Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Archive for April 2011

Finanz Blog Award: Interview mit Gewinner diebörsenblogger

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Für Insider war es vielleicht nicht die ganz große Überraschung. Aber da es immer noch einige Zeitbeobachter gibt, die Blogs ganz allgemein, und erst recht Finanzblogs noch für Teufelszeug halten, wo sie doch (fast) das Werk Gottes verrichten (nämlich Aufklärung und Beteiligung statt dem stummen Abnicken von finanziellen Nebelkerzen), sind ein paar Worte der Erklärung angebracht.

Alles weitere zum Finanz Blog Award über die offizielle Seite  des Veranstalters comdirect, der diesem neuen Medienformat damit immerhin seinen Tribut und Respekt zollt. Für Neueinsteiger sei mein früherer Beitrag empfohlen, in dem ich meine Bewertungskriterien für die Juryarbeit skizziert habe. 

Aber warum so viel um den wirklich heißen Brei der Finanzblogger herum reden, wenn ein Video über die meist bescheiden und eher unprätentios agierenden „hidden champions“ mehr sagt als 1000 Worte.

Kurzum, der fähigste Außendienstmitarbeiter von Social Banking 2.0, Doktor Spar, hat mal wieder seine Geldpraxis verlassen, um sich mit den Gewinnern des ersten Preises in Mainhattan ein paar Minuten in aller Ruhe am Rande der kommunikativen Kulisse im m2Medienmittwoch zu unterhalten.

Ob und wie die Gewinner sich freuen, oder wie die Börsenblogger entstanden sind, und natürlich auch welche neuen Perspektiven in der Finanz- und Medienwelt sich durch derartige Blogformate ergeben könnten, darüber habe ich mit den Machern Christoph Scherbaum (Mitte) und Marc Schmidt nachgedacht. Und los geht’s (sorry für die lauten Hintergrundgeräusche, live ist eben life):

Nun zu meinen persönlichen Eindrücken: Es war keine leichte Arbeit für die Jury, hier einen Kompromiss zwischen alter und neuer Medien- und Finanzwelt zu finden. Zweifellos, es bewegt sich in beiden Welten etwas. Manche hätten gerne andere Blogs vorne gesehen. Beispielhaft etwa das Engagement des Blicklogs, der in seinem jüngsten Beitrag  die Stimmungslage in der Finanzblogszene analysiert.

Da ist vieles nachvollziehbar, freilich fehlen eben gerade die ganz großen Überflieger, die mit viel Man und Woman Power hier als Vorreiter fungieren. Einen Blog unmittelbar als Geldquelle zu etablieren, dafür gibt es gerade im übervorsichtigen good old germany noch keine Steilvorlage.

Dennoch entsteht viel Neues, zunächst aus dem Spaß und der Begeisterung heraus. Manche nennen das Selbstausbeutung, man kann es auch positiver sehen. Man muss nicht immer gleich bei neuen Trends die „Scheinfrage“ stellen. Ich habe jedenfalls die Veranstaltung als Jury-Mitglied und bloggender Journalist genossen, oder bin ich doch eher ein journalistischer Blogger, egal, fahren wir fort.

Denn immerhin bekamen hier mit dem Blogaward jene Menschen eine erhöhte Aufmerksamkeit, die sich durch viel Fleiß, Kreativität, manchmal auch Mut, an etwas Neuem versuchen. Und das auch noch in Deutschland, igitt…. darf das denn sein, ohne den Chef um vorherige Erlaubnis zu fragen?

Die Veranstaltung begann mit einer Podiumsdiskussion, an der wir als Jurymitglieder uns eine runde Stunde an der zwiespältigen Frage reiben durften, wie sich die Finanzberichterstattung unter dem Eindruck des Internets und des Web 2.0 möglicherweise verändern wird.

Das Gute daran: Wir da oben auf dem gnädigen Podium waren und sind auch nicht viel schlauer als der Rest der Welt. Es wird sich definitiv etwas verändern, aber inwiefern wir hier so etwas wie mehr „Finanzdemokratie 2.0“ heraufziehen sehen, ein Begriff, den ich in diesem Blog und meinem Buch „Die Bank sind wir“ anhand der neuen internetbasierten Geschäftsmodelle immer wieder skizziert und entwickelt habe, das steht noch in den Sternen.

