Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Archive for Dezember 2012

Jahresausklang: Es weihnachtet sehr, aber nicht für alle

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Zum Ausklang des Jahres möchte ich mich zum einen bei meinen Lesern für das rege inhaltliche Interesse an diesem Weblog Social Banking 2.0 bedanken. Insbesondere gilt dies auch für Kommentare, die wertvolle Anregungen für alle Leser beinhalten. Und wie es sich gehört, biete ich statt einer Schönwetterrede eines turbulenten Jahres in Sachen Finanzen und Energie zwei passende Bildmotive.

Das erste Fotomotiv von einer Postkarte zeigt, dass nicht immer derjenige, der die Arbeit macht, auch zwangsläufig …… davon profitieren muss

Diese Aussage gilt selbstverständlich auch für die anhaltende Eurokrise, die uns weiterhin in Atem halten wird, wobei nicht jeder „Berlusconianer“ den Ernst der Lage schon begriffen hat:

In diesem nachdenklichen Sinne wünsche ich allen Lesern von Social Banking 2.0 einen schönen Jahreswechsel – und ein nicht nur in monetären Dingen erfolgreiches neues Jahr 2013!

Lesetipp: Wer direkt vor Ort miterleben möchte, wie die Berliner Hauptstadt ihre alten Gaslampen gegen eine schicke neue LED-Beleuchtung austauscht, der findet auf meiner Stromzähler-Kolumne im Wallstreet Journal einen humorvollen Ausblick auf das Silvesternacht 2012/13:

WSJ Deutschland: Berlin streitet um Erleuchtung

 

Written by lochmaier

Dezember 21, 2012 at 9:20 am

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Wüstenrot: Auf diese Steine können sie nicht bauen

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Im Handelsblatt, das sich kurzfristig zum Verbraucherrschutzorgan für geschädigte Bankkunden entwickelt hat, tobt eine scharfe öffentliche Kontroverse – nein, dieses Mal nicht um die skandalträchtige Deutsche Bank, bei der mancher Chef unbedacht zum Telefon greift. Hier geht es um den ganz alltäglichen Wahnsinn in den deutschen Beraterstuben. Am Beispiel der Bausparkasse Wüstenrot.

Der Vorgang an sich ist nichts Neues: Schon vor Jahren erhielt ich und viele andere Bekannte Schreiben von Bausparkassen, die die Kunden dazu drängten, ihre alten Bausparverträge aufzulösen und in andere mit schlechteren Konditionen umzuschichten. Davon profitiert bekanntlich nur einer: Der Anbieter und nicht der Kunde. Einige dieser nicht ganz so netten Schreiben habe ich noch heute in meinem Archiv und werde sie zu gegebener Zeit noch auf diesem Blog publizieren.

Wer mehr zum Hintergrund der aktuellen Kontroverse erfahren möchte, dem seien diese Artikel empfohlen:

HB: Bausparen bei Wüstenrot: „Das ist Kundenverrat“

HB: Das ist der Gipfel der Verlogenheit

HB: Was der Verbraucherschützer Sparern rät

HB: Häuslebauer – Gefangen in der Zinsfalle

Fazit: Einerseits ist klar, wer zu einem Zeitpunkt X einen Bausparvertrag abschließt, muss sich über die Konsequenzen der Konditionen im Klaren sein, wenn er sich fixiert. Dass die Bausparkasse kein Interesse daran hat, hier hohe Sondertilgungen einzuräumen, die den Gewinn schmälert, ist auch offensichtlich.

Man kann den Kunden hier ebenso wenig aus der Verantwortung entlassen wie die Bank. Zum anderen aber liegt das ganze Ausmaß der Kundenirreführung seit Jahren auf dem Tisch. Nur ändern wird sich daran wenig, ob mit oder ohne staatlicher Regulierung.

Deshalb setze ich auf alternative Finanzkonzepte, die deutlich stärker von den Kunden her mitgestaltet sind, mit klar nachvollziehbaren Kriterien und Abläufen. Manche werden sagen, „Social Banking“ ist ein Widerspruch in sich, mag sein.

Aber trotzdem werden sich hier, vom gesellschaftlichen und technologischen Wandel in den kommenden Jahren unterstützt, zarte Pflänzchen heraus bilden, die zeigen, dass es neben der Abzocke der Massen auch Raum für nachhaltigere Finanzmodelle gibt. Denn einige Kunden und vereinzelt sogar „Finanzberater“ sind schlicht nicht mehr bereit, das alte Spiel mitzuspielen.   


