sollte, ja da muss man als Unternehmen dabei sein, um auch diesen letzten dezentralen Vertriebs- und Werbekanal mit den eigenen Botschaften und Produkten zu bespielen.

Dieses etwas gebetsmühlenartige Credo ist aber nur die eine Seite der Medaille. Galt doch bislang bei Banken und Versicherungen das Motto „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Ein Blick hinter die Kulissen der Unternehmen war weder gewünscht noch gewährt. Ob sich diese Praxis gerade mit Hilfe von Social Media umwälzen lässt, ist derzeit noch nicht definitiv zu prognostizieren. Das sind wie in anderen Branchen auch Entwicklungen, die die wirtschaftlichen Macht- und Marktverhältnisse teilweise umkrempeln und völlig neu justieren.

Hat sich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise daran etwas geändert?

Obgleich in der Branche zunächst alles nach dem Prinzip „business as usual“ weiter zu laufen schien, ist die Finanzindustrie angesichts des zunehmenden Erfolgs von sozialen Netzwerken hellhörig geworden. Der Trend war schließlich kaum zu übersehen: Der Kunde mutiert plötzlich vom passiven Empfänger zum eigenen Sendekanal. Alles wird diskutiert im Netz, das Bohrloch von BP im Golf von Mexiko ebenso ausführlich wie der Etikettenschwindel bei Lebensmitteln oder das günstigste Hotelzimmer in Sri Lanka.

Und genau hierin liegt die Herausforderung für die Bankenbranche, sich dem offenen und manchmal auch kritischen Dialog mit dem Kunden auf Augenhöhe ernsthaft und jenseits von window dressing zu stellen. Das kann manchmal weh tun, bringt einen aber wie im richtigen Leben oftmals weiter als die scheinbare Harmonie, hinter deren Fassade es brodelt. Schließlich führt die permanente Rückkoppelung mit dem Kunden letztlich zu besser abgestimmten Produkten.

Wie kann sich die Finanzbranche am besten auf eine neue Kundengeneration einstellen, die mehr Transparenz in der Beratung und eine Kommunikation auf Augenhöhe fordert – und dabei gleichzeitig ihre Diskretionspflicht und die Compliance-Anforderungen im Auge behalten?

Prinzipiell wird das Argument der Compliance in der Branche oftmals als eine Art von Selbstrechtfertigung vor dem eigenen Spiegel verwandt. Als ob rechtliche Kriterien wie der Datenschutz oder Auflagen wie Basel III dem offenen Kundendialog entgegen stünden. Das Gegenteil ist der Fall: Man kann beides, rechtskonforme Prozesse auf Basis einer leistungsfähigen IT und flankierende Management-Guidelines, sowie eine transparente bzw. stimmige Produktgestaltung, sehr gut miteinander kombinieren. Warum sollen Transparenz und Beratung auf Augenhöhe sich zudem nicht in einem stimmigen Geschäftsmodell bis hin zur umfassenden Integration und dem Andocken aller Kanäle abbilden lassen?

Die Vorreiter in diesem Prozess sind natürlich die „Social Banks“ unterschiedlicher Couleur zwischen Gewinn- und Sozialorientierung, die auf die aktive Kooperation mit den Kunden zwingend angewiesen sind. Wobei das Social Banking der zweiten Generation keine „soziale“ Einstellung an sich bedeutet, sondern beispielsweise anhand von kommerziell operierenden Geschäftmodellen wie Smava oder Fidor letztlich ein faires Geschäft impliziert, von denen alle Beteiligten im Idealfall gleichermaßen profitieren. Transparenz und Partizipation sind die Treiber in diesem Prozess, wobei auch jedes neue Modell sich am Markt erst noch beweisen muss. Ich bin mir aber sicher, dass sich auch in den Chefetagen der Banken und Versicherungen ein schleichender Paradigmenwandel einstellt, den zumindest jener Teil der kritischen und für die Banken hoch attraktiven Kundenklientel ohnehin aktiv einfordern wird.

Welcher Kanal innerhalb des Social Web eignet sich für welche Zielgruppe, und welche Anwendungen sind bei den Nutzern gefragt?

Wir stehen kurz davor, in Facebook die ersten ausgeprägten virtuellen Bankfilialen zu erleben, wie es etwa die ASB Bank in Neuseeland gerade demonstriert. Dies birgt aber die Gefahr einer neuen Überhitzung und Abnutzung. Da verschmilzt nämlich so etwas wie Second Life mit Facebook, also eine künstliche Welt mit dem realen Bankgeschäft. Deutschland wird diesem Trend wie immer etwas hinterher hinken. Ohnehin bietet eine bloße Präsenz in Facebook noch keine Garantie für eine erfolgreiche Kundenansprache. Zudem wird sich allein aus rechtlichen Gründen das Online-Banking nicht direkt kurzfristig in ein soziales Netzwerk hinein verlagern.

Die oberste Prämisse bei einem Engangement der Banken sollte lauten: Gewinnspiele, Pressemitteilungen und Bilanzergebnisse sind kein Social Media Management, unabhängig welchen Sendekanal man dazu benutzt. Botschaften zu empfangen lautet stattdessen die Leitlinie. Es dreht sich vieles, wenn nicht sogar alles um den offenen und konstruktiven Dialog, nicht nur um reine Werbung. Wer dies berücksichtigt, gehört mittelfristig auf sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook zu den Gewinnern. Durch aktive Auseinandersetzung und Beteiligung am Wertschöpfungsprozess nach außen kann sich die Glaubwürdigkeit und der Markenwert festigen. Ein Patentrezept zur idealtypischen Umsetzung gibt es allerdings nicht.

