Archive for August 2011
Interview: Deutsche Bank sucht nach dem Social Media Drive
In früheren Beiträgen hatte ich schon über den Social Media Ansatz der Deutschen Bank berichtet, so auch über Drive DB. Bislang fiel das Institut jedoch eher durch eine idealtypisch von der „Top-down-Philosophie“ geprägte Haltung eines Konzerns gegenüber den sozialen Netzwerken auf. Man nutzt sie, man ist dabei, aber alles wirkt etwas glattpoliert und somit abgehoben vom „wirklichen Leben“ (z.B. die Imagevideos auf Youtube).
Zudem spricht der Global Player selten über seine Social-Media-Aktivitäten. man beobachtet alles und jeden (Social Media Monitoring hält den Stab und die Budgets in Trab), hält sich aber in der direkten Kommunikation sehr zurück, ja-ja, die Compliance bei börsennotierten Gesellschaften (Reden ist gerade bei einem Marktführer nur Silber…).
Zwischenbilanz: Prinzipiell ist man somit zwar auf allen wichtigen Kanälen – ob Facebook, Twitter oder YouTube – präsent. Eine Social Media Unit, die die Kanäle zentral verwaltet, ist im Aufbau. Konkretere Aktivitäten über die dort derzeit praktizierte recht straffe Standardkommunikation hinaus sind aber wohl erst im kommenden Jahr zu erwarten.
Und bis der Kunde selbst gar mit ans Regiepult darf, dazu wird wohl noch eine längere Zeitspanne vergehen. Kann und darf der das überhaupt? Es reicht ja aus, wenn der Marktführer als „late adopter“ in das neue interaktive Bankenuniversum auf Augenhöhe einsteigt.
Und: Ein CSR-Bericht auf dem iPad ist sicherlich nicht der letzte Schlüssel zu dieser neuen Welt, wenngleich das soziale und ökologische Engagement des Instituts hier nicht kritisiert werden soll. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, insbesondere wenn man etwa beim Private Banking einen Blick auf die Provisionstabellen in der Produktgestaltung wirft.
Dazu ein praxisorientierter Hinweis, den ich selbst durch Testberatungen unter anderem im Bereich Private Wealth Management bei der Deutschen Bank persönlich erhärten konnte: Der virtuelle Depotwert wäre heute, vom damaligen Ausgangspunkt meiner Erstberatung kurz nach der Finanzkrise aus gesehen, nur noch halb so hoch.
Hier liegen – gerade angesichts der Aktienfonds-Performance der letzten 10 Jahre – klare Asymmetrien zwischen Kunde und Bank vor. Kein Einzelfall. Sprich: Die Interessen sind mehr denn je völlig unterschiedlich gelagert (hat schon mal jemand die mittel- bis langfristige Performance von immer wieder preisgekrönten DWS-Fonds durchgerechnet, einschließlich aller Kosten?).
Nun aber zum eigentlichen Thema. Man kann das Glas beim Social Media Drive der Deutschen Bank jenseits der quantitativen Anzahl an Nachfolgern als ein Drittel voll oder leer sehen. Je nach Blickwinkel. Fakt ist: Einer der ersten „Social Media Horchposten“ in die interaktive Kundenbeziehung hinein ist auch im Business-to-Business durch eine intensivere Testphase hindurch gegangen.
„Disintermediation is well under way, and will happen very quickly“, sagt Daniel Marovitz, Head of Product Management im Bereich Global Transaction Banking bei der Deutschen Bank. Tolles Zitat, oder? – Aber Vorsicht mit raschen Schlußfolgerungen: Denn Disintermediation bedeutet nicht automatisch ein „disruptives Bankenmodell“. Es bedeutet z.B. „Einlagenumschichtung“, fragt sich bloß, durch wen und wohin? Nun ja, vermutlich in Richtung attraktiver elektronischer Business-Marktplätze, deren konkrete Gestalt freilich erst in Ansätzen erkennbar ist.
Interessant: Nicht unbedingt nur vom vermeintlichen Headquarter in Frankfurt aus werden derartige Entwicklungen zentralistisch vorwärts getrieben (man möge mir meine deutschfeindlichen Umtriebe verzeihen), sondern von Großbritannien, den USA und anderen Schauplätzen entstehen eigene Biotope und Konzepte. Also geographisch von jenen Plätzen aus, wo man sich mutiger oder marketingorientierter gibt (oder zumindest aufgrund der etwas „spiel- und experimentierfreudigeren“ Unternehmenskulturen sein darf) als hierzulande.
Nichts ist in Deutschland so schlimm wie der gefühlte Kontrollverlust, während man in anderen Kulturen längst realisiert hat, dass das Leben sich dynamisch und vielfältig entwickelt. Erst recht im jetzt von der „finanziellen Basisdemokratie“ im Netz bedrohten Hierarchiegefälle. Gerade in Großorganisationen mit einer komplexen Entscheidermatrix geht bekanntlich so manch gute Idee im nerven aufreibenden Feintuning verlustig.