 

Written by lochmaier

Dezember 19, 2012 at 11:07 am

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Next Generation Finance: Abweichung von der Norm wird Norm

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Deutlich wird der neue Flaschengeist am neuen Werbespot einer dänischen Bank. Die Danske Bank greift darin in provokanter Form auch auf  Bilder von Occupy Wallstreet zurück. Dabei hat der Protest gegen die Banken längst seinen Schrecken verloren. Denn auch die Finanzspezialisten selbst schauen sich nach Alternativen um.

Wer sich über „Finanzdienstleister der nächsten Generation und die neue digitale Macht des Kunden“ einen Überblick verschaffen möchte, dem sei das im Januar im Frankfurt School Verlag erscheinende gleichnamige Buch empfohlen:

Finanzdienstleister der nächsten Generation
Die neue digitale Macht der Kunden
 

Es enthält vielschichtige Aufsätze von unterschiedlichen Autoren, unter anderem auch den folgenden Beitrag aus meiner Feder:

Bankstrategie: Wie viel Social Media braucht die Bank?
Lothar Lochmaier

Nun aber zurück zur Überschrift. Passend zum Thema hier zunächst der umstrittene Werbespot der Danske Bank „A new normal demands new standards“:

Und hier erklärt die Bank auf ihrer Webseite die neue Innovationsstrategie:

„The strategy is intended to restore trust in the Bank and ensure that we live up to our new vision of being „Recognised as the most trusted financial partner“. In order to reach that objective, we must set new standards for banking operations.“

Hm, das klingt reichlich allgemein. Könnte ja jeder behaupten, sich seit der Finanzkrise vom Saulus zum Paulus gewandelt zu haben. Anschließend bricht die Danske Bank ihr neues Leitbild auf vier Eckpfeiler in der Unternehmensphilosophie herunter:

Erstens: Advisory Services & Solutions

Zweitens: Transparency and Financial strength

Drittens: Responsibility

Viertens: Customer Interaction

Ich beschränke mich hier in der Blitzdiagnose auf Punkt vier, die ersten drei waren früher sowieso einmal für das Bankgeschäft der Standard. Es lässt tief blicken, dass man mit Begriffen wie Kundenorientierung, verantwortlichem Handeln und Transparenz überhaupt aktiv Werbung betreiben muss.

Was mich stört an der „Kundeninteraktion“ ist folgender Punkt:

Der Begriff wird gleichgesetzt mit den schönen neuen bunten Möglichkeiten der Kommunikation: Customer interaction = Mobile Banking via Smartphone, nachzulesen sind die neuen Standards hier

Ein bisschen Daddeln am iPad und ein paar hübsche Werkzeuge für das persönliche Finanzmanagement sind keine Bankrevolution. Erst wenn die Bank vom Kunden und von der Gesellschaft her aktiv gestaltet wird, kann hier von einer wirklich durchgreifenden Innovation gesprochen werden. 

Dennoch ist der Werbespot eine Art Vorbote für eine neue Bilanzrechnung im Bankwesen. Der Auftritt der Danske Bank ähnelt von der neuen Marschrichtung her demjenigen der Commerzbank. Leider hinkt die Realität dem frommen Wunsch noch deutlich hinterher, wie mein Offener Brief an Lena Kuske, Filialdirektorin der Commerzbank in Hamburg gezeigt hat.

Mein Brief stieß übrigens auf eine hohe Leserzahl und große Resonanz, auch hinter den Kulissen. Der Haken: Leider warte ich heute noch auf eine Antwort von Lena Kuske.

Fazit: Wer sich selbst und sein Image anhand von provokanten Werbeauftritten neu inszeniert, sollte auch hinterher den aktiven Dialog mit der Öffenlichkeit suchen und aufnehmen. Ansonsten bleibt alles alter Wein in neuen Schläuchen, den man lieber im Kellerregal stehen lässt.

Das aber wird so nicht bleiben, denn die besten Bankmitarbeiter wenden sich künftig ohnehin jenen Jobs zu, die spannender sind, weil sie Zukunft des Bankwesens aus Kundensicht mitgestalten. Oder um es mit den Worten der Danske Bank zu sagen:

A new normal demands new standards. 