Wie können persönliche Beratung, mobile und Social Media-Anwendungen sinnvoll miteinander vernetzt werden?

Sicherlich sind innovative technische Tools von großer Bedeutung. Banking übers iPhone oder iPad, interessante Apps und mobile Anwendungen sind aber nur die eine Seite der Medaille. Ich würde dazu raten, sich statt der technischen Spielwiese auch verstärkt um die Inhalte zu kümmern, die letztlich den nicht leicht austauschbaren Mehrwert im Sinne der Markt- und Markendifferenzierung erst erbringen. Um als gewichtiger Spieler in der Branche ein konkretes Unterscheidungsmerkmal aufzuweisen, sind also kreative Ideen gefragt, die vor allem dem Kunden einen Nutzen bieten, und nicht nur oder vor allem der Bank. Dies kann beispielsweise durch fachlich fundierte graphische Aufbereitung zu den eigenen Produkten, Chancen- und Risikoklassen geschehen, durch ungeschönte Einblicke in den Alltag der Kundenberater – und natürlich durch zahlreiche Möglichkeiten für Feedback-Schleifen, die jedoch nicht als vordergründig getarnte unidirektionale Einbahnstraßenkommunikation zu gestalten sind. Wir stehen hier am Anfang einer spannenden Entwicklung, und ich bin mir sicher, dass in einer Branche, die sich über Jahrzehnte kaum durch Neuerungen in den Geschäftsmodellen ausgezeichnet hat, in diesem Jahrzehnt am „Frontend“ vieles bewegen und ändern wird.

Wie könnte die Bank der Zukunft also aussehen?

Aus meiner Sicht wäre es ein Geld- oder Kreditinstitut, das nach innen effizient arbeitet und keine unnötigen Kosten produziert, also ein schlanker Verwaltungsapparat und eine am Kundennutzen orientierte nachweisbare Produktgestaltung mit sinnvollen Messkriterien. Nach außen ist es eine hybride Bankfiliale mit dem Komfort und der Leichtigkeit der sozialen Netzwerkkommunikation, die zudem mit dem Kunden keine falschen Spiele spielt, indem sie das „Big-Brother-Prinzip“ auf das Web 2.0 überträgt.

Aber auch hier kann sich die Internetgemeinde Trost spenden: Wo sich gute Ideen hinter der Bank 2.0 verbergen, wird sie im globalen Dorf ein positives Votum über deren weiteres Schicksal abgeben. Wo nur Etikettenschwindel und dreiste Anmache dahinter steckt – vermeintlich auf Augenhöhe mit dem Kunden unterhalb der Gürtellinie lanciert – dann lässt sich diese Praxis zumindest über direkte Kommentare auf einschlägigen Blogs oder über Twitter, Facebook & Co. rasch entlarven.

Fest steht: Die Killerapplikation bei der Bank 2.0 ist der Kunde selbst in seinem hohen internetbasierten Vernetzungsgrad als menschliches Wesen. Hinzu treten die wirtschaftlichen Belange der Umwelt- und Sozialpolitik auf globaler Ebene, die einige Risiken aber auch viele neue Chancen für eine stärker am Puls der Realwirtschaft angesiedelte Finanzindustrie bergen. Beides sind die Achsen, denen die Branche künftig in ihren elementaren Bedürfnissen aber auch Grenzen Rechnung tragen sollte.

Interview: Von und mit Lothar Lochmaier

Dazu ein prägnanter Lesetipp in eigener Sache: Nomadenleben – Abschiedsbrief an meine Hausbank

Oder ein bewegtes Bild sagt mehr als tausend Worte – auf dem Videoblog von Social Banking 2.0 bzw. dem alter ego Doktor Spar:

Röntgenblick – Abschiedsbrief an die Hausbank

Written by lochmaier

Juni 14, 2011 at 7:34 am

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Die Sprache des Geldes: Interview mit Anke Wahl über Geld und digitale Wirtschaft (Teil III)

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Im Interview verrät die Autorin, wie Geld unseren Alltag bestimmt, was sie über die wachsende soziale Schieflage denkt, und welche Chancen sie für neue internetbasierte Ansätze in der Finanzwelt sieht.

Dr. Anke Wahl forschte und lehrte viele Jahre an den Universitäten Heidelberg, Berlin (TU) und Tübingen in den Bereichen der Konsum- und Lebensstilforschung, der Geld- und Finanzsoziologie und der quantitativen empirischen Sozialforschung (Statistik). Sie studierte Soziologie, Politikwissenschaft und Anglistik in Marburg, London und Heidelberg und promovierte an der TU Berlin mit einer Arbeit zum Wandel von Lebensstilen.

Social Banking 2.0: Der Lebensstil der jüngeren Generation hat sich durch den Einfluss des Internets und insbesondere der sozialen Netzwerke fundamental gewandelt. Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf den Umgang mit Geld?

Anke Wahl: Ich würde nicht soweit gehen und sagen, dass sich der Lebensstil der jüngeren Generation durch den Einfluss des Internets fundamental gewandelt hat. Auch die jüngeren Generationen müssen ihr Leben mit all seinen Herausforderungen angehen, ob mit Internet oder ohne. Die Aufgaben bleiben. Internet und soziale Netwerke beeinflussen das Zusammenleben der Menschen aber nachweislich, machen Kontaktmöglichkeiten, auch über Grenzen hinweg, leicht möglich, dynamisieren den globalen Austausch und flexibilisieren die Kommunikation. Andererseits lassen sich aber auch Tendenzen zur Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit nicht leugnen. Es lässt sich beobachten, dass es der jungen Generation zuweilen an Ausdauer, an Standfestigkeit, der Fähigkeit, sich intensiv mit einer Sache zu beschäftigen, fehlt. Wozu ein Buch lesen, wenn man bei Wikipedia nachschauen kann. Der Trend geht dahin, immer mehr Dinge in Bewegung zu erledigen. So werden künftig auch Bankgeschäfte, Überweisungen, Aktienkäufe, Geldanlagen etc. noch stärker von unterwegs aus getätigt werden.