Fest steht nur: Der Kunde wird mündiger, ein Teil der Geldanleger informierter und kritischer, und dem müssen sowohl die Medien als auch die Banken künftig Rechnung tragen. Ich habe mich jedenfalls gefreut, über einige inspirierende Hintergrundgespräche – und hoffe, dass die Finanzblogosphäre durch derartige Preise (die in diesem Fall nicht nur Schall und Rauch sind) einen kleineren oder gar größeren Kreativitätsschub erhält.

Aber auch die Wirtschaftsmedien sind gefordert, nicht nur mediale Optionsgeschäfte zu tätigen, und sich mit oberflächlich oder gar rein spekulativ interpretierten Wirtschaftsnachrichten nur als „geistiger Leerverkäufer“ zu betätigen. Da gibt es noch viel zu tun, die deutsche Verlags- und Medienbranche sollte sich dem Dialog und neuen Formaten deutlich mutiger öffnen. Wie war das mit dem Kundenkontakt auf Augenhöhe? Beim ARD Börsenblog scheint der Dialog ja schon ganz gut zu klappen.

Und auch in der Wissenschaft bewegt sich etwas jenseits des nach innen gerichteten Expertendiskurses. Grund genug für die Jury, die Ökonomenstimme auszuzeichnen, die an sich schwierige volkswirtschaftliche Themen aus Wirtschaft und Finanzen auf ein neues Dialogformat herunterbricht.  

Hallo und Guten Morgen Deutschland um 9 Uhr, die Welt ändert sich, und das birgt auch Chancen. Zitiert doch gute Blogbeiträge mal, so wie es die Süddeutsche Zeitung kürzlich mit Verweis auf Blicklogs Analyse zur Griechenland-Schuldenkrise gemacht hat, und klaut nicht nur deren Ideen… Das Bessere ist der Feind des Mittelmäßigen.

Schade, dass meine Laudatio an den Drittplatzierten Investorsinside nicht mit dem Preisträger und dem Glückwunsch direkt auf der Bühne abgerundet wurde. Aber live ist eben Life, und so gab es keine vorab hinter den Kulissen informierten Gewinner. Hier ist der Text meiner Laudatio für den Drittplatzierten Investorsinside nochmal für alle zum Mitlesen:

Das Weblog richtet sich an eine ambitionierte Leserschaft und besitzt einen breiten Fokus auf die Aktienmärkte. Differenziert und mit hoher Taktfrequenz beleuchtet werden aber auch andere Anlageklassen. Der Autor Lars Röhrig und die Redaktion sparen dabei auch nicht mit persönlichen Einschätzungen und Kommentaren, etwa wenn der Betreiber sich während der nuklearen Katastrophe in Japan scheut, aus diesem Umstand Profit an den Kapitalmärkten zu ziehen. Manche mögen dies als taktisches Ablenkungsmanöver eines Daytraders bezeichnen, oder aber müde als nutzlose Gesinnungsethik belächeln, über die Zukunft der Finanzbranche einmal mehr als ein paar Minuten nachzudenken.

Das hervorragende Nutzerranking bei den Lesern dürfte nicht zuletzt auf den guten Mix zwischen charttechnischer Analyse und persönlicher Färbung zurück zu führen sein. Auch einer mutigen rechtlichen Auseinandersetzung infolge kritischer Berichterstattung ist Investorsinside keineswegs aus dem Weg gegangen, eine für Einzelkämpfer in der Blogosphäre nicht gerade leichte Gratwanderung. Insgesamt ist investorsinside also ein zukunftsweisender Ansatz, der weiter ausbaufähig ist.

Und hier noch einige erste Stimmen zur Medienresonanz des Finanz Blog Awards (wird aktualisiert):

http://blogs.hr-online.de/bestblog/2011/04/14/medienpreis-fur-unseren-borsenblog/

http://dieboersenblogger.de/16303/2011/04/und-auf-einmal-ist-man-erster-die-boersenblogger-erhalten-den-comdirect-finanzblog-award-2011/

http://www.investorsinside.de/3-preis-des-comdirect-financeblog-award-2011-fur-investors-inside/

http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/110420_finanzblog_Preis/index

http://www.smava-blog.de/2011/04/29/mehr-aufmerksamkeit-fur-die-deutsche-wirtschaftsblogszene-%e2%80%93-nicht-kleckern-sondern-klotzen/

Written by lochmaier

April 14, 2011 at 5:04 pm

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Jahrestagung Kerntechnik 2011: Journalisten von der Teilnahme ausgeschlossen

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Seit Jahren schreibe ich neben Themen rund um die Bankeninnovation und Informationstechnologie auch über Erneuerbare Energien bzw. das betriebliche Energiemanagement. 

