Finanz Blog Award: Interview mit Gewinner diebörsenblogger
Für Insider war es vielleicht nicht die ganz große Überraschung. Aber da es immer noch einige Zeitbeobachter gibt, die Blogs ganz allgemein, und erst recht Finanzblogs noch für Teufelszeug halten, wo sie doch (fast) das Werk Gottes verrichten (nämlich Aufklärung und Beteiligung statt dem stummen Abnicken von finanziellen Nebelkerzen), sind ein paar Worte der Erklärung angebracht.
Alles weitere zum Finanz Blog Award über die offizielle Seite des Veranstalters comdirect, der diesem neuen Medienformat damit immerhin seinen Tribut und Respekt zollt. Für Neueinsteiger sei mein früherer Beitrag empfohlen, in dem ich meine Bewertungskriterien für die Juryarbeit skizziert habe.
Aber warum so viel um den wirklich heißen Brei der Finanzblogger herum reden, wenn ein Video über die meist bescheiden und eher unprätentios agierenden „hidden champions“ mehr sagt als 1000 Worte.
Kurzum, der fähigste Außendienstmitarbeiter von Social Banking 2.0, Doktor Spar, hat mal wieder seine Geldpraxis verlassen, um sich mit den Gewinnern des ersten Preises in Mainhattan ein paar Minuten in aller Ruhe am Rande der kommunikativen Kulisse im m2Medienmittwoch zu unterhalten.
Ob und wie die Gewinner sich freuen, oder wie die Börsenblogger entstanden sind, und natürlich auch welche neuen Perspektiven in der Finanz- und Medienwelt sich durch derartige Blogformate ergeben könnten, darüber habe ich mit den Machern Christoph Scherbaum (Mitte) und Marc Schmidt nachgedacht. Und los geht’s (sorry für die lauten Hintergrundgeräusche, live ist eben life):
Nun zu meinen persönlichen Eindrücken: Es war keine leichte Arbeit für die Jury, hier einen Kompromiss zwischen alter und neuer Medien- und Finanzwelt zu finden. Zweifellos, es bewegt sich in beiden Welten etwas. Manche hätten gerne andere Blogs vorne gesehen. Beispielhaft etwa das Engagement des Blicklogs, der in seinem jüngsten Beitrag die Stimmungslage in der Finanzblogszene analysiert.
Da ist vieles nachvollziehbar, freilich fehlen eben gerade die ganz großen Überflieger, die mit viel Man und Woman Power hier als Vorreiter fungieren. Einen Blog unmittelbar als Geldquelle zu etablieren, dafür gibt es gerade im übervorsichtigen good old germany noch keine Steilvorlage.
Dennoch entsteht viel Neues, zunächst aus dem Spaß und der Begeisterung heraus. Manche nennen das Selbstausbeutung, man kann es auch positiver sehen. Man muss nicht immer gleich bei neuen Trends die „Scheinfrage“ stellen. Ich habe jedenfalls die Veranstaltung als Jury-Mitglied und bloggender Journalist genossen, oder bin ich doch eher ein journalistischer Blogger, egal, fahren wir fort.
Denn immerhin bekamen hier mit dem Blogaward jene Menschen eine erhöhte Aufmerksamkeit, die sich durch viel Fleiß, Kreativität, manchmal auch Mut, an etwas Neuem versuchen. Und das auch noch in Deutschland, igitt…. darf das denn sein, ohne den Chef um vorherige Erlaubnis zu fragen?
Die Veranstaltung begann mit einer Podiumsdiskussion, an der wir als Jurymitglieder uns eine runde Stunde an der zwiespältigen Frage reiben durften, wie sich die Finanzberichterstattung unter dem Eindruck des Internets und des Web 2.0 möglicherweise verändern wird.
Das Gute daran: Wir da oben auf dem gnädigen Podium waren und sind auch nicht viel schlauer als der Rest der Welt. Es wird sich definitiv etwas verändern, aber inwiefern wir hier so etwas wie mehr „Finanzdemokratie 2.0“ heraufziehen sehen, ein Begriff, den ich in diesem Blog und meinem Buch „Die Bank sind wir“ anhand der neuen internetbasierten Geschäftsmodelle immer wieder skizziert und entwickelt habe, das steht noch in den Sternen.
Fest steht nur: Der Kunde wird mündiger, ein Teil der Geldanleger informierter und kritischer, und dem müssen sowohl die Medien als auch die Banken künftig Rechnung tragen. Ich habe mich jedenfalls gefreut, über einige inspirierende Hintergrundgespräche – und hoffe, dass die Finanzblogosphäre durch derartige Preise (die in diesem Fall nicht nur Schall und Rauch sind) einen kleineren oder gar größeren Kreativitätsschub erhält.