Allerdings wird weder „das Alte“ komplett verschwinden, noch ist alles Neue gleich automatisch allein seligmachend. Das Beste liegt wie so oft im Leben zwischen der Schwarz-Weiß-Malerei. 

Als kleinen Weckruf dazu empfehle ich zwei Links:

Finews: Jacob Rothschild steigt bei Peer-to-Peer-Firma ein

Deutsche Wirtschafts-Nachrichten: Rothschild verliert den Glauben an die Banken

Written by lochmaier

Dezember 16, 2012 at 10:34 am

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Bürgerkredit 2.0 (Teil II): Interview mit leihdeinerstadtgeld

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Was leistet Crowdfunding für die Kommune? Darüber habe ich mit  Jamal El Mallouki gesprochen, Geschäftsführender Gesellschafter der LeihDeinerStadt Geld GmbH, einem Online-Portal, das sich die „verbraucherorientierte Information“ zu diesem neuen Geschäftszweig auf die Fahnen geschrieben hat.

Social Banking 2.0: Was können derartige Plattformen im lokalen bzw. genauer kommunalen Sektor angesichts oftmals klammer Finanzkassen denn leisten, was nicht?

Jamal El Mallouki: Crowdfunding-Plattformen für Kommunen können die Vorteile des Internets nutzen, um der breiten Öffentlichkeit einen neuen Zugang zu bürgerschaftlichem Engagement zu ermöglichen. Durch eine plakative und gleichzeitig umfängliche Darstellung einzelner Projekte im Internet, wird den Menschen nicht nur die Unterstützung vereinfacht. Durch die unmittelbar entstehende Transparenz entwickeln die Bürger auch ein Kostenbewusstsein für die Aufgaben einer Kommune und fördert einen konstruktiven Dialog zwischen Stadtführung und Bürgern.

Fraglich ist, ob Crowdfunding-Plattformen allein den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über die eine stärkere Einbringung des einzelnen Bürgers und der Übertragung kommunaler (freiwilliger) Aufgaben an die Bürger einleiten können. Dieser ist jedoch angesichts der demografischen Strukturen unerlässlich.

Welches Konzept verfolgt „LeihDeinerStadtGeld“ gerade mit Blick auf kommunale Bezüge und die Gemeinden, sind Projekte dazu bereits am Laufen und/oder geplant?

Ziel von LeihDeinerStadtGeld ist es die Bürger als Gläubiger der Gemeinden stärker für kommunale Themen zu interessieren. So haben wir es rechtlich und technisch ermöglicht, dass Bürger Kommunen Geld zu vorher vereinbarten Konditionen leihen können.

Uns ist wichtig, dass die Menschen sehen können, wie viel der Bau des Kindergartens um die Ecke kostet, wie hoch der monetäre Aufwand für die Renovierung der Schule vor Ort ist oder wie viel in eine moderne Ausrüstung der freiwilligen Feuerwehr investiert werden muss. Nur wenn wir als Bürger ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein entwickeln, können wir Finanzentscheidungen in der Kommune treffen bzw. nachvollziehen. Der Bürgerkredit dient so auch als plakatives Informationswerkzeug einer Gemeinde.

Eine Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerkrediten darf für die durchführende Kommune wirtschaftlich jedoch keinen Nachteil zu vergleichbaren Bankkrediten und administrativ keine zusätzlichen Personalressourcen bedeutet. Nur wenn dies beachtet wird, kann man die Verwaltung in die Pflicht nehmen, den Weg des Bürgerkredits auch zu beschreiten.

Unser Pilotprojekt in Oestrich-Winkel, bei dem die Anschaffung von Funkgeräten der Feuerwehr finanziert werden soll, zeigt, dass die Bürger bereit sind in ihre und andere Kommunen zu investieren, wenn ihnen das passende Werkzeug zur Verfügung steht. Das hat nun auch andere Bürgermeister und Kämmerer auf den Plan gerufen, die den Bürgerkredit nutzen wollen.

Welche Kooperationsformen mit kommunalen Partner versprechen Erfolg?

Eine Frage, deren Antwort noch erst gefunden werden muss. Unserer Erfahrung nach, ist eine wichtige Voraussetzung, dass der Kapital- und Ressourceneinsatz der Kommune, zumindest anfänglich, so gering wie möglich sein muss, um ein neuartiges Finanzierungskonzept etablieren zu können.