Das wäre jedoch schade. Insofern hoffen wir, dass die Energie fließt bei der größten deutschen Bank, nicht nur die Zahlenströme aufs eigene Konto. Unter dem gleich folgenden Link gibt es zur Einstimmung ins Interview zunächst ein (etwas marketinglastiges) Video der Deutschen Bank zum Projekt Drive DB.
Im Interview mit Social Banking 2.0 bilanziert nun Deutsche Bank Managerin Helena Forest das Projekt „Drive DB“, bei dem Spezialisten über drei Monate hinweg (ein relativ kurzer Zeitraum) via Webplattform gemeinsam mit den Business-Kunden an den Produkten und der Prozessoptimierung gefeilt haben.
Die Zielgruppe war hier also nicht der Privatkunde, sondern eine selektive Gruppe aus dem Unternehmenskundengeschäft. Also – Bühne frei für das erste kleine Pflänzchen à la Drive Social DB. Die passende Ausgangsfrage dazu wäre diese hier: Wie weit reicht Crowdsourcing in die Finanzbranche hinein?
Social Banking 2.0: Warum führt Ihr Haus „Drive DB“ im Transaction Banking und damit ein Crowdsourcing-Element ein, bei dem Kunden produktiv in die Wertschöpfungskette eingebunden sind?
Helena Forest: Es war uns wichtig, Transparenz rund um unsere Produktentwicklung zu schaffen und unsere Kunden so früh wie möglich in die Diskussionen und Entscheidungen einzubeziehen. Daher haben wir in einem dreimonatigen Pilotprojekt erstmalig Social-Media-Techniken auf einer speziell dafür eingerichteten Webplattform eingesetzt. Diese Maßnahme wird flankiert durch gezielte Workshops und einen kontinuierlich engen Dialog im Tagesgeschäft rund um Produkt und Servicethemen. Wir betrachten daher Social Media als einen zusätzlichen und sehr nützlichen Kommunikationskanal, den wir über den Zeitraum des Drive-DB-Projektes unseren Kunden rund um die Uhr zur Verfügung stellen konnten.
Social Banking 2.0: Welche Kernelemente kennzeichnen dieses internetbasierte System – etwa im Vergleich zu einem klassischen betrieblichen Vorschlagwesen?
Forest: Es war eine gezielte Zusammenarbeit zwischen dem Bereich Global Transaction Banking der Deutschen Bank und seinen Kunden, die sich speziell auf das Thema Entwicklung von neuen Produkten richtete. Insofern hatten wir eine geschlossene Community. Alle neuen Produktideen wurden innerhalb der Drive-DB-Community offen ausdiskutiert und bewertet. Jeder einzelne Teilnehmer hatte Stimmrechte, die er für beliebige Vorschläge abgeben konnte.
Social Banking 2.0: Wie sehen die bisherigen Erfahrungen aus? Wo haben sich punktuelle Vorteile ergeben, wo nicht, sprich, welche Elemente sind IT-seitig und strategisch nützlich, welche sind eher verzichtbar?
Forest: Unsere Erfahrung mit Social Media Technologie ist bis jetzt positiv, da wir innerhalb einer sehr kurzen Zeit viele Mitglieder gewinnen und konstruktives und quantitatives Feedback bezüglich unserer Produkte und Serviceleistungen sammeln konnten. Wir nehmen jeden Beitrag unserer Kunden und Mitarbeiter sehr ernst und werden die Ergebnisse dieser Kampagne natürlich in unsere Investitionsentscheidungen einfließen lassen.
Social Banking 2.0: Werden alle Ideen ungefiltert veröffentlicht und in das kollaborative System eingespeist, oder gibt es einen „Gatekeeper“, der die Inhalte zentral steuert und „kontrolliert“?
Forest: Alle Produktideen und Kommentare wurden innerhalb der Community veröffentlicht, jedoch wurden sie aus rechtlichen Gründen vorher auf missbräuchlichen Inhalt gescannt. Uns ging es darum, Informationen auszutauschen und nicht streng zu kontrollieren.
Social Banking 2.0: Wie profitiert die Bank und der Kunde gleichermaßen, auch mit Blick auf die „Entlohnung“ des Kunden, wenn er produktive und umsetzbare Ideen mit einbringt?
Forest: Jeder Beitrag unserer Kunden wird sehr geschätzt und ernst genommen, uanbhängig davon, ob dieser durch einen Social Media Kanal bei uns eintrifft oder durch persönliche Gespräche mit unseren Mitarbeitern entsteht. Unser Ziel ist es, den Kunden genau die Produkte und Serviceleistungen zu liefern, die sie brauchen. Deshalb haben die Kunden die Möglichkeit unsere Produktentwicklung direkt zu beeinflussen. Frei nach dem Motto: „GTB designed by you“.
Social Banking 2.0: Wie könnte sich die Plattform Drive DB weiter entwickeln, sollen auch andere Geschäftsbereiche und Regionen davon profitieren, und wenn ja wie?
Forest: Unsere Herbstkampagne umfasste Kunden und Mitarbeiter aus Europa, USA und Asien. Es gibt viele Ideen und Vorschläge wie die Plattform weiter verwendet kann; diese werden im Moment noch diskutiert.