So beschäftige ich mich auch mit den (wirtschaftlichen) Folgen und anderen Konsequenzen nach der (schleichenden) Atomkatastrophe in Japan.

Umso überraschender nun diese abschlägige Antwort auf meinen Akkreditierungsantrag zur Jahrestagung Kerntechnik 2011, dem who-is-who der deutschen und internationalen Atombranche.

In den letzten Jahren waren die Medien sehr willkommen, da das Image als der Treiber von „Restrisiken“ abgelegt werden sollte. Nun ist offenbar der aktive „Dialog“ nach der letzten Meile in der „Energiewende“ nicht mehr gewünscht. Hier die Antwort:

Sehr geehrter Herr Lochmaier,

vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihr damit verbundenes Interesse an der Jahrestagung Kerntechnik 2011.

Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass sich der Veranstalter aufgrund der aktuellen Situation gegen die Akkreditierung von Jounalisten zur Tagung ausgesprochen hat.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.
CPO HANSER SERVICE GmbH

Fazit: Wir bleiben lieber unter uns, so das Motto der Branche, eine zugegebermaßen etwas holzschnittartige Betrachung, die aber die Akteure auch zum Umdenken anregen könnte. Denn neben den Banken sollte vor allem die Energiewirtschaft und die Pharma- bzw. Gesundheitsbranche den aktiven Dialog suchen, statt weiter danach zu streben, sich in ihren selbst geschaffenen exklusiven Parallelwelten oberhalb der Gesellschaft zu behaupten.

Darin lägen schließlich auch wirtschaftliche Chancen, wenn man den Wandel denn frühzeitig erkennen will. Aber wie so oft, die Treiber von Neuem sind jene, die nicht bereits einen bequemen Platz an der Sonne inne haben, sondern sich durch mehr Mut zum „unternehmerischen Restrisiko“ auszeichnen, und frühzeitig in neue Entwicklungen pragmatisch aber auch visionär investieren. Die übrigen schauen lieber in den Rückspiegel beim Autofahren.

Written by lochmaier

April 13, 2011 at 7:07 am

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Doktor Spar: Röntgenblick – Abschiedsbrief an die Hausbank

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Banken kümmern sich um alles, bloß nicht um ihre Kunden. Deshalb ein leicht ironisch gefärbter Abschiedsbrief an meine Hausbank. Das viel abwechslungsreichere Nomadenleben hat zweifellos auch mein Zweites Ich, Doktor Spar, zu einem – fast hundertprozentig ernst gemeinten – Schritt in ein neues Leben verführt. [Anmerkung: Sorry für den Baustellenartigen Hintergrund, aber so ist das wahre Leben, nicht immer perfekt.]:

Written by lochmaier

April 12, 2011 at 6:58 am

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Hype oder Chance: Exchange Traded Funds (ETF) goes Web 2.0

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Die Bafin prüft, prüft, prüft, aber sie handelt nicht. Der Hype um die (Exchange Traded Funds) ETFs ist schon sehr offensichtlich – siehe die letzte Anlegermesse Invest in Stuttgart. Positiv kann man anmerken, dass die Branche jetzt auch Produkte launcht, die nicht aktives Management gegen exzessive Gebühren vorgaukeln, wo gar keines drin steht.

Kurzum, auch in Insiderkreisen durfte man durchaus politisch korrekt so spötteln: Die Finanzbranche war bis dato eine der überbezahltesten Branchen, die es gibt. Aber leider gibt es das Paradies auf Erden nirgendwo umsonst. Auch vermeintlich bessere Alternativen müssen sich erst beweisen und sich ihr Vertrauen erarbeiten.

Um es mit den zuzegebenermaßen etwas provokanten Worten der wunderbarenweltderwirtschaft zu sagen: Wenn ein Index sich „dämlich“ verhält, dann nützt es auch nichts Produkte zu designen, um diese Entwicklung für Produkte seriös abzubilden. Aber gehen wir mal jenseits von Schwarz-Weiß-Malerei genauer ins Detail.

„Einfache“ weil automatisch erfolgreiche Finanzprodukte gibt es nicht, das Wetten auf die Zukunft an der Börse ist immer ebenso chancenreich wie riskant. Die Bandbreite der neuen Produkten um das Thema Indexfonds – quasi ein Synonym für ETF – ist mittlerweile breit gestreut.