Aber auch die Wirtschaftsmedien sind gefordert, nicht nur mediale Optionsgeschäfte zu tätigen, und sich mit oberflächlich oder gar rein spekulativ interpretierten Wirtschaftsnachrichten nur als „geistiger Leerverkäufer“ zu betätigen. Da gibt es noch viel zu tun, die deutsche Verlags- und Medienbranche sollte sich dem Dialog und neuen Formaten deutlich mutiger öffnen. Wie war das mit dem Kundenkontakt auf Augenhöhe? Beim ARD Börsenblog scheint der Dialog ja schon ganz gut zu klappen.
Und auch in der Wissenschaft bewegt sich etwas jenseits des nach innen gerichteten Expertendiskurses. Grund genug für die Jury, die Ökonomenstimme auszuzeichnen, die an sich schwierige volkswirtschaftliche Themen aus Wirtschaft und Finanzen auf ein neues Dialogformat herunterbricht.
Hallo und Guten Morgen Deutschland um 9 Uhr, die Welt ändert sich, und das birgt auch Chancen. Zitiert doch gute Blogbeiträge mal, so wie es die Süddeutsche Zeitung kürzlich mit Verweis auf Blicklogs Analyse zur Griechenland-Schuldenkrise gemacht hat, und klaut nicht nur deren Ideen… Das Bessere ist der Feind des Mittelmäßigen.
Schade, dass meine Laudatio an den Drittplatzierten Investorsinside nicht mit dem Preisträger und dem Glückwunsch direkt auf der Bühne abgerundet wurde. Aber live ist eben Life, und so gab es keine vorab hinter den Kulissen informierten Gewinner. Hier ist der Text meiner Laudatio für den Drittplatzierten Investorsinside nochmal für alle zum Mitlesen:
Das Weblog richtet sich an eine ambitionierte Leserschaft und besitzt einen breiten Fokus auf die Aktienmärkte. Differenziert und mit hoher Taktfrequenz beleuchtet werden aber auch andere Anlageklassen. Der Autor Lars Röhrig und die Redaktion sparen dabei auch nicht mit persönlichen Einschätzungen und Kommentaren, etwa wenn der Betreiber sich während der nuklearen Katastrophe in Japan scheut, aus diesem Umstand Profit an den Kapitalmärkten zu ziehen. Manche mögen dies als taktisches Ablenkungsmanöver eines Daytraders bezeichnen, oder aber müde als nutzlose Gesinnungsethik belächeln, über die Zukunft der Finanzbranche einmal mehr als ein paar Minuten nachzudenken.
Das hervorragende Nutzerranking bei den Lesern dürfte nicht zuletzt auf den guten Mix zwischen charttechnischer Analyse und persönlicher Färbung zurück zu führen sein. Auch einer mutigen rechtlichen Auseinandersetzung infolge kritischer Berichterstattung ist Investorsinside keineswegs aus dem Weg gegangen, eine für Einzelkämpfer in der Blogosphäre nicht gerade leichte Gratwanderung. Insgesamt ist investorsinside also ein zukunftsweisender Ansatz, der weiter ausbaufähig ist.
Und hier noch einige erste Stimmen zur Medienresonanz des Finanz Blog Awards (wird aktualisiert):
http://blogs.hr-online.de/bestblog/2011/04/14/medienpreis-fur-unseren-borsenblog/
http://www.investorsinside.de/3-preis-des-comdirect-financeblog-award-2011-fur-investors-inside/
http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/110420_finanzblog_Preis/index
[…] Beitrag von Lothar Lochmaier, der in seinem Social Banking Blog Wirtschaftsmedien dazu aufruft öfter aus guten Blogbeiträgen zu zitieren, wie dies zuletzt bei der Süddeutschen Zeitung zum Thema Schuldenkrise in Griechenland getan […]
Mehr Aufmerksamkeit für die deutsche Wirtschaftsblogszene – Nicht kleckern, sondern klotzen! - Neu bei smava, Szene, Aufmerksamkeit, Blogs, Vernetzung, Artikel, Themen, Aktion, Blog, Wirtschaftsblogs - smava.de Blog
April 29, 2011 at 9:45 am
Definitv ein verdienter Sieger meiner Ansicht nach.
Bastian Trog
Juli 5, 2011 at 8:18 am