Wie muss eine seriöse Plattform agieren, beziehungweise, gibt es denn auch „schwarze Schafe unter den neuen Internetplattformen zum Bürgergeld?

Die Anforderungen an eine seriöse Plattform ist im Grunde ganz einfach: Sie muss transparent, verständlich, nachhaltig und mit der notwendigen Ernsthaftigkeit betrieben werden. LeihDeinerStadtGeld leistet hierbei Pionierarbeit und setzt Maßstäbe, an denen sich zukünftige Wettbewerber messen lassen müssen. Noch gibt es keine schwarzen Schafe, da LeihDeinerStadtGeld weltweit die einzige Bürgerkreditplattform ihrer Art ist.

Bleibt das Phänomen Crowdfunding im kommunalen Sektor eher eine Randerscheinung, oder kann es ein ergänzendes Instrument der Kapitalbeschaffung darstellen? Wenn ja, wie sähe das ideale Modell dazu ggfs. aus?

Crowdfunding in Kommunen steht noch am Anfang. Das liegt nicht zuletzt auch an höheren Eintrittsbarrieren als bei Crowdfunding in anderen Bereichen. So sind Entscheidungswege in der Kommune länger – der notwendige Atem für Plattformbetreiber größer.

Wir haben mit LeihDeinerStadtGeld aber gezeigt, dass Crowdfunding (-lending) im kommunalen Sektor funktionieren kann und tatsächlich eine praktikable Alternative zu konventionellen Bankenfinanzierungen darstellt. Ob Crowdfunding sich im kommunalen Sektor etabliert, ist in erster Linie abhängig davon, ob Bürger und Kommunen diese Alternative für sich entdecken und zu nutzen wissen. Hierbei können und müssen wir durch aktive Aufklärungsarbeit unterstützen.

Natürlich muss man in diesem Zusammenhang auch die unterschiedlichen Definitionen von Crowdfunding (= überwiegend Spenden im Netz) unterscheiden, versus Crowdinvesting und Crowdfinance (= unternehmerische Beteiligungen mit Chancen und Risiken). Was könnte hier der Königsweg oder -die -wege sein?

Ob es einen Königsweg gibt, vermag ich heute noch nicht zu beurteilen. Wir von LeihDeinerStadtGeld fokussieren uns auf ein wirtschaftlich nachhaltiges, bürgernahes Finanzierungsmodell für Kommunen. Das kann eine reine Spendenplattform in Deutschland noch nicht leisten.

Interview: Lothar Lochmaier

Written by lochmaier

Dezember 13, 2012 at 10:22 am

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Desertec: Projekt-Gigantomanie ohne Bürger mit Verfallsdatum

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Die verbindende Stromtrasse aus der nordafrikanischen Wüste nach Europa ist eine der großen Visionen zur Energieversorgung auf Basis der Wind- und Sonnenenergie. Nachdem sich die politischen Verhältnisse in den arabischen Mittelmeerstaaten zu stabilisieren scheinen, nimmt das Großvorhaben der Desertec-Stiftung nun drei Jahre nach seiner Gründung die ersten Modellvorhaben ins Visier.

Das Industriekonsortium sieht vor, in den drei Ländern Marokko, Algerien und Tunesien regenerative Projekte mit insgesamt 2,5 Gigawatt an installierter Kapazität zu realisieren. Doch die Realisierung kommt nicht voran. Jeder Part kocht sein eigenes Süppchen. So verweigert bislang die spanische Regierung ihre Zustimmung. Auch zwei der deutschen Leitfiguren, der Siemens- und Bosch-Konzern, haben angekündigt, sich aus dem Großprojekt zurück ziehen.

Es braucht eine gehörige Portion diplomatisches Geschick, um ein seit Jahren nur auf dem Papier bestehendes Großprojekt der Öffentlichkeit immer wieder aufs Neue als die große Energievision zu verkaufen. Oder wie ein Beobachter die mit Desertec verbundene strategische Herausforderung prägnant so formuliert: Wir brauchen Powerplants statt Powerpoint. Hier zunächst ein Auszug aus der Selbstbeschreibung des industriellen Konsortiums der Desertec-Stiftung:

Das DESERTEC-Konzept zeigt einen Weg um Klimaschutz, Energiesicherheit und Entwicklung zu gewährleisten, indem die energiereichsten Standorte der Welt genutzt werden, um nachhaltigen Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ermöglicht es, diese Standorte zu erschließen. Anders als herkömmliche Wechselstromleitungen, können HGÜ-Leitungen sauberen Strom über weite Distanzen befördern, bei geringen Verlusten von etwa 3 Prozent je 1.000 Kilometer.