Das Thema beschäftigt mich seit längerem, warum also nicht in der 2.0-Variante? Wer die Umschlagseite meines Buches „Die Bank sind wir“ genau gelesen hat, der durfte meine Aussage wörtlich nehmen, gedacht für alle „die daran glauben, dass nicht mehr staatliche Regulierung die Zukunft im Bankwesen darstellt, sondern Geschäftsmodelle, bei denen die Nutzer die Regie führen.“  

Lässt sich dieser Trend mit Blick auf die ETFs auch auf das Social Web übertragen? Vielleicht nicht ganz, es kommt schon auf das Design der Produkte an. Aber man könnte eine Art übergreifendes Management-Cockpit generieren, um den Anlegern eine bessere Orientierung durch den Produktdschungel zu verschaffen.

Hier nur der Verweis auf eine Kolumne auf finanzen.net, die einige Chancen und Risiken der ETFs beleuchtet, also worauf Anleger konkret achten sollten.  Und da bin ich neulich auf das Geschäftsmodell von Yavalu aufmerksam geworden, das sich kürzlich auf dieses Terrain begeben hat.

Das Neue hat seinen Charme, aber auch seine Risiken. Welches Team aus der Finanzwelt steckt hinter der Business Intelligence für die ETF-Auswahl, so dass am Ende nicht die ausgehöhlte „Propagandaformel“ gilt, geringe Gebühren, aber eine schlechte Performance? Das jedenfalls sagen die Macher über sich aus:

Die yavalu GmbH wurde im Oktober 2010 gegründet und hat ihren Sitz in München. Der Service von yavalu.de richtet sich an alle privaten Anleger, die mit wenig Zeitaufwand ihre Geldanlage professionell managen wollen. In drei Schritten erhält jeder Anleger ein individuell zugeschnittenes ETF-Portfolio, das laut eigenen Aussagen durch den Betreiber rund um die Uhr überwacht wird.

Für welches Gebührenmodell entscheiden sich denn die Nutzer? Welches sind realistische Ziele mit Yavalu? Das waren erst einmal nach erster Durchsicht der Homepage meine Einwände, oder besser gesagt Rückfragen. Und so hat Mattias Lamberti, der Gründer und Geschäftsführer der Plattform, sich daran gemacht, einige Fragen für die Leser von Social Banking 2.0 zu beantworten – um das Geschäftsmodell genauer zu skizzieren.

Der Ausgangspunkt: Wir wollen hier in diesem Blog  jenseits von Bankenbashing, aber auch dem vorschnellen Ausrufen neuer messianischer Geschäftsmodelle, quasi den goldenen Mittelweg finden. Mit yavalu werde das Rad nicht neu erfunden, sondern die „Speichen“ seien praktischer angeordnet, so bringt es Matthias Lamberti auf den Punkt.

Eine geistige Anleihe nimmt die Plattform von dem Buch Daniel C. Goldies: The Investment Answer.  Yavalu bekennt sich offen dazu, diese Strategie eins zu eins abzubilden:

  1. Breit diversifizieren in verschiedene Märkte (Anlageklassen)
  2. Passiv statt aktiv investieren (aktives Fondsmanagement bringt in seltensten Fällen einen Mehrwert.  Die Plattform nimmt nur passive ETFs und keine neumodischen „double short leverage enhanced ETF-Produkte“ ins Programm, die mittlerweile auch schon auf dem Markt sind.
  3. Regelmäßig Rebalancieren (Anpassen) beim Überschreiten einer bestimmten Toleranzgrenze (relativ 15%).
  4. Selbst managen ohne Berater, um teure Provisionen zu vermeiden

Die Auswahl der ETFs erfolgt laut Auskunft von Matthias Lamberti „völlig unabhängig“, und zwar aus dem gesamten ETF-Universum nach 3 Faktoren:

  1. Die Größe (das Volumen) des ETF: Sicherstellung der Liquidität
  2. Die Kosten des ETF 
  3. Der Spread des ETF

Quelle: yavalu

Wie kann sich der Kunde nun einen konkreten Eindruck von der Leistungsfähigkeit verschaffen, ohne gleich teures Lehrgeld zu bezahlen? Der Nutzer kann erst einmal den kompletten Service kostenlos testen. Bleibt er am Ball, fällt für eine „unabhängige Marktinfo und den Überwachungsservice des Plattformbetreibers“ (neudeutsch: Risiko Management) eine Gebühr von 7,95 € im Monat an.