Social Banking 2.0: Was hat Sie denn motiviert, ein Buch über die Sprache des Geldes zu schreiben?

Das Thema Geld, was es ist, wie es funktioniert und wie es die Menschen gebrauchen interessiert mich schon lange. Bereits während meines Studiums beschäftigte ich mich mit dem Philosophen Georg Simmel, der bereits im Jahr 1900 ein äußerst aufschlussreiches Buch zum Thema Geld veröffentlicht hat. Es trägt den Titel „Philosophie des Geldes“. Simmel untersucht in diesem Buch, welche Wirkung das Geld auf die Menschen und die Gesellschaft hat. Er zeigt auf, dass es Motor gesellschaftlicher Entwicklung ist und wie es auf unser Alltagsleben ausstrahlt, dass es Freiheit und Unabhängigkeit ohne es gar nicht geben kann. Es ist faszinierend zu sehen, wie aktuell seine Untersuchung auch heute noch ist, also 110 Jahre nach ihrem Erscheinen.

Social Banking 2.0: Wie sind Sie denn überhaupt auf diesen Titel gekommen?

Zu Beginn der Arbeit stand der Titel natürlich noch nicht fest. Der Arbeitstitel lautete noch etwas unspezifisch „Vom Umgang mit Geld“. Die Idee, das Buch „Die Sprache des Geldes“ zu nennen, kam mir erst im Laufe der Zeit. Und zwar als deutlich wurde, wie viel der Umgang mit Geld, wie wir es gebrauchen, verwenden und einsetzen mit uns und unserer Persönlichkeit zu tun hat, als mir klar wurde, wie viel es über uns verrät.

Social Banking 2.0: Wie würden Sie den bisherigen Forschungsstand zum Thema Geld beschreiben, wo sehen Sie die zentralen bislang noch unausgeleuchteten Stellen?

In der Soziologie wurde das Geld lange Zeit nicht explizit zum Thema gemacht. Seit Mitte der 1990er Jahre scheint sich die Situation allerdings zu ändern und es tauchen verstärkt Untersuchungen auf, die sich sowohl theoretisch als auch empirisch mit ihm auseinandersetzen. Vermutlich hat es lange Zeit zu reibungslos funktioniert, um in der Soziologie als Analysegegenstand wahrgenommen zu werden. Die Entwicklungen der New Economy zu Beginn des neuen Jahrtausends, die Zunahme sozialer Ungleichheit, größer werdende Verteilungsunterschiede, die Polarisierung von Arm und Reich rücken Fragen des Geldes wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Im Moment, so scheint mir, dominieren aber vor allem Fragen nach der Verteilung des Geldes, wer hat wie viel, wie viel Millionäre, gar Milliardäre gibt es in unserer Gesellschaft und wie entwickeln sich ihre Vermögen. Qualitative Fragen, was das Geld bei den Menschen bewirkt, wie es sie beeinflusst und prägt, werden, ganz abgesehen von der grundsätzlichen Frage, was Geld denn überhaupt ist, hingegen nicht gestellt.

Social Banking 2.0: Warum ist Geld denn immer noch ein solch großes Tabuthema in unserer Gesellschaft?

Wie stark Geld unser Denken und Handeln prägt, ist den aller Wenigsten von uns wirklich bewusst. Ich glaube aber, dass die Menschen es ahnen. Sie ahnen, dass Geld beziehungsweise sein Umgang mit ihm bei genauerem Hinsehen viel über jeden Einzelnen von uns verrät, ja Geld das Medium ist, an dem Wahrheit und Unwahrheit des weltlichen Treibens, wie ich in meinem Buch geschrieben habe, unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Aus diesem Grund scheinen sie es vorzuziehen, das Geldgeheimnis nicht lüften zu wollen. Außerdem haben verschiedene Untersuchungen immer wieder feststellen können, dass das Finanzwissen der Deutschen nicht besonders gut ist. Mit Geldthemen beschäftigen sie sich nicht gern, und zwar auch dann nicht, wenn es um praktische und für sie nützliche Fragen geht, wie beispielsweise die Wahl einer geeigneten Geldanlage.

Social Banking 2.0: Sie vertreten in Ihrem Buch die These, dass Geld und unser Lebensstil verschiedene Seiten ein und derselben Medaille sind. Wie lässt sich diese Erkenntnis wissenschaftlich erhärten?