Social Banking 2.0: Wie können andere Unternehmen vom Crowdsourcing profitieren, gibt es hier aus Sicht von Deutsche Bank eine Art Fußabdruck in der strategischen Umsetzung, der sich quasi branchenunabhängig für größere Unternehmen wie ebenso für mittelständische Betriebe heraus filtern lässt?
Sicherlich gibt es für Unternehmen vielfache Einsatzmöglichkeiten für Web 2.0 Technologien. Social Media ist jetzt schon kaum mehr aus dem Privatleben wegzudenken. Daher ist anzunehmen, dass dies künftig auch ein fester Bestandteil im Geschäftsleben wird. Uns ging es darum, die Kooperation mit unseren Kunden zu verstärken und sie in die internen Prozesse einzubeziehen. Vor allem wenn es um das Produkt und Serviceleistungsangebot geht sowie die individuelle „User Experience“, sollte der Kunde unserer Meinung nach mitreden und mitentscheiden können. Jedes Unternehmen, das von Crowdsourcing profitieren möchte, sollte dies sorgfältig planen und präzise ausführen. So minimieren sich auch das Kostenrisiko und Fehlschläge, die einem die Community nur schwer verzeihen wird. Letztendlich bestimmt der Kunde, ob und welchen Kommunikationsweg er nutzen möchte – das Unternehmen kann hier nur Wünsche äußern.
Interview: Lothar Lochmaier
Fazit: Wir sind gespannt, ob derartige Initiativen nur ein Strohfeuer im allgemeinen Abnicken von standardisierten Social Media Hypes darstellen, oder der Beginn von etwas tatsächlich Neuem darstellen. Man merke: Für die Menschen sind soziale Netzwerke nur ein kleiner Schritt, für Unternehmen bedeuten sie – hier ist die Deutsche Bank sicherlich keine Ausnahme – noch eine unkalkulierbare Reise zum Mond.
Käme hier ein individuelles Erscheinungsbild in der Kundenkommunikation jenseits von polierten Glasfassaden zustande, dann wäre das eine Leistung aus echter Leidenschaft. Lassen wir die Energie doch wechselseitig fließen, beam us Peanuts up, Deutsche Bank!
Social Media@Versicherung: Zwischen Vertriebskanal und Community-Modell
Es könnte ein Gerichtsurteil mit Signalwirkung sein, über das Spiegel online und andere gestern informierten: Große Teile von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen des Allianz-Konzerns seien nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart intransparent – und somit unwirksam. Es geht dabei um zu geringe Rückkaufswerte und zu Unrecht einbehaltene Stornoabzüge, die die Allianz Lebensversicherungs-AG vom 1. Juli 2001 bis Ende 2007 verwendet hat.
Wir bilanzieren: Nicht jeder verändert sich freiwillig zum Besseren. Schaut man sich passend dazu die im Netz präsenten Kunden-Portale und Unternehmensblogs deutscher Versicherungen an, so merkt man bislang wenig vom Geist des Wandels. Meist handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen, modisch verpackt. Beispiele sind etwa das Ideenforum der Cosmosdirekt oder die Kundenwerkstatt von Ergo, über die ich auf diesem Blog aus gutem Grund bereits mehrfach berichtet habe.
Kurzum: Bislang ist Transparenz wohl kaum ein Eckpfeiler in der Unternehmensphilosophie von Versicherungen. Das verwundert aber nicht weiters, sind doch drei von vier Versicherungen für den Kunden völlig überflüssig – und nützen vor allem nur der einen Seite.
Da stellt sich die Frage: Warum sollte eine vor allem an der eigenen Rendite bzw. der hohen Abschlussprovision orientierte Versicherungsindustrie hier gerade Transparenz schaffen wollen? Für mich ist Partizipation in der Produktgestaltung das zentrale Argument. Transparenz ist ein weitgehend unkritisch übernommener Begriff von geringer Aussagekraft.
Derartige Portale sind im Sinne einer offeneren und direkteren Kommunikation sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber wohl gemerkt, es geht hier möglicherweise auch um den Verzicht von Gewinn und Marge, wenn offen gelegt wird, welches wirklich die Gründe sind, warum der Kunde gerade dieses oder jenes Produkt kaufen soll.
Aber: Den Kunden einfach reden zu lassen oder ihm ein paar Zuckerhäppchen fürs Mitmachen hinzuwerfen, ohne etwas ändern zu müssen, reicht definitiv nicht aus. Das ist kein Social Media Konzept.
Der RUV-Blog ist sicherlich ein Beispiel, dass der Dialog auf lebendige Art und Weise funktionieren könnte. Aber auch das ist deutlich ausbaufähig, wenn es um die Produkte geht. Ergo ist derzeit sicherlich ein Sonderfall in der Geschichte. Denn man kann ja fast zynisch auch argumentieren, dass trotz der negativen Presseberichte und dem teils unprofessionellen Krisenmanagements kaum Kunden abgewandert sind. Offenbar halten die Kunden auch Unternehmen die Stange, die sie nicht wirklich mögen.