„An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass wir über kein Hintertürchen mitverdienen“, betont Lamberti. Die Zielgruppe sieht das Startup vor allem in einer größeren Gruppe der Online-affinen Anleger. Die Plattform soll zudem – einschließlich der bereits geplanten Internationalisierung –  für „kleinere Sparer“ eine attraktive Option sein.

Geht diese Rechnung auf – oder ist es letztlich nicht doch ein kurzlebiger Modetrend? „Wieso sollte in der Finanzwelt nicht das möglich sein, was wir heute schon tagtäglich bei Gebrauchsgegenständen, Hotels und Reisen online erleben“, gibt Matthias Lamberti abschließend zu bedenken.

Fazit: Auf alle Fälle bereichern derartige Plattformen die ETF-Szene, und sie stellen ein wichtiges Monitoring-Instrument dar, das letztlich jede Anlageklasse benötigt. Denn „Die Bank sind wir“, die Kunden, die über den Erfolg oder Misserfolg der Produkte bestimmen. Und hier wird die vermeintlich doch so private Geldanlage plötzlich zum öffentlichen Politikum, wie die Atomkatastrophe in  Japan gezeigt hat.

Written by lochmaier

April 11, 2011 at 6:57 am

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Finanz Blog Award: So habe ich die Teilnehmer bewertet

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Wenn ein Reisender zwischen zwei Ozeanen auf dem Meer in stürmisches Gewässer gerät, dann nützt es nichts ans Ufer zurück zu blicken. Besser ist es, sich nicht nur an der Rehling feszuhalten, sondern die eigenen Kräfte darauf zu konzentrieren, ans andere, ans unbekannte Ufer zu gelangen.  

Hilfreich wäre es, wenn von der anderen Seite des Ozeans ein paar größere Leuchtfeuer den Neugierigen den Weg wiesen. Soweit meine etwas vieldeutige metaphorische Einleitung, die aber durchaus den Kern der Sache trifft. Ein von mir in Schottland auf den Orkney-Inseln aufgenommens Foto sagt vielleicht mehr als tausend Worte: 

Zur Sache. Rund 200 etablierte Wirtschafts- und Finanzblogs existieren nach Einschätzung von Insidern. Schätzungsweise 50 bis 80 beschäftigen sich spezifisch und einigermaßen regelmäßig mit dem Thema Geldanlage. Einige zweifellos interessante Finance Blogs haben sich an dem Wettbewerb Finance Blog Award, den die comdirect ausgelobt hat, leider nicht beteiligt. Am 13.04. findet die Preisverleihung in Frankfurt statt (jeder kann kommen). Mehr Infos gibt es hier.

Im folgenden erläutere ich nun einige Gedankengänge, wie ich prinzipiell bei meiner Entscheidungsfindung vorgegangen bin. Konzeptionell handelt es sich nämlich um Neuland. Denn es stellt sich schon die Frage: Was macht ein gutes Finanzblog denn überhaupt aus? Mein, wenn man so will, „mathematisches“ Zielraster war wie folgt:

Individuelle Reichweite 20%, Themenauswahl 15 %,  Qualität der Texte 20%, Sprache und Inhalt  15%,  Gestaltung 10%, Service 10%,  Subjektiver Gesamteindruck 10%.

Eine objektive Wissenschaft ist dieser neuplanetarische Erkundungstrip freilich kaum. Es gibt sicherlich einige allgemein anerkannte Kriterien: Regelmäßige Einträge (mind. 2-3 pro Woche) mit fundierten Analysen (die Länge ist nicht unbedingt entscheidend). Aber es gibt auch (un)klare Unterscheidungsmerkmale zu einem themenorientierten Online-Portal (Vergleichsportale) und zu klassischen Medienformaten.

Vor allem fließt die individuelle Sichtweise und teils auch emotionale Färbung des/der Autor(en) bewusst mit ein. In Finanzfragen eine schwierige Gratwanderung. Aber der richtige Mix macht den Reiz für die Leser aus. Für Außenstehende erschließt sich der selektive Publikationsmodus und Charme der Finanz- und Wirtschaftsblogs in der Nische gleichwohl nicht auf den ersten Blick.