In meiner Untersuchung versuche ich eine Lücke zu schließen, die es in der soziologischen Lebensstilforschung schon lange gibt, indem ich die von den Menschen praktizierten Lebensstile als Resultate des Umgangs mit Geld interpretiere. Dieser Ansatz macht deutlich, dass die Lebensstile der Menschen das Ergebnis von Konsum-, aber auch Spar-, Anlage- und Investitionsentscheidungen sind und es stellt sich die Frage, ob die Komponenten miteinander zusammenhängen und wenn ja, wie die Beziehung zwischen ihnen genau aussieht. Wenn man diese Fragen beantworten will, muss man sich klar machen, dass Geld ein Medium ist – übrigens im Unterschied zu allen anderen Dingen auf der Welt -, mit dem sich fast alles erreichen lässt. Geld lässt sich in materielle, aber auch immaterielle Werte, eben in alles transformieren. Der Grund dafür liegt in seiner Substanzlosigkeit, die es uns ermöglicht, jeden nur denkbaren Wunsch auf es zu projizieren. Da wir aber immer nur über eine begrenzte Menge an Geld verfügen können, versuchen wir mit ihm das zu erreichen, was uns wirklich wichtig ist. Je nach Zuschreibung kann Geld also ganz unterschiedliche Bedeutung für uns haben, die dann sowohl unser Ausgabe- als auch Anlageverhalten bestimmt. Geld ruft unterschiedliche Lebensstile hervor und unterschiedliche Lebensstile rufen unterschiedliches Geld hervor. Empirisch lassen sich die theoretisch postulierten Zusammenhänge etwa mit Hilfe repräsentativer Daten und durch den Einsatz regressionsanalytischer Verfahren überprüfen.

Anke Wahl: Menschen mit Geld lassen sich schwerer kontrollieren als Menschen ohne Geld.

Social Banking 2.0: Bislang zeigt die etablierte Finanzindustrie wenig Neigung, sich vom bankenzentrischen Provisionsmodell im Vertrieb zu verabschieden. Hat die Finanzkrise denn gar nichts verändert?

Die Finanzkrise hat einige gravierende Veränderungen mit sich gebracht hat, die auch die Bankenlandschaft nachhaltig verändern werden. Kunden und Online-Kunden sind kritischer geworden. Während der Bankkunde bis vor kurzem noch darauf vertraute, dass die Bank mit seinem Geld umsichtig umgeht und ihn in seinem Sinne berät, ist das nun nicht mehr der Fall. Die Finanzkrise hat das Vertrauen in die Finanzökonomie und ihre Institutionen nachhaltig gestört, das Vertrauen ist verspielt. Dass die Dinge nicht wie gewohnt ihren Gang gehen, kann man schon allein daran sehen, dass kürzlich ein amerikanischer Internetblogger, der immerhin beim Finanzdienstleister SWIFT in der Innovationsabteilung arbeitet, im Netz dazu aufrief, gemeinsam eine Bank zu gründen, finanziert von Millionen Nutzern, die sich beispielsweise auch nur mit einem Dollar an diesem Projekt beteiligen. Nutzerzentrierte Modelle, die sich mit Begriffen wie Social Lending, Social Banking und Crowdfunding verbinden, werden zukünftig an Bedeutung gewinnen.

Social Banking 2.0: Sehen Sie denn in den neuen netzbasierten Anlegergemeinschaften etwas heraufziehen, das die Finanzindustrie in ihren Grundfesten erschüttern könnte?

Die nutzerzentrierten Modelle wie etwa die Web 2.0-basierte Fidor Bank, die virtuelle Kreditgemeinschaft von Smava oder Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter werden keine Randerscheinungen bleiben. Das Internet hat den einzigartigen Vorteil, Kommunikation über Grenzen hinweg schnell zu ermöglichen und damit natürlich nicht nur positive, sondern auch negative Entwicklungen sofort publik machen zu können. Es zerstört Hierarchien, fördert Demokratisierungsprozesse und schafft Transparenz. Dass ein Missstand unentdeckt bleibt, ist damit nahezu ausgeschlossen. Die Modelle halte ich schon allein deshalb für viel versprechend, weil sie den Bedürfnissen der Menschen nach aktiver Teilnahme, Einflussnahme, Transparenz und Information entgegenkommen. Sie passen in die neue Zeit.

Social Banking 2.0: Verschwindet die Welle der Empörung über Missstände in der Bankenwelt am Ende nicht doch im Nirwana der unbedeutenden Netzkommunikation?

Das wird natürlich auch vom Verhalten der einzelnen Netzteilnehmer abhängen. Je mehr sie hinterfragen und Kritik äußern, desto nachhaltiger wird die Entwicklung sein. Bewegungen sind immer nur so groß und umwälzend wie das Engagement ihrer Teilnehmer. Allerdings wird auch das Internet die Grundlage erfolgreichen Geldanlegens nicht ändern. Mit oder ohne Internet, geht es bei der Wahl der Geldanlage darum, Risikostrukturen abzuwägen, darüber nachzudenken, welches Risiko man bereit ist einzugehen, wie wichtig einem feste Zusagen etwa zu Zinssatz, Laufzeit etc. sind. Und auch der angeblich heiße Aktientipp aus der Social Community kann in die Irre führen. Nach wie vor ist der Aktienanleger eben nur dann erfolgreich, wenn er möglichst günstig kauft, also gerade dann, wenn der Tipp womöglich gar nicht mehr so heiß ist. Der Einfluss der Social Community sollte also nicht soweit gehen, dass er das selbständige Denken und die eigene Kritikfähigkeit ersetzt. Insgesamt gehe ich aber davon aus, dass die Finanzkrise die Menschen nachhaltig wach gerüttelt hat. Das Handeln von Bank- und Anlageberatern werden sie zukünftig kritisch hinerfragen, sie werden sich aber auch selbst intensiver mit Geldthemen befassen. Die Menschen haben begriffen, dass sie Teil der Entwicklung sind und dazu aufgerufen sind, diese mitzugestalten.

Social Banking 2.0: Was möchten Sie denn mit Ihrem Buch bewirken? Oder anders gefragt: Bringt uns wissenschaftliche Aufklärung tatsächlich weiter in Richtung mündiger Finanzverbraucher?