Alle Arten der erneuerbaren Energien werden einbezogen, jedoch spielen sonnenreiche Wüsten eine besondere Rolle im DESERTEC-Konzept: Die Wüsten der Erde empfangen in 6 Stunden mehr Energie von der Sonne, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Wüstenstrom aus solarthermischen Kraftwerken ist dank Wärmespeicher Tag und Nacht verfügbar und somit eine ideale Ergänzung für Stromnetze mit fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik.

Da 90 Prozent der Menschen innerhalb einer Entfernung von 3.000 Kilometern zu Wüsten leben, kann DESERTEC nicht nur in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika (EU-MENA) realisiert werden, sondern auch in Subsahara-Afrika, im Süden Afrikas, Amerika, Australien, Indien und ganz Ostasien, wo Verbrauchszentren in der Reichweite geeigneter Wüsten liegen.

Quelle: Desertec-Foundation,www.desertec.org

Vielleicht sagt auch ein Bild mehr als tausend Worte:

Skizze einer möglichen Infrastruktur für eine nachhaltige Stromversorgung in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika (EU-MENA). Bild: Desertec

Blicken wir einmal in die gläserne Kugel, was von dieser Vision am Ende übrig bleibt. Bei einem derart international angelegten Vorhaben wie Desertec dürfe es keine Gewinner und Verlierer geben, betonte Paul van Son, Geschäftsführer der Desertec Foundation zu Beginn der dritten Jahreskonferenz des Zusammenschlusses in Berlin. Doch die ersten Verlierer stehen bereits heute fest. Nicht nur haben die als wichtige Basistechnologie genannten solarthermischen Kraftwerke bislang den Nachweis ihrer Wirtschaftlichkeit und technischen Energieeffizienz noch nicht ausreichend erbringen können.

Mehr dazu auch in meiner regelmäßigen Kolumne Stromzähler auf Wallstreet Journal:

WSJ: Desertec droht in der Wüste zu versanden.

Hier aber die etwas ausführlichere Version: Ungewiss ist in einem reichlich unwägbaren politisch-ökonomischen Umfeld, welche konkreten Projekte sich überhaupt für eine derart hochgesteckte Energievision lohnen. Und wenn sie sich lohnen, dann fragt sich letztlich, wer vor allem davon profitieren wird. Die spanische Regierung und Wirtschaft dürfte jedenfalls nicht zu den Gewinnern gehören, denn sie verweigert bislang ihre Zustimmung. Nicht nur hat diese mit der Bewältigung der eigenen Wirtschaftskrise ganz andere Sorgen.

Hinzu kommen weitere hausgemachte Probleme, wie spanische Überkapazitäten im Bereich der Solarenergie. Zu einer Zustimmung durchringen kann sich bislang auch nicht der spanische Netzbetreiber Red Electrica, der mit der EU-Kommission bereits eine erste Machbarkeitsstudie erstellt hat.

Hinzu kommen die unterschiedlichen Interessen innerhalb der Europäischen Union, die gerade in der Energiefrage einem mehrstimmigen Chor ohne Dirigenten gleicht. Trotzdem sind die Initiatoren von Desertec bemüht, jedes kleine „memorandum of understanding“ als durchschlagenden Fortschritt zu verkaufen. Geplant ist eine Reihe von Referenzprojekten, von denen jedoch eines erst wirklich auf den Weg gebracht scheint. In Marokko soll das erste Photovoltaik- und Windpark-Projekt entstehen. In Angriff nehmen will es der deutsche Stromversorger RWE. Geplant ist eine installierte Leistung von 500 Megawatt in Marokko. Zugute kommen dem heimischen Energieversucher dabei auch staatliche Vergünstigungen für Wind- und Solarprojekte, mit denen denn die Regierung die Schlagzahl beim Ausbau der erneuerbaren Energien erhöht.