Fakt ist, das Renommee in der „Szene“ bemisst sich an Kriterien wie Glaubwürdigkeit, Authentizität, Individualität, Qualität der Beiträge sowie Taktfrequenz. Und nicht zu vergessen, an den Zugriffszahlen, die viel darüber aussagen, ob das Blog jenseits der klassischen Verlagswelt überhaupt regelmäßig gelesen wird, oder ob es eher der Rubrik Image und Marketing zuzurechnen ist, worin der Autor nur allzu durchsichtig um die Leserschaft buhlt.

Ein großer Makel ist, dass Finanz- und Wirtschaftsthemen in Deutschland, noch dazu wenn sie komplexe Themen wie die Geldanlage und Börse behandeln, gegenüber wesentlich populäreren Blogthemen wie technischen Gadgets und anderen Trends von allgemeinem Interesse nur einen Nischenmarkt vorfinden.

Umso relevanter ist der Umstand zu bewerten, wenn es einem Weblog-Autoren durch viel Fleiß und Begeisterung gelingt, durch seinen persönlichen Einsatz hier eine konstante Leserbindung aufzubauen – und in die „Wahrnehmungsschwelle“ der Top-50.000 in Deutschland zu gelangen (und sich dort auch konstant zu halten). Einige aus der großen Verlagswelt mögen dies (noch) belächeln.

Wer es durchschnittlich schafft, eine untere bis mittlere dreistellige Leserzahl pro Tag an sich zu binden, gehört quasi zu den – vom Medienmainstream gleichwohl unbeachteten – „informellen Champions“. Zum Vergleich: Die Internetpräsenz http://www.finanzblog-award.de war bei Alexa am 16.03. auf Rang 93.829 postiert.

Deshalb habe ich den durch Marktmacht quasi automatisch an der Frontscheibe polierten Glanz der Medien- und Verlagshäuser „untergewichtet“, um die Neulinge nicht einem strukturellen Wettbewerbsnachteil auszusetzen. 

Das zeigt, wieviel Arbeit und Ideen für einzelne Newcomer von Nöten ist, um jenseits des Glanzes, der automatisch auf einen schon bekannten Autor aus der bekannten Medienwelt herunterfällt,  überhaupt eine gewisse Wahrnehmungsschwelle zu überspringen. Kurzum: Ohne Fleiß kein Preis.

Blick hinter die Fakten und klares Profil zählen mehr als hübsches Outfit

In der Innenwahrnehmung kommt es bei den Bloggern deshalb nicht unbedingt auf eine hübsch gestaltete Optik an, im Gegensatz zu den klassischen Medienformaten. Sicherlich hilft ein gutes äußeres Erscheinungsbild. Aber manche Blogger agieren sogar bewusst als ästhetische Puristen. Insofern sind bei der endgültigen Zusammenschau der möglichen Preisträger allzu statisch gehandhabte formale Kriterien mit einer gewissen Zurückhaltung zu genießen.

Für eine gewisse sportliche Note, der sich die meisten Blogger gerade im Finanzsektor durchaus stellen, sorgt das Kriterium individuelle Reichweite jenseits des Glanzes, der quasi von oben automatisch auf den Blogger durch seinen Arbeitgeber herunter fällt. Für mich ein relevanter qualitativer Punkt, neben Themenauswahl, Qualität, Sprache und Inhalt sowie Gestaltung.

Das Kernproblem der „Szene“ ist und bleibt jedoch die mangelnde Monetarisierung, die gleichwohl weiterhin das Ziel der meisten Autoren darstellt. Um aber nennenswerte Einnahmen zu generieren, müssten die Zugriffszahlen pro Tag mindestens in den unteren vierstelligen Bereich gelangen. Dann erst kommen oder besser kämen die unterschiedlichen internetbasierten Werbeformen zum Tragen. Parallel dazu müsste die Professionalisierung eigenständiger Medienformate 2.0 weiter heran reifen.

Der Aufwand dafür wäre recht hoch, für die meisten zu hoch, bei gleichzeitig begrenztem Leserkreis aufgrund der Komplexität von Finanzthemen. Kurzum, bei den deutschen Lesern sind Finanzthemen nicht beliebt. Dieser gordische Knoten dürfte sich gerade aufgrund der verteilten und dezentral gesteuerten Aufmerksamkeitsökonomie im Netz auch künftig kaum auflösen lassen.