Mit meinem Buch möchte ich Bewusstsein schaffen. Ich möchte erreichen, dass die Menschen beginnen über Geld nachzudenken, dass sie erkennen, welch ungeheure Macht es verkörpert. Es ist für diejenigen, die es besitzen, ein Machtinstrumentarium ersten Ranges. Es bringt Gleichheiten und Ungleichheiten hervor, ist unter Umständen mit erheblichen Vor- und Nachteilen verbunden, es macht uns zu Gläubigern oder Schuldnern. Geld produziert Abhängigkeiten, ist aber auch die Voraussetzung für Unabhängigkeit. Menschen mit Geld lassen sich schwerer kontrollieren als Menschen ohne Geld. Es wäre viel gewonnen, wenn das Buch die Leserinnen und Leser dazu anregen könnte, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen.

Social Banking 2.0: Noch eine letzte Frage: Bleibt das Privileg, in Gelddingen durchzublicken, nicht letztlich einer kleinen Elite vorbehalten?

Meiner Meinung nach sollte das oben Gesagte Ansporn für jeden sein, sich mit Geldthemen zu befassen, und zwar im eigenen und im Interesse der ganzen Gesellschaft.

Interview: Lothar Lochmaier

Und hier geht es zum ersten und zweiten Teil der dreiteiligen Buchpräsentation von Anke Wahl’s „Die Sprache des Geldes“:

Das Geld und die Sprache, die es spricht – Buchvorstellung der Berliner Finanzsoziologin Anke Wahl (Teil I)

Die Sprache des Geldes: Die provokantesten Zitate (Teil II) 

Kontakt zur Autorin: anke.wahl (at)web.de

Written by lochmaier

Juni 10, 2011 at 6:32 am

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Die Sprache des Geldes: Die provokantesten Zitate (Teil II)

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Nachdem ich im ersten Teil das Buch der Autorin Anke Wahl bereits vorgestellt habe, hier nun eine Auswahl an provokanten Zitaten aus „Die Sprache des Geldes“: 

… Geld (ist) nichts Mystisches, nichts Irrationales, auch nichts Unergründliches und Unverständliches …, sondern … eine soziale Tatsache …, die Wirklichkeit schafft. (Seite 11)

Geld ist ein Phänomen mit paradoxem Charakter, das die Eigenschaft hat, zum gravitierenden Zentrum für Einstellungen, Meinungen und Orientierungen der Menschen zu werden … . (Seite 14)

Der … zunächst weit verbreitete Glaube, das angelegte Geld vermehre sich mit … Finanzprodukten sowie der Expertise von Anlage- und Bankberatern quasi wie von selbst, ist bereits zu Beginn des neuen Jahrtausends heftig erschüttert worden. Im Verlauf der jüngsten Finanzkrise hat sich dann noch die bis dato weit verbreitete Ansicht, Anlage und Management seiner Ersparnisse könne man getrost Anderen überlassen, als Trugschluss entpuppt. Das Vertrauen in die Finanzökonomie und ihre Institutionen ist inzwischen nachhaltig gestört und das Thema Geld und Geldanlage ist als ein überaus problematisches ins Bewusstsein der Menschen gerückt. (Seite 37)

Die … für viele unerwartet heftigen Verwerfungen auf den Finanzmärkten verstärken den Druck auf die Bevölkerung. (…) Aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften … gewinnt es (das Geld, L. L.) in Zeiten, in denen es an Sicherheit und Orientierung fehlt, zunehmend an Bedeutung. Darüber hinaus werden sich die Verteilungsungleichheiten … aller Voraussicht nach nicht einebnen, sondern weiter verschärfen, so dass die Bevölkerung dazu aufgerufen sein wird, nicht nur danach zu fragen, wie gleich oder ungleich das Geld verteilt ist, sondern auch danach zu fragen, in welchen Händen es sich befindet, aus welchen Gründen es sich dort befindet, wer wen finanziert und wie es das Denken und Handeln seiner Besitzer beeinflusst und prägt. Aufschlussreich ist … auch, wie die Art seiner Verwendung mit der seiner Einnahme und umgekehrt, wie die Art seiner Einnahme mit der seiner Verwendung korrespondiert. (Seite 37-38)

In Kreisen des asketischen Protestantismus und intellektuellen Bürgertums gilt es zwar als schick, über das Profitmotiv die Nase zu rümpfen. Aber auch diese Kreise können nur mit Geld und nicht ohne es existieren und profitieren vom wirtschaftlichen Erfolg derjenigen, die ihre Gewinnabsichten oft nur unverblümter als jene ins Zentrum ihrer Bemühungen stellen. (Seite 39)

Insofern sich das … Geld in alles Mögliche verwandeln lässt, kann auch jeder beliebige Genuss auf es übertragen … werden. (Seite 91)

Die Lebensstile der Besitzenden und Gebildeten verraten – obwohl gerade Letztere gerne das Gegenteil behaupten und das Geld oft als kalt, hart und herzlos kritisieren, dass sie Geldvermögen besitzen und durchaus (auch) bereit dazu sind, es so einzusetzen, dass es seine kalte, harte und herzlose Seite zeigt. (Seite 102)