Aber Vorsicht vor allzu simplen Rückschlüssen: Die zwiespältige Kundenloyalität fällt gerade bei den Versicherungen nicht besonders schwer, denn die Verträge sind ja meist langfristig und beinhalten kaum Ausstiegsklauseln. Insofern ist der Kunde hier ziemlich gebunden, wenn nicht sogar gefesselt an den Anbieter. Jeder Aus- oder Umstieg aus einem Versicherungsvertrag ist für den Kunden mit extrem hohen Kosten verbunden.
Es gibt übrigens kaum flexible Produktmodelle, die den gesellschaftlichen Paradigmen- und Wertewandel zugunsten des Kunden abbilden. Hier kann Social Media aber nur einen Beitrag leisten, wenn der Anbieter genau das tut, nämlich Produkte, die einem nicht nur ein perfektes Sicherheitsgefühl vorgaukeln, sondern tatsächlich einen planbaren Horizont eröffnen, der auch flexible Wechselmöglichkeiten einschließt, um sich besser an neue Trends anpassen zu können. Die Welt ist volatil geworden und die Versicherungen tun immer noch so, als ob man alle Risiken in ein Rundum-Sorglos-Paket verpacken könnte.
Warum Social Media ein zweischneidiges Schwert ist
Die Unternehmen aus der Versicherungsbranche sehen Social Media tatsächlich eher als verlängerten Vertriebs- und Marketingkanal. Man kann Fans auch durch Geschenke kaufen, das ist aber längerfristig betrachtet weder eine gute Einstellung, noch bringt das einen konkreten Mehrwert. Wieweit Web 2.0-basierte Portale tatsächlich an der Produktgestaltung etwas ändern, bzw. inwieweit die Kunden diese mit beeinflussen, das steht freilich noch in den Sternen.
Das wäre deutlich mehr als nur passive Stimmungsbarometer anzulegen, um auszuspionieren, wie man die Webcommunity am besten auf seine Seite ziehen kann. Dafür müsste sich zunächst die Chefetage ernsthaft interessieren, um die Geschäftsphilosophie tatsächlich neu zu justieren.
Was Tools für das Benchmarking angeht, so stehen wir jenseits von Kaffeeleserei und bunten hübschen, aber kaum aussagekräftigen Social Media Kennzahlen, erst am Anfang der Entwicklung. Fazit: In erster Linie genutzt wird Social Media zum passiven Trendmonitoring, statt zu einer vollständig integrierten Öffentlichkeitsarbeit 2.0, die freilich ein Umdenken ganz oben voraussetzt.
Es gibt provokant ausgedrückt keinen Nachholbedarf, wenn man überwiegend eine aufgeblähte Produktpalette mit zu hohen Kosten hat, die so keiner braucht. Deshalb gilt die unausgesprochene Branchenformel: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Blicken wir dennoch auf das andere Ufer, auf das aber kaum ein Anbieter übersetzen will. Dadurch vergibt man sich die einmalige Chance, bestimmte attraktive Zielgruppen auf intelligente Art und Weise anzusprechen. Und zwar auf Augenhöhe, indem man diesen nicht nur einen künstlichen Bedarf und ein letztlich unerreichbares Sicherheitsniveau einflüstert, sondern tatsächlich Lösungen für ein bestimmtes reales Problem anbietet.
Da könnten spezielle Social Media Kampagnen, so sie denn kreativ wie ein gutes Filmdrehbuch mitten aus dem Leben umgesetzt sind, durchaus einen Lösungsbeitrag leisten. Mit plakativen Gewinnspielen ist ein optimaler Auftritt in den sozialen Netzwerken jedenfalls nicht zu erreichen.
Gehört die Zukunft der Peer-to-Peer-Insurance?
Fazit: Und da in der Branche vieles so bleibt, wie es war, gibt es auch hier neue Ansätze wie friendsurance, wo der Kunde mit Hilfe der Social Community seine Versicherungskosten halbieren soll. Das klingt allerdings reichlich ambitioniert, stellt doch eine crowdbasierte Versicherungsmathematik erheblich höhere Anforderungen an die Betreiber als etwa beim Verleihen eines Peer-to-Peer-Kredites.
Schaut man sich die Presseresonanz zu Friendsurance an, so hat sich indes bereits ein ausgeprägter Hype um dieses „ebay der Versicherungen“ gebildet. Zweifellos fallen solche Modelle auf fruchtbaren Boden, wie das Carsharing, Crowdfunding und andere Ideen, wo das Motto gilt: Gemeinsam stärker! In meinem Buch Die Bank sind wir kann man jedoch auch die konzeptionellen Herausforderungen nachvollziehen.
Zitieren wir mal aus der Selbsbeschreibung der Macher:
Schließen sich mehrere Freunde auf der Online-Plattform zusammen, erhalten sie im Schnitt 50% ihrer Jahresbeiträge zurück, wenn im Freundeskreis kein Schaden passiert. Doch auch wenn im Freundeskreis einmal mehr als ein Missgeschick passiert: Finanziell können alle nur gewinnen.