Was resultiert daraus für die Preisverleihung? Aus meiner Sicht sollten Weblogs ausgezeichnet werden, die sich regelmäßig und fundiert mit Finanzthemen auseinandersetzen. Die unabhängige Jury sollte Weblog-Betreiber beziehungsweise Autoren auszeichnen, „die Privatanleger verständlich, kompetent und kritisch informieren und ihnen somit eine Orientierung in der komplexen Welt der Finanzen bieten.“

Es sollten somit Finance Blogs prämiert werden, die sich der schwierigen Herausforderung stellen, sich möglichst konkret und ohne Umschweife mit nicht-standardisierten Finanzprodukten zu beschäftigen, etwa Anlagestrategien, Aktien und nicht offiziellen „Beipackzetteln“.

Andererseits sollten die Autoren – jenseits von reinen Kauf- und Verkaufsempfehlungen – die hintergründige und kritische Auseinandersetzung mit dem Geschehen an den Kapitalmärkten nicht scheuen, jedoch nicht in einer von oben herablassenden Art, sondern kommunikativ, und mit anderen Quellen vernetzend.

Fazit: Abgrenzung zum Journalistenpreis

Der Finanz Blog Award enthält zwar einige konstitutive Elemente eines Journalistenpreises. Jedoch gibt es auch deutliche Abgrenzungsmuster. Im Klartext: Gute Finanzblogs unterscheiden sich im Stil deutlich von jenen der Leitmedien, bei denen angeschlossene Blogs oftmals den Charakter einer ergänzenden Visitenkarte aufweisen, als ein wirklich eigenständiges kreatives Kommunikationsformat darzustellen.

Kurzum, ein Blog ist deutlich mehr als eine Ansammlung von losen journalistischen Kommentaren als Beiprodukt der Arbeit, das gerade etablierte Verlage oder Medienhäuser nur allzu leicht generieren können. Man will halt dabei sein, verleiht dem Ganzen aber keinen Nachdruck. 

Die Verlage und Medienhäuser verfügen noch dazu „automatisch“ über die Reichweite, und schon ist das perfekte Blog in Nullkommanix-Sekunden fertig designt. Die Stil- und Formatvorlage kann man dann ja via Kreativabteilung XY im gut organisierten Medienapparat gleich mitentwerfen lassen. Wie praktisch, während Einzelperformer alles selbst organisieren müssen, und nicht nur dadurch einen drastischen Wettbewerbsnachteil genießen.  

Meist glaubt man sowieso nur jemanden, wenn er oder sie den Glanz einer bestimmten Institution repräsentiert. Natürlich gibt es jenseits von Schwarz-Malerei (hier die Angstjournalisten und dort die Wutblogger) gewisse Überlagerungen zwischen klassischem Wirtschafts- und Finanzjournalismus und den Finanzblogs.

Der Austausch oder die Abgrenzung ist sogar ausgesprochen produktiv.  Aufschneiderei, Abteilungsdenken und neblige Süppchenegoismen sind beiderseitig nicht angesagt. Journalisten sind genauso willkommen in der Finanzblogszene wie andere Akteure. Besserwisserei auf der einen wie anderen Seite ist nicht gefragt. Soweit ich die Szene überblicke, gibt es das auch kaum. 

Somit lässt sich feststellen: „Best Practices“ und verlässliche Standardkriterien sind zwar bei Finanzblogs noch nicht in Sicht. Wir bewegen uns zwischen dem alten Ufer, das nicht mehr existiert, sehen aber den neuen Kontinent mit großen Leuchtfeuern auf der anderen Seite noch nicht richtig vor uns. Deshalb sind Mut und Entschlossenheit beim Design einer neuen Medienökonomie 2.0 gefragt, statt sich nur mit dem Rücken zur Wand nach hinten abzusichern. 

Ein letzter Hinweis: Dieser Beitrag vermittelt keine Hinweise auf die Gewinner. Diese werden nach einer Podiumsdiskussion in Frankfurt am 13. April bekannt gegeben, die öffentlich ist, an der also jeder teilnehmen kann. Kurzum, jedes Jurymitglied hat seine eigene Brille auf.

Aber es gilt im Rahmen dieses Wettbewerbs, die Diskussionskultur um neue Medienformate zu befördern, statt darüber nur in langweiligen Expertenzirkeln zu debattieren, wo sich alt bekannte Platzhirsche nur gegenseitig auf die Schulter klopfen.