… ihre bequeme und mutlose Art (schützt) sie (die Träger der integrationsorientierten Lebensstile, L. L.) einerseits davor, höhere Ansprüche an sich selbst zu stellen, lässt sie andererseits aber auch ein äußerst feines Gespür dafür entwickeln, wessen Investition sich aller Voraussicht nach rechnen wird. Das heißt, sie wissen sehr genau, mit wem es sich lohnt in Kontakt zu treten, in welcher Position und bei welchem Arbeitgeber man sich am besten beschäftigen lässt. … ein (solches) Verhalten hat den … Vorteil, profitieren zu können, ohne selbst riskant investieren zu müssen. Das Ergebnis dieser mittelmäßigen Geldausgabeentscheidungen ist dieser konforme Lebensstil, der dazu tendiert, überdurchschnittliches Wachsen und Werden (fast) als Angriff zu empfinden. (Seite 109-110)

Börsennotierte Wertpapiere dürften für die Träger der gehobenen Lebensstile aber schon allein deshalb interessant sein, weil sie sie dazu auffordern, in den „Wettbewerb der Gerissenheit“ (Keynes) einzusteigen. (Seite 111)

… die Menschen setzen dem Geld die Dinge äquivalent, die für sie wertvoll sind, von denen sie überzeugt sind, die sie besitzen oder erreichen wollen. … Geld (hat) genau die Bedeutung …, die die Menschen ihm zuschreiben, … es (ist) genau das …, was es sein soll. (Seite 118)

Kulturelle und kapitale Rendite sind affinen Charakters und entpuppen sich beide als Kinder des Geldes. Lebensstile produzieren Kultur- und Kapitalgewinne, wobei Letztere in ihrer … ungeformten Gestalt … ein Maß an Können, Macht und Energie in sich bergen können, das den Ersteren sogar weit überlegen sein kann. (Seite 124)

Im Gegensatz zu den sonstigen Erfahrungen, die breite Schichten der Bevölkerung im Alltag machen mögen, belohnt die Börse Nachahmung … nicht, so dass es kommt, wie es kommen muss: Das Engagement des Publikums endet allzu oft mit Verlust und nicht mit Gewinn. (Seite 156)

… Lebensstile (sind) produktiv und Voraussetzung für (weiteres) Geld. (Seite 181)

Offenbar veranlassen verlässlich sprudelnde Geldquellen vergleichsweise riskante Geldanlageentscheidungen, da sie den entscheidenden Vorteil haben, eventuell zu erleidende Verluste mit den nächsten Gehaltszahlungen wieder ausgleichen zu können. (…) Wer sich abgesichert weiß, macht zwar nicht unbedingt Gewinn, kann zumindest aber mehr riskieren. (Seite 185)

Sie (die Selbständigen, L. L.) wälzen das Risiko, das sich mit dem Gelderwerb verbindet, weder auf den Steuerzahler noch Arbeitgeber ab, sie tragen es selbst. (…) Selbständige lassen sich nicht versorgen, sie versorgen sich selbst. (Seite 185, 186)

Die Chance, … eine … viel versprechende Anlagestrategie verfolgen zu können, hängt … mehr denn je … von der Frage ab, wie „leicht“ oder verlässlich man mit herkömmlicher Erwerbsarbeit (noch) Geld verdienen kann. Die Frage, ob die Geldquelle bereits versiegt ist, ob sie droht auszutrocknen oder auch in Zukunft noch verspricht, munter weiter zu sprudeln, ist … mit entscheidend dafür, wenn es darum geht, die mit unterschiedlichen Anlagestrategien verfolgten Gewinnabsichten zu beurteilen. (Seite 186)

Im dritten und abschließenden Teil folgt ein Interview mit der Autorin. Darin: Wie das Netz und Social Communities den Umgang mit dem Geld prägen und verändern.

Hinweis: „Die Sprache des Geldes  kann entweder beim VS Verlag, über buecher.de oder über Amazon bestellt werden.

Written by lochmaier

Juni 7, 2011 at 8:47 am

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Das Geld und die Sprache, die es spricht – Buchvorstellung der Berliner Finanzsoziologin Anke Wahl (Teil I)

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Auf diesem Weblog stelle ich wenige Bücher vor. Heute aber präsentiere ich eine aus Sicht des Geldanlegers wichtige wissenschaftliche Publikation. Das liegt zum einen daran, dass ich mit der Autorin liiert bin. Zum anderen, weil ich davon überzeugt bin, dass Liebe nicht immer blind macht, es sich also bei der „Sprache des Geldes“ um ein lesenswertes Buch handelt, auch oder gerade für die kleine aber feine Fangemeinde von Social Banking 2.0.  

Das Geld ist sicherlich eines der letzten Tabus, die es in unserer modernen Gesellschaft noch gibt. Schlagartig hat die Finanzkrise das Geld in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Und es wurde klar, dass wir eigentlich gar nichts über es wissen. Denn bis jetzt hat es ja schließlich reibungslos funktioniert.

Dabei spricht das Geld eine deutliche Sprache. Zugegeben, man versteht sie zwar nicht auf Anhieb, mit etwas Übung lässt sie sich aber lernen und liefert uns dann unglaublich spannende Einblicke in das Treiben der Welt. „Geld ist ein Phänomen, das uns tiefe Einblicke in die Absichten, Einstellungen und Orientierungen der Menschen gewährt“. Mit diesem Satz beginnt die Berliner Finanzsoziologin ihre gerade im VS Verlag für Sozialwissenschaften unter dem Titel Die Sprache des Geldes. Finanzmarktengagement zwischen Klassenlage und Lebensstil“ erschienene Untersuchung zum Thema Geld.