 RWE fungiert in Marokko als Vorreiter

Von einer Stromtrasse nach Europa ist übrigens bei diesem Vorhaben nicht die Rede. Das Projekt scheint sich ganz einfach so zu rechnen, auch ohne Desertec, nur dass man es eben jetzt unter diese große Vision eingruppieren kann. RWE setzt dabei nach eigenen Angaben auf ein virtuelles Kraftwerkskonzept, das die Erzeugung von Onshore-Windenergie und der Photovoltaik bündeln soll, um dadurch die Kosten beider Technologien zu reduzieren, lässt dazu RWE Energy verlauten.

Weitere denkbare Zielgebiete für Referenzprojekte liegen in Algerien und Tunesien, diese kommen dort im Gegensatz zu Marokko aber nicht so recht von der Stelle. Macht man sich die Zielrichtung des Projekts deutlich, so wird ersichtlich, warum derartige Großvorhaben die Tendenz haben, nicht unbedingt die richtigen Akteure vor Ort profitieren zu lassen. Zwar unterstützen auch Organisationen wie Greenpeace das Vorhaben prinzipiell, verweist aber auch auf das politische Risiko, dass man in Europa dadurch möglicherweise die eigenen Klimaschutzziele absenkt. Anders ausgedrückt: Desertec darf laut Greenpeace kein Vorwand etwa für deutsche Stromversorger sein, zuhause die Anstrengungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien zurückzufahren, und stattdessen nur viel versprechende Aktivitäten im Ausland zu forcieren.

So verwundert es kaum dass sich auf der 3. Dii Desert Energy Conference Anfang November in Berlin zwar das who-is-who der internationalen Energiebranche versammelt hatte. Man bemühte sich, eine Stimmung von Zweckoptimismus zu verbreiten, angesichts der hochgesteckten aber bislang kaum in Angriff genommenen Zielmarken. Denn die erneuerbaren Energien mit dem Strom aus der nordafrikanischen Wüste sollen bis zum Jahr 2050 immerhin mehr als 90 Prozent zum europäisch-nordafrikanischen Energietransfer beisteuern.

Mit dem Zauberstab zum Wüstenstrom nach Europa

Der Haken: Bislang zeichnet sich jenseits von europäisch-nordafrikanischen Absichtserklärungen keine verbindliche Roadmap für den aufwändigen Neubau von grenzüberschreitenden Stromtrassen ab. Zu unterschiedlich ist das Marktdesign nicht nur bei der Förderung der erneuerbaren Energien ausgelegt. Im Klartext: Wie sollen einzelne Regionen und ganze Staaten bei derart unterschiedlichen Gesetzgebungen einen gemeinsamen Nenner finden. In der afrikanischen Region selbst gefragt sind laut Desertec neben der Windenergie und Photovoltaik vor allem solarthermische Anlagen, deren Wirtschaftlichkeit bislang unter Experten jedoch weiter umstritten ist.

Aus der Industrie sind derzeit 57 Unternehmen an Desertec beteiligt, darunter auch deutsche Global Player. Neben der schwierigen Aufgabe, die Arbeit der Akteure auf internationaler Ebene zu koordinieren, mehren sich kritische Stimmen. So kündigte mit dem Siemens-Konzern zum Jahresende immerhin einer der wichtigsten Sympathieträger den Rückzug aus der Desertec-Initiative an. Begründet wurde dies laut Desertec mit dem Ausstieg aus dem Solargeschäft. Auch andere Industrieunternehmen überdenken angesichts der europäischen Krise in der Solarindustrie ihre geschäftliche Ausrichtung.

Desertec und der „local content“

Parallel dazu stellt sich immer wieder auch die lokale Akzeptanzfrage, wenn etwa neue Stromtrassen über den Kopf der lokalen Regierung hinweg verlegt würden. Schließlich stellt sich bei einem potentiellen Milliardenprojekt auch die Kostenfrage, die nicht nur zu Lasten der Stromverbraucher gelöst werden kann. Kurzum, angesichts von unterschiedlichen Interessen zwischen Wirtschaft und Politik erscheint ein Konsens in einer krakenähnlichen Matrix unwahrscheinlich, also eine verbindliche international ausgerichtete Roadmap, statt nur lose koordinierter regionaler Aktivitäten zwischen den Akteuren.

Derweil hält auch die Suche nach geeigneten Investoren für das Milliardenprojekt weiter an. Im Gespräch sind unter anderem chinesische und amerikanische Unternehmen. Desertec-Vertreter Paul van Son sprach sich in Berlin in diesem Zusammenhang klar für ein marktorientiertes Unterstützungssystem aus, statt flankierenden staatlichen Subventionen.