Hier nun abschließend aus meiner kleinen Leuchtturmwarte heraus die wichtigsten (sicherlich noch recht hoch gesteckten) Qualitätskriterien, was ein gutes Finanzblog von einem durchschnittlichen Mainstreamblog unterscheiden könnte, das den Finanz Blog Award und nicht den Finanzjournalisten-Award verdient hätte:

 1. Expertise (Kapitalmärkte und Investitionsklassen, jedoch schwer objektivierbar)

2. Unternehmerisches Denken und Handeln

3. Mut zur Subjektivität (kontrolliert und moderierend)

4. Journalistisches Handwerk (Recherche, Aufbereitung, Darstellung)

5. Individualität (Kreativ-, nicht Fundamental(op)position zum Mainstream in Medien und Finanzmärkten)

5. Interaktion (insbesondere mit Blogosphäre und Lesern)

6. Dauer und Persistenz der Marktpräsenz

7. Noch was vergessen? Anderer Meinung?

Written by lochmaier

April 5, 2011 at 6:53 am

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Japan (5): Risikowahrnehmung im kulturellen Kontext

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Abschließend zur fünfteiligen Serie anlässlich der japanischen Umweltkatastrophe im Atomkraftwerk Fukushima nun ein spezieller Blick auf die Risikowahrnehmungsmuster im kulturellen Kontext. Alle Beispiele sind selbst sorgfältig recherchiert. 

Australien

Verglichen mit weißen Fahrzeugen haben schwarze Fahrzeuge ein um zwölf Prozent höheres Risiko, in Unfälle verwickelt zu werden

Quelle: Studie des Monash University Accident Research Centre in Victoria (Report 2007)

Geringes Risiko: Nicht viele Menschen sterben durch Schlangenbisse. Hohes Risiko – Lebensgefahr bei Autopanne: Ohne Wasser durch die australische Wüste mit dem Auto fahren.

The Safe House: Manchmal ist der schwarze Schwan nur ein Auto

Brasilien:

Hängematten vermitteln subjektiv größeres Sicherheitsgefühl als ein Bett

Deutschland:

Deutsche Bankfilialen sind von Phishing stärker gefährdet als die Computernutzer. Aber: In Deutschland gibt es jährlich 200.000 Wohnungsbrände.

Übertriebenes Sicherheitsdenken: Die Deutschen putzen sich krank.

Geburt via Kaiserschnitt steht trotz erhöhtem Risiko hoch im Kurs.

Japan

Verhindert starres Denken und Handeln in Hierachiekategorien zwischen Befehl und Gehorsam ein besseres Krisenmanagement in Fukushima?

Die Eigenkapitalhaftung des Kraftwerksbetreibers Tepco ist auf 22 Mrd. Euro beschränkt. Die bisher aufgelaufenen Schadenersatzansprüche gegen das Unternehmen haben bereits die Grenze von 130 Milliarden US-Dollar überschritten. 

Russland:

In vielen Städten wie in St. Petersburg gibt es sehr viele Zahlenschlösser an der Wohnungstüre – fast nur Türen mit Zugangscode, in Deutschland ist das eher selten – Was passiert bei einem Stromausfall (Back up Sicherung)?

USA:

Barack Obama – Das sicherste Auto der Welt – Doppelte Sicherheit mit zweiter Staatskarosse „The Biest“ und mehreren Helikoptern, schützt dies wirklich?

Quelle: FTD

Globale Symbole –  Sicherheitszeichen/Verbotszeichen/Rettungszeichen:

Es gibt zahlreiche unverständliche Symbole: z.B. wer versteht die Hinweise etwa auf Notausgänge? Bildergalerie dazu siehe Google.

Ein Airbag im Auto verhindert das Risiko um 65 Prozent.

Die Zahl der Überfälle durch Piraten auf Schiffe hat weltweit laut Aussagen der International Maritime Organization (IMO) in den letzten Jahren abgenommen.

Abschließend eine provokative Liste für Gegner und Befürworter der kulturellen Risikowahrnehmungstheorien, die etwa auf den Forschungen des niederländischen Psychologien Geert Hofstede der 1960-er und 70-er Jahre fußt.

Nationales Ranking der Risikobereitschaft (= Unsicherheitsvermeidung):

1. Griechenland

2. Portugal

3. Guatemala

4. Uruguay

5. Belgien

Welche Länder gehen am besten mit „Unsicherheiten“ um?

Hongkong, Schweden, Dänemark, Jamaika, Singapur.

Wo befindet sich Japan in der kulturellen Risikowahrnehmung? Einiges ist sicher diskussionswürdig. Weitere Ideen und Anregungen? Einfach hier ergänzen.

Written by lochmaier

April 4, 2011 at 6:24 am

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