Und so funktioniert es konkret: Durch den Zusammenschluss in virtuelle „Sicherheitsnetze“ (z.B. für die Haftpflichtversicherung) verpflichten sich die Mitglieder, sich im Schadensfall gegenseitig mit einem kleinen Betrag, bspw. 30 Euro, zu unterstützen. Dafür werden die laufenden Versicherungsbeiträge für alle Beteiligten günstiger: Die Ersparnis erfolgt in Form einer Bonuszahlung am Ende des Jahres und kann je nach Versicherungsart bei 40-60% auf den Basisbeitrag liegen.
Falls im Freundeskreis Schäden eingereicht werden, fällt die Bonuszahlung entsprechend kleiner aus: Freundeskreise, die wenige Schäden verursachen, werden also belohnt. Aber selbst wenn innerhalb eines Sicherheitsnetzes mal viele Schäden entstehen, entsteht den Mitgliedern kein Verlust: Denn mehr als den Basisbeitrag muss bei Friendsurance keiner zahlen. Diese „Du-kannst-nur-gewinnen-Versicherung“ macht das Friendsurance-Modell 100%ig risikofrei für die versicherten Freundeskreise.
Schließlich aber besteht eine Versicherung nicht nur aus kostengünstigen Beiträgen, sondern auch aus Schadensfällen. Und erst wenn dieser eintritt, sieht man das Preis-Leistungsverhältnis hinter dem Konzept. Was meinen denn die Leser zu diesem neuen gemeinschaftsbasierten Konzept? Kann die „Rechnung“ aufgehen? Und wenn ja, für welche Produkte?
Siehe dazu meinen Beitrag: Lebensversicherung: Wenn 91 Millionen Luftballons plötzlich platzen.
Wir bilanzieren unter dem Strich das Positive. Auf alle Fälle ist Bewegung in einen festgefahrenen Markt gekommen, was sich auch in einem Überblicksbeitrag auf Procontraonline nachlesen lässt. Das dortige Fazit fällt bezeichnenderweise so aus: Für den Versicherer auf Gegenseitigkeit ist das Konzept „eine moderne Übersetzung“ der „eigentlich alten Idee“ von der Risikogemeinschaft. Wie weit die im Social Web trägt, das muss die Zukunft zeigen.
Börse: Interview mit den Spekunauten zum neuen Herdentrieb
Heraufziehende Krisen sind auch in den Medien immer gut für „Extremisten“ – die einen verkünden in Gestalt der Online-Broker Rekordumsätze. Die Privanleger hätten aus der Krise gelernt und stiegen jetzt richtig ein. Die anderen – in Form etwa der neuen Printausgabe vom SPIEGEL – rufen hingegen den Gelduntergang aus.
Bleiben wir mal in der nicht ganz so sensationslüsternen geistigen Mitte. Die Akzienindizes kennen derzeit aber vor allem die eine Richtung, nämlich nach unten. Grund genug, einen Spezialisten aus den neuen Finanzcommunities im Web 2.0 um seine Einschätzung zu fragen. Mehr als die vielen selbsternannten Experten daneben liegen kann man ja kaum.
Zum Hintergrund der Spekunauten – ursprünglich als rein virtuelle Börsen-Community gestartet, hat sich die Plattform in diesem Jahr dazu entschlossen, ihren Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, echte Transaktionen zu veröffentlichen. Mal sehen, was draus wird. Bislang steht der Betreiber ja noch im Schatten von Mitbewerbern. Dass es hier aber auch einige fundamentale Unterschiede gibt, dazu gleich mehr.
Im Gespräch mit Social Banking 2.0 erläutert nun einer der Macher hinter den Berliner Spekunauten, Geschäftsführer Malte Münchert, seine Sicht der Dinge zum Börsen-Auf-und-Ab.
Social Banking 2.0: Für den durchschnittlichen Privatanleger war die Börse in den vergangenen Jahren ein Minusgeschäft, insbesondere bei Fondsprodukten. Wie nehmen Sie die Veränderungen an der Börse wahr, die immer volatilere Ausschläge mit sich bringt, und damit kaum mehr kalkulierbar ist?
Malte Münchert: Die früher gepriesene Buy-and-Hold-Strategie funktioniert streng genommen schon seit dem Jahr 2000 nicht mehr richtig. So haben sowohl der DAX als auch der NASDAQ100 ihre damaligen Höchststände nie wieder gesehen und wir bewegen uns mit großen Ausschlägen mehr oder weniger seitwärts. Dennoch sind die mittelfristigen Trends immer noch ausgeprägt genug, um davon zu profitieren.
Dafür muss man sein Depot allerdings aktiver managen, wozu vielen Privatanlegern allerdings sowohl die Zeit aber auch die Erfahrung fehlt. Ich denke, dass dies einer der wesentlichen Gründe ist, warum sich transparente Börsen-Communities wie auch unsere über regen Zulauf in den vergangenen Jahren freuen können.
Social Banking 2.0: Was können Anleger denn tun, angesichts der derzeitigen Entwicklung?