Dennoch bleibt neben der unklaren politischen Agenda vor allem die Kostenfrage weiter ungelöst. Sprich, auf welche Art und Weise der Strom letztlich über alte oder neue Trassen von Nordafrika nach Europa gelangen soll. Derzeit hakt es vor allem an Spanien, deren Regierung noch kein grünes Licht für eine Beteiligung und potentielle Durchleitung an andere europäische Länder erteilt hat.

Statt der großen Energievision dürfte in den kommenden Jahren bei dem Industriekonsortium Desertec somit eher mit einer Politik der kleinen, bisweilen hilflosen Schritte zu rechnen sein. Oder in diplomatischem Duktus ausgedrückt: Von den neu aufgesetzten Vorhaben beim Wüstenstrom sollen zunächst vor allem die lokalen Akteure in den drei ausgewählten Zielgebieten profitieren. Aber auch diese Aussage kommt nicht mehr als einer politischen Absichtserklärung gleich.

Nach Afrika kommt das „Asia Super Grid“

So darf es den Beobachter einigermaßen verwundern, dass die Initiative schon die nächste große Energievision in Asien an die Wand malt, obwohl der ursprüngliche Plan, eine verlässliche Energieachse zwischen Europa und Nordafrika auf Basis von erneuerbaren Ressourcen zu etablieren, noch nicht einmal ansatzweise in trockenen Tüchern scheint. Trotzdem holt die Desertec-Stiftung zum nächsten verbalen Rundumschlag im Post-Fukushima-Zeitalter aus. Darin sprechen sich die Desertec-Initiatoren und die Japan Renewable Energy Foundation (JREF) für ein asiatisches Super-Stromnetz aus. Es soll nichts weniger als die Vollversorgung Asiens mit erneuerbaren Energien ermöglichen.

Dazu nahm Ende Oktober die vom Milliardär und JREF-Gründer Masayoshi Son geleitete japanische Softbank Corporation den ersten Schritt zur Umsetzung dieses „Asia Super Grids“ in Angriff. Im leicht abgewandelten Verlautbarungsjournalismus liest sich diese Ankündigung wie folgt: Die geschäftliche Energiesparte der japanischen Softbank will bis Ende des Jahres zusammen mit der mongolischen Newcom LLC einen Windkraftstandort in der Gobi-Wüste identifizieren.

Der erste Windpark mit einer Leistung von 300 Megawatt soll zumindest vor unserem geistigen Auge bereits 2014 den Betrieb aufnehmen. Das Motto lautet, Präsentieren ist alles. Weitere Windparks werden zumindest auf attraktiven Powerpoint-Folien folgen. Insgesamt könnten so in den nächsten Jahren Windparks mit einer Gesamtleistung von 7000 Megawatt im mongolischen Teil der Gobi-Wüste in Betrieb gehen.

Dass regionale Projekte für Wind- und Solaranlagen nach genauer Prüfung der jeweiligen Standorte aussichtsreich sein können, mag kaum ein Experte bestreiten. Im Jahre 2050 soll uns aber eine blühende neue Industrielandschaft erwarten, aus dem vereinigten Königreich der erneuerbaren Energien. Denn es geht bei Desertec der Marke Asien um nichts weniger, als die großen regenerativen Naturreservoirs in den entlegenen Gebieten Asiens wie der Gobi-Wüste für die Stromproduktion in den Ballungszentren der ganzen Region nutzbar zu machen.

Ein Asia Super Grid, das mag für manchen jedoch als ein zu starker Zaubertrank von Harry Potter aus dem Reich der Phantasie erscheinen, wo alles möglich scheint. Wie soll das geschehen? Ganz einfach: Das von der Desertec-Stiftung und der japanischen Renewable Energy Foundation JREF unterstützte „Asia Super Grid“ sieht nichts weniger als eine Vernetzung der nationalen Stromnetze zwischen Japan, Korea, China, der Mongolei und Russland vor.

Um dieses Asia Super Grid zur Wirklichkeit werden zu lassen, reichen übrigens diverse verlustarme Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen völlig aus. Das technisch, politisch und wirtschaftlich Kleingedruckte lassen wir außen vor. Etwa dass es derzeit unter anderem ein „kleines“ politisch-atmosphärisches Problem zwischen der japanischen und chinesischen Regierung in Grenzfragen geben soll. Denn schließlich möchten wir die große Energievision von Desertec I und II nicht durch die Kraft der negativen Gedanken vorzeitig gefährden.