Behavioral Finance 2.0: Geld = Lebensstil, Lebensstil = Geld

Klar und eindeutig in Sprache und Argumentation, setzt die Autorin ein buntes Kolorit zum Thema Geld zusammen und erklärt uns, warum sich die gesellschaftlichen Verhältnisse im Geld widerspiegeln, warum das Geld so viel über uns verrät, welche Bedeutung es für uns hat und wie es unsere Beziehungen regelt. Die äußerst aufschlussreichen Details präsentiert die Autorin stets mit einem ironischen Unterton, der uns die zuweilen komplexe Materie leichter verstehen lässt.

So mancher Leser wird sich fragen, wo denn all die Milliarden Euro oder Dollar seit der Krise geblieben sind. Ende Mai stellte die Autorin ihr Buch in Berlin vor und machte deutlich, dass sich in unserer doch weitgehend Erfolgs verwöhnten Gesellschaft allmählich die Erkenntnis durchsetzt, dass es sich beim gegenwärtigen Kapitalismus um ein Arrangement handelt, das nicht immer verlässlich funktioniert. Während sich die soziale Kluft weiter verschärft, nimmt beim wohlhabenden Teil der Bevölkerung das Bedürfnis zu, die Besitzstände nicht nur zu sichern, sondern auch zu vermehren.

Wie aber hängt das Geld mit unserem Lebensstil zusammen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen unserem Konsumverhalten und der Art und Weise, wie wir es anlegen? Theoretisch fundiert argumentiert die Autorin und kommt zu dem Schluss, dass das, was wir kaufen auch Hinweise auf unsere Geldanlagen liefert, und umgekehrt. Aber wie kann das sein? Warum hängen unser Konsum- und unser Geldanlageverhalten miteinander zusammen?

Die Antworten erschließen sich auf den ersten Blick natürlich nicht. Die Autorin betont, dass sie im Geld liegen, und zwar in der Bedeutung, die wir ihm zuschreiben. Sobald die Menge an Geld, über die wir verfügen können, über das zum Leben notwendige Maß hinausgeht, können wir es auf unterschiedlichste Art und Weise verwenden. Dabei setzen wir es aber nur für solche Dinge ein, die für uns tatsächlich wichtig sind.

Fünf prägende Geldtypologien

Äußerst interessant ist nun, dass die Autorin mit Blick auf die Position, die wir in der Gesellschaft einnehmen, fünf unterschiedliche Geldtypen voneinander unterscheidet. Sie fragt, was die Menschen mit ihrem Geld erreichen möchten. Setzen sie es etwa dazu ein, um sich von anderen Menschen abzugrenzen? In diesem Fall spricht sie von Distinktionsgeld. Wollen sie mit ihm vor allem Zugehörigkeit herstellen (Konformitätsgeld), wollen sie es für Bildungszwecke und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit einsetzen (Kreativgeld), es hauptsächlich zur Unterhaltung verwenden (Unterhaltungsgeld) oder müssen sie es zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausgeben (Existenzgeld). Die Autorin argumentiert, dass so bestimmtes Geld nicht nur den Kauf von Konsumgütern beeinflusst, sondern auch die Wahl von Geldanlagen.

Fotos: Lothar Lochmaier

Die Sprache des Geldes hat das Potential, die verhaltensorientierte Kapitalmarktforschung (Behavioral Finance) auf eine neue theoretische Grundlage zu stellen – und diese aus den etwas angestaubten Markterkundungsritualen zu befreien.  

Neben dem theoretischen Rüstzeug beeindruckt die Autorin mit ihrer empirischen Analyse. Anhand eines Datensatzes von rund 80.000 repräsentativ ausgewählten Privathaushalten unterzieht sie ihre theoretischen Aussagen einer empirischen Überprüfung und zeigt, dass entsprechend aufgeladenes Geld tatsächlich nicht nur im Konsum-, sondern auch im Anlagebereich unterschiedlich ambitioniert auftritt. Zudem wird deutlich, dass die Risikofreude beim Geldanlegen aber auch davon beeinflusst wird, wie zuverlässig oder unzuverlässig einem das Geld letztlich zufließt.

Das Buch ist zum einen für Soziologen und Ökonomen gedacht, also mit der Materie bereits vertraute Wissenschaftler. Darüber hinaus ist es aber auch Leserinnen und Lesern zu empfehlen, die sich mit dem Thema Geld in unvoreingenommener Weise beschäftigen möchten. Wer mit dem Erlernen der Geldsprache erst einmal begonnen hat, wird feststellen, wie viel sie einem über sich, andere und die ganze Gesellschaft verrät. Und er wird verstehen, warum das Geld immer noch ein Tabu in unserer Gesellschaft ist.

Im zweiten Teil dieser Buchpräsentation folgt eine Auswahl provokanter Zitate aus der Sprache des Geldes, sowie abschließend im dritten Teil ein Interview mit der Autorin Anke Wahl, im Auge des Orkans zwischen Klassenlage, Geldanlage, Lebensstil – und den neuen Einflußmöglichkeiten von Netzcommunities.

Written by lochmaier

Juni 6, 2011 at 7:23 am

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Wirtschaftsblogs: Der Eiserne Vorhang ist gefallen

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Manchmal sagen Symbole wie der Eiserne Vorhang (des Schweigens und gleichzeitig heimlich stillen Ideenklonings) mehr als Tausend Worte. Keine Lust mehr Euer Fußvolk zu sein, schrieb Basicthinking zur nicht ganz ungewöhnlichen Praxis von Leitmedien, sich doch geistige Nahrung bei dem einen oder anderen „verrückten“ Blogger zu holen. Gerne auch ohne Nennung der Quelle.