Man muss akzeptieren, dass es nicht immer nur nach oben geht und deshalb auch einmal bereit sein, Gewinne zu realisieren. Fast noch wichtiger ist es zudem, auch Verluste zu begrenzen und nicht zu versuchen, diese auszusitzen. Zudem gibt es nicht nur Aufwärtsbewegungen, sondern auch Abwärtsbewegungen, in denen man Geld verdienen kann. Viele Anleger haben aber Probleme damit, auch einmal auf fallende Kurse zu setzen und lassen damit die Hälfte aller Trends ungenutzt verstreichen.
Social Banking 2.0: Für ambitionierte Anleger stellt sich die Frage, ob sie das lieber selbst in die Hand nehmen, statt es Vermögensberatern zu überlassen, die ohnehin nur auf die eigene Provision schauen. Ist dieses Ziel realistisch?
Wer in der Lage ist, seine Anlagen aktiv selbst zu managen, sollte darüber zumindest nachdenken. Aktiv agierende Vermögensverwalter sind in der Regel a) teuer, verlangen b) hohe Mindestanlagesummen und verfügen c) dennoch nicht über eine transparente Performance-Aufzeichnung. Wer dagegen aktiv sein Vermögen managt, kann sich dafür z.B. auf Spekunauten.de Ideen holen, indem er die Strategien von Mitgliedern verfolgt, die nachweislich in der Vergangenheit erfolgreich gehandelt haben.
Allerdings sind aktive Anleger trotz aller Hilfe, die eine Börsen-Community wie Spekunauten.de leisten kann, immer noch selbst für ihr Risikomanagement verantwortlich und müssen auch die für ein aktives Management notwendige Zeit investieren. Wer dies nicht kann oder möchte, sollte sein Vermögen lieber in professionelle Hände abgeben. Zumindest aber an der Zeitkomponente arbeiten wir: So soll es in naher Zukunft möglich sein, die Transaktionen erfolgreicher Mitglieder (wir nennen diese Mitglieder „Alpha-Trader“) automatisiert in seinem eigenen Depot zu kopieren.
Social Banking 2.0: Wodurch unterscheidem sich die Spekunauten gegenüber anderen Plattformen wie etoro und ayondo?
Ein wesentlicher Unterschied besteht meiner Meinung nach bereits schon darin, dass wir als Börsen-Community gestartet sind, nicht als Broker oder Signalvermittler. Und genau diese aktive Community ist unserer Meinung nach auch unsere Stärke. Bei uns findet ein reger Austausch zwischen den Mitgliedern statt. Auch die Alpha-Trader haben bei uns ein Gesicht, können in der Community teilnehmen und sind für jedes Mitglied ansprechbar. Dieser persönliche Bezug ist aber wichtig, wenn man jemandem sein Geld anvertrauen möchte. Im übrigen wird dieser Austausch auch von potenziellen „Alpha-Tradern“ geschätzt, die über den persönlichen Kontakt eine ganz andere Kundenbindung zu ihren Followern aufbauen können.
Ein weiterer Unterschied besteht in der Ausrichtung von Spekunauten.de. Sowohl auf ayondo und etoro fokussieren sich die Signalgeber meiner Einschätzung nach auf hochvolatile Forex-Strategien, die mit einem entsprechend hohen Risiko einhergehen. Für die breite Mehrheit der Anleger ist dieses Anlagefeld jedoch etwas exotisch, so dass bei uns der Schwerpunkt auf Aktienstrategien liegt. Damit auch eine gute Nachvollziehbarkeit gegeben ist, haben wir das Anlagespektrum neben liquiden Rohstoffen und Indizes auf rund 500 große deutsche und internationale Werte beschränkt. Dies mag vielleicht auf den ersten Blick langweilig klingen, bringt aber neben der guten Nachvollziehbarkeit auch Sicherheit: So hohe Schwankungen in der Performance, wie dies bei eToro oder Ayondo an der Tagesordnung ist, habe ich bei der Performance unserer Mitglieder noch nicht feststellen können.
Social Banking 2.0: Bieten kollektive Web 2.0-basierte Modelle tatsächlich eine Innovation für den Aktienhandel, oder werden sie eher eine Randerscheinung für ein paar interessierte Freaks bleiben?
Wenn die bisher am Markt existierenden Modelle sich nicht mehr weiterentwickeln, dann bleiben sie eine Randerscheinung. In der aktuellen Form bieten sie der breiten Anlegermasse noch keinen echten Vorteil. Die breite Masse möchte sich nicht aktiv beteiligen, sondern auf einfache, bequeme Weise davon profitieren können. Daran arbeiten wir.
Social Banking 2.0: Wie sehen denn die bisherigen Resultate aus, gibt es hier schon einen real nachvollziehbaren Track Record?
Die Möglichkeit, auch seine realen Trades zu veröffentlichen, gibt es ja erst seit wenigen Tagen. Es gab auch schon die ersten Kontoeröffnungen, aber natürlich noch keine belastbaren Ergebnisse. Da das Anlageuniversum bei Spekunauten.de aber schon seit dem Relaunch im Frühjahr 2011 auf große, liquide Aktien, Rohstoffe, Indizes und Währungspaare beschränkt ist, besitzen auch die virtuellen Prognosen eine gewisse Aussagekraft.