Mein Lösungsvorschlag lautet deshalb: Statt protziger industrieller Gigantomanie ohne Bürgerbeteiligung, die spätestens seit nach der Finanzkrise nicht mehr in die Zeit passt, plädiere ich für ein Desertec 0,5 von dem vor allem die Menschen in der Region selbst profitieren. Dann wäre der wichtigste Schritt zu einem realistischen Desertec-Fahrplan getan. Hält man aber weiter an der großen und vor allem exzessiv teuren Vision fest, dann könnte diese am Ende ganz im Wüstensand stecken bleiben.

Written by lochmaier

Dezember 11, 2012 at 8:18 am

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Bürgerkredit 2.0: Kommunen nutzen Crowdfunding als Finanzinstrument

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Warum nicht im Internet eine Spende für ein bestimmtes Projekt einsammeln oder neue Kapitalgeber finden. Was in netz affinen Kreisen schon zum guten Ton gehört, das etabliert sich mittlerweile auch im kommunalen Sektor. Mit von der Partie ist etwa die Stadt Dresden mit der Initiative dresden-durchstarter.de. Zudem haben sich Informationsportale wie leihdeinerstadtgeld und buergerkredit.de gegründet.

Rund 300.000 Euro fehlten der westdeutschen Kommune Bergneustadt und dem örtlichen Freibad, um die eigene Zukunft zu sichern. Dann kam angesichts von Sparzwang und Nothaushalt die rettende Idee, um den Verlust eines weiteren Stückchens Lebensqualität vor Ort zu verhindern. Als Lösungsweg entschied man sich für das Crowdfunding: Möglichst viele Menschen verbinden sich gemeinsam im Netz, um ein bestimmtes Vorhaben zu finanzieren.

Neben den unmittelbar durch einzelne Kommunen gestarteten Vorhaben etablieren sich derzeit auch neue Community-Plattformen für „Bürgerkredite“, wie buergerkredit.de und leihdeinerstadtgeld.de. Sie bieten ihre Dienste auch dem kommunalen Sektor an.

Was das konkret für die „Finanzchefs“ in den Kommunen bedeutet, und wie sie das sensible Thema der Bürgerkredite am besten angehen, beleuchte ich in meiner aktuellen Kolumne:

 CFO World: Bürger helfen klammen Kommunen 

„Crowdfunding-Plattformen für Kommunen können die Vorteile des Internets nutzen, um der breiten Öffentlichkeit einen neuen Zugang zu bürgerschaftlichem Engagement zu ermöglichen“, gibt dazu Jamal El Mallouki zu bedenken, Geschäftsführender Gesellschafter der LeihDeinerStadt Geld GmbH.

Die ersten Gehversuche machen Mut: Im Herbst gelang es, den ersten Bürgerkredit über die Online-Plattform vorzeitig zu finanzieren. Als landesweit erste Kommune kam so für die Stadt Östrich-Winkel ein erster Teilbetrag von 83.200 Euro zusammen. Das Geld dient der Freiwilligen Feuerwehr dazu, digitale Funkgeräte anzuschaffen.

Die Rendite für den Bürgerinvestor steht dabei übrigens eindeutig nicht im Vordergrund. So erhalten die Privatinvestoren aus dem gesamten Bundesgebiet für das Darlehen bei einer sechsjährigen Laufzeit nur eine Verzinsung von 0,76 Prozent.

Sogar Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel stellt sich als Schirmherr derartigen Projekten zur Verfügung. Ob sein Parteikollege Peer Steinbrück auch noch mitmacht? So könnte er wenigstens etwas von seinem üppigen Rednerhonoraren spenden. Das Crowdfunding auch jenseits rauschender Promitreffs bei den Stadtwerken Bochum & Co. kann also nicht nur Teufelswerk sein.

Mehr über die Zukunftsperspektiven des „Bürgerkredits 2.0“ erfahren Sie demnächst im zweiten Teil dieser kleinen Serie, einem Interview mit Jamal El Mallouki, Geschäftsführender Gesellschafter der LeihDeinerStadt Geld GmbH.

Written by lochmaier

Dezember 7, 2012 at 8:11 am

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