Die Süddeutsche Zeitung hat nun – wen wundert es, als erstes deutsches Leitmedium die neue Sphäre von mehreren Hundert deutschen Wirtschaftsblogs unter die Lupe genommen. Die etwas zweideutige Überschrift: Viel los im Affenkäfig.

Sie werden mehr, sie werden besser: Eine Reihe von Blogs kommentiert die aktuelle Wirtschaftslage. Es geht tiefsinnig um Geldpolitik, um Banken mit Filialen auf Facebook (Anmerkung der virtuellen Redconf: Damit war wohl dieses Weblog Social Banking 2.0 hier gemeint) und freche Kommentare. Eine Blogschau.

Quelle: sueddeutsche.de

Bislang galten Wirtschaftsblogger eher als eine verkannte Größenordnung, wie ich am 16.11.2010 schrieb. Warum publiziert gerade die SZ jetzt diesen Beitrag? Sicherlich, weil ein jüngerer Redakteur wie Sebastian Brinkmann dankenswerterweise offen und neugierig ist. Die Zukunft ist nicht die Gegenwart.

Aber auch weil FTD, HB und FAZ als die Top-Platzhirsche in der deutschen Wirtschaftsberichterstattung viel lieber ihren eigenen Formaten huldigen, als die Fenster aufzumachen und frischen Wind von draußen herein zu lassen. Bevor jetzt manche gleich wieder losschreien: Ich weiß, es gibt Ausnahmen, es gibt eine Welt zwischen Schwarz-und-Weiß-Malerei.

Aber: Ich habe jüngst erst auf der Jahreskonferenz vor dem PR Report Award in einem kleinen Nebenzimmer einen Vortrag zum Thema gehalten: Wirtschaftsjournalismus in der Krise!? Danach gab es einige sehr gute Gespräche. Mein Tenor war kurz zusammen gefasst der hier: 

•In fünf Jahren sind dezentral gesteuerte Informationskanäle selbstverständlich in der neuen Medienökonomie

•Wirtschaftsmedien 2.0 sind die nächste Innovationswelle, so wie früher die Druckerschwärze für die Tageszeitung von digitalem Producing abgelöst worden ist  
 
•Aber: (Deutsche) Gründlichkeit, Fortschrittspessimismus sowie geistig-emotionales Schubladendenken bremsen
 
•Motto: Jedem Spieler sein eigenes Ressortsüppchen, Wirtschaftsjournalismus 2.0 funktioniert nur ohne geistige Grenzpfosten – durch Blickkontakt unterschiedlicher Akteure auf Augenhöhe  
 
 

Gibt es also eine Existenzkrise: Ja und nein, nein, ja doch. Ich finde schon. Ja, was denn jetzt? Es läuft doch alles wie das business as usual in der geschmierten Konjunkturlandschaft, sagen jetzt sicherlich auch die Verlagsoberen… Die Krise sehe ich trotzdem, und zwar liegen die Defizite in der Wirtschaftsberichterstattung genau hier:

 •Analog zur „Call-und-Put“ Funktion an den Kapitalmärkten

•Es herrscht die Tendenz, nach oben oder nach unten zu spekulieren, wie es gerade opportun erscheint, wie es dem allgemeinen Kenntnistand und der situativ angebrachten Gerüchteküche entspricht
 
•Wirtschaftliche und fachliche Komplexität bringt kaum Auflage
 
•Dilemma: Die Mainstream-Meinung liegt letztlich immer falsch
 
•Rund Drei Viertel aller Menschen verlieren an der Börse Geld. Nur ein Viertel gewinnt
 

Was folgt? Man muss gar nicht von der Fraktion der vom (moralisch geprägten) investigativen Journalismus beseelten nationalen Chefaufklärer sein. Aber bei Tagungen wie dem Kölner Tag des Wirtschaftsjournalismus würde ich regelmäßig einschlafen, deshalb gehe ich erst gar nicht hin. Denn dort wird gerade da aufgehört zu denken, wo man eigentlich erst beginnen müsste.

Denkverbote gibt es genug. Und genau deshalb brauchen wir mehr denn je Wirtschaftsblogs, die nicht nur als Anhängsel der großen Verlage fungieren, die diesen Trend sicherlich in den nächsten Jahren versuchen zu vereinnahmen.

Ich gebe es gerne zu: Mein Herz schlägt für die mutigen und frei agierenden Kreativen, die sich trauen, dem Mainstream witzige, eigenwillige, verschrobene, ja sonst-irgendwie-geartete Blickwinkel entgegen zu halten. Es geht nicht darum, klassische Medien zu ersetzen, aber sie hinter dem Eisernen Vorhang hervorzuholen – und von einigen Erstarrungsritualen und Schablonen zu befreien.

Denn wie wir spätestens seit der Finanzkrise wissen:  

Everybody wants to be like the Jones, but the Jones are going bancrupt!

Eine erste kleine Resonanzwelle zum eisbrechenden Artikel in der Süddeutschen Zeitung findet sich im Blicklog, bei Olaf Storbeck vom Handelsblatt, der dankenswerterweise noch weitere neue Formate vorstellt. Empfehlenswert u.a. auch dieser Beitrag vom Blicklog: Business Insider und Zero Hedge als Vorbilder für deutsche Wirtschaftsblogs: Rotzfrech mit fachlicher Tiefe.    

Fazit: Der Eiserne Vorhang hinter den stillen Zitierkartellen ist gefallen. Der Dialog auf Augenhöhe, zwischen den Machern und den „Nutzern“, er ist eröffnet.

Written by lochmaier

Juni 3, 2011 at 11:02 am

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