Social Banking 2.0: Sie veröffentlichen nach eigenen Angaben als erste Börsencommunity die realen Ergebnisse ihrer Mitglieder, wie schneiden die denn im Vergleich zur Herde während der jetztigen Krise ab?
Wie schon erwähnt, kann ich zu den realen Ergebnissen im Moment leider noch nichts sagen. Ansonsten muss man ganz klar sagen, dass auch Spekunauten.de ein Querschnitt des Marktes ist und sich hier nicht nur erfolgreiche Anleger finden lassen. Hier hilft allerdings die Transparenz unser Plattform, nachhaltig erfolgreiche Mitglieder schnell und zuverlässig zu identifizieren. Ein einfache mögliche Strategie wäre z.B., in der aktuellen Woche immer auf die Top10 der Vorwoche zu setzen. Hätte man diese Strategie verfolgt, hätte man in der ersten Augusthälfte immerhin noch eine Performance von 0,5% erzielt, während der DAX in der gleichen Zeit um 16% abgestürzt ist. Es zeigt sich also, dass unsere Top-Mitglieder nicht nur zufällig dort oben stehen, sondern auch in stürmischen Zeiten ihr Depot auf Kurs halten können.
Social Banking 2.0: Welche Erfolgsstrategie ist denn die richtige, um mit den immer kürzeren Aufs und Abs an den Börsen zurecht zu kommen, schließlich kann nicht jeder Privatanleger den ganzen Tag am Computer sitzen?
Richtig. Und hier können Plattformen wie unsere zukünftig einen echten Mehrwert bieten, wenn sie es Anlegern ermöglichen, auf intuitive und bequeme Weise an der Performance erfolgreicher „Alpha-Trader“ teilzuhaben. Aber auch so kann man heute bei den Brokern ja im Voraus seine Ein- und Ausstiegspunkte festsetzen und diese dann automatisiert ausführen lassen. Die komfortabelsten Plattformen für einen solchen teilautomatisierten Handel bieten meiner Meinung nach CFD-Broker an. Ein weiterer Vorteil ist hier übrigens auch, dass man unkompliziert auf fallende Kurse setzen kann. Dies ist bei Aktien-Brokern nicht ohne weiteres möglich.
Social Banking 2.0: Und noch eine persönliche Frage: Welches ist denn ihr individuelles Rezept für die Börse?
Ganz ehrlich: Ich wäre wahrscheinlich einer der ersten Anleger, der die Möglichkeit wahrnehmen würde, automatisiert die Strategien von „Alpha-Tradern“ in meinem Depot zu kopieren. Ich habe weder die Zeit, noch eine erfolgreiche Strategie, um gewinnbringend im kurzfristigen Rahmen an der Börse zu handeln. Deswegen war ich von unserer Idee auch von Anfang an überzeugt, weil ich den Mehrwert für Anleger persönlich nachempfinden kann.
Interview: Lothar Lochmaier
Vorhang auf: Wie transparent ist die Unternehmerloge?
Der Werbespot der Unternehmerloge zur besten Fernsehzeit in den Öffentlich-Rechtlichen Fernsehanstalten läuft schon geraume Zeit:
Einmal neugierig geworden, habe ich mir die Homepage genauer angesehen, um herauszufinden, was sich hinter dieser Art neuer Genossenschaft für nach einem Ausweg suchende Klein- und Mittelständler verbirgt. Ist das nur ein Auffangbecken für eine neue Gebührenfalle oder ein ernst zu nehmender Zusammenschluss?
Jedenfalls sind die rhetorischen Geschütze gegen das „Establishment“, die die Initiative auffährt, schon recht plakativ:
- Wie lange lassen wir uns noch ausnutzen?
- Wir selbständigen Unternehmer und unsere Mitarbeiter
sind der Motor und das Herz der Wirtschaft. - Trotzdem machen Banken und Großkonzerne sowie Behörden
mit uns und unseren Mitarbeitern was sie wollen! Quelle: Unternehmerloge.de
Zunächst einmal darf man misstrauisch werden, weil wieder einmal gleich Gebühren fällig werden. Und das nicht zu knapp. Je nach Mitarbeiterzahl 20, 40 oder 60 Euro pro Jahr, plus einmalig 100, 200 oder 300 Euro. Und was erhält der zahlende Kunde im Gegenzug, außer dem kuschligen Kamingefühl, seinen unternehmerischen Frust nicht ganz gebührenfrei kanalisieren zu dürfen.
Es ist durchaus auffallend, dass die Zahl jener Initiativen – so sinnvoll sie von der Idee her oft sein mögen – laufend wächst, die am Ende in erster Linie auf den Abverkauf von Softwaretools, Mitgliedschaften etc. ausgerichtet sind. Das wäre natürlich nicht im Sinne des Erfinders, sich hier nur vordergründig des wachsenden Frustpotentials in der Gesellschaft zu bedienen, um allein aus diesem Umstand Kapital zu schlagen.
Die Initiative Unternehmerloge wirbt laut Selbstauskunft mit folgenden Dienstleistungen:
- Die UNTERNEHMER-LOGE hilft bei der Beschaffung von Krediten.
- Die UNTERNEHMER-LOGE hilft dem Selbständigen Unternehmer bei der Beschaffung von Eigenkapital.
- Die UNTERNEHMER-LOGE hilft beim Aufbau einer angemessenen Altersversorgung (standesgemäß, inflationsgeschützt, währungsbeständig).
- Die UNTERNEHMER-LOGE stellt ihren Mitgliedern ein starkes Netzwerk zur Verfügung mit hoch qualifizierten Leistungen von praxiserfahrenen Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, etc.
- Die UNTERNEHMER-LOGE ermöglicht in Zukunft ihren Mitgliedern, Mitarbeiter über einen Mitarbeiterpool gegenseitig auszuleihen oder zu beschaffen.
- Die UNTERNEHMER-LOGE ermöglicht ihren Mitgliedern auch über einen schlagkräftigen Maschinen-, Geräte- und Fahrzeugpool sehr günstige Einkaufs-, Leasing- und Mietkonditionen zu erzielen. Quelle: Unternehmerloge.de
Social Banking 2.0 hat einmal genauer nachrecherchiert, wer sich hinter der Initiative verbirgt. So ganz erschließt sich der reale Charme des neuen Modells nicht auf den ersten Blick. Vor allem zur Frage, welche Organisations- und Rechtsform die Galaxi-Kapital einnimmt? Und: Ist hier auch die Fürst Fugger Privatbank in Augsburg als weiterer Partner involviert?
Jedenfalls ist im Impressum eine UNTERNEHMER-LOGE-2010 Management GmbH eingetragen. Schaut man sich die Einstiegsseite ganz unten an, so weichen die Angaben leicht davon ab: Dort ist plötzlich von einer UNTERNEHMER-LOGE-2010 GmbH & CoKG a.A die Rede. Als Geschäftsführer fungiert Dipl. oec. Christoph Unmann, laut Xing Vorstand der Galaxi AG, zudem noch Bankberater in Augsburg (und dort möglicherweise mit einer früheren Querverbindung zur Fürst Fugger Privatbank ausgestattet).
Im Kern könnte es sich um eine Art von ergänzendem Vertriebsmodell für Bankdienstleistungen unterschiedlicher Art zu handeln, die über die äußere Form einer „Unternehmensvereinigung“ aufgefangen bzw. kanalisiert werden sollen. Also nichts anderes als ein Finanzvertrieb, der sich zudem bereits durch die relativ hohe Mitgliedsgebühr rechnet?
So hat bislang – wenn ich es richtig überblicke – das Weblog diebewertung sich als einer der wenigen überhaupt etwas eingehender – jenseits von einer nichts sagenden Meldung – mit dem Vorgang befasst. Es wird zurecht die Frage aufgeworfen, warum sich die Unternehmerloge nicht als Verein konstituiert hat. So bleibt die Ausrichtung der Initiative zwischen Gewinn- und Sozialorientierung reichlich vage.
Und schließlich steht laut diebewertung.de bzw. der Augsburger Allgemeinen Zeitung mit Ignaz Walter ein“Urgestein der deutschen Unternehmerschaft“ hinter der Loge. Der investierte offenbar 2,5 Mio. Euro für die Werbekampagne aus Eigenmitteln.
Es sind aber auch noch andere Motive jenseits von finanziellen Verquickungen denkbar, angedeutet etwa auf dem persönlichen Weblog von Walter. Dort werden auch Hintergründe zu früheren Geschehnissen erläutert, zu denen sich Social Banking 2.0 jedoch jeder Kommentierung enthält.
Ich verweise hier nur auf einen Artikel bei Manager Magazin online aus dem Jahr 2008, der darüber berichtet, wie der Unternehmer wegen Untreue zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden ist. Die damaligen Geschehnisse möchte ich selbst nicht aus der großen zeitlichen Distanz heraus bewerten.
Das e-t-w-a-Blog spekuliert darüber, dass es sich hier um die persönliche Abrechnung eines an der Politik und den Banken gescheiterten Unternehmers handeln könnte. Ein vorsichtig zu bewertendes Indiz in diese Richtung ist der Umstand, dass Walter offenbar sein Kunstmuseum in Augsburg schließen will – angeblich aufgrund fehlender Unterstützung der Stadtoberen.
Aus welchen Motiven heraus der Anstoß zur Initiative auch immer erfolgt sein mag – die optische Präsenz wäre wohl kein Signal für etwas wirklich Substanziell Neues oder Besseres, denn die strukturelle Aufstellung der Unternehmerloge wirft deutlich mehr Fragen auf als sie beantwortet.
Fazit: Falls das zweischneidige Experiment misslingt, stellt sich die Frage, wo die offenbar zehn eingestellten Mitarbeiter anschließend verweilen dürfen. Der Betreiber hat übrigens auf meine ePost zu den zahlreichen Fragenkomplexen, zu denen ich die Unternehmerloge um Aufklärung gebeten habe, bislang nicht reagiert (falls von dort noch Infos eintreffen, reiche ich die gerne nach).
Update am 23.08.: Der Geschäftsführer der Unternehmensloge Christoph Unmann teilt telefonisch mit, dass es sich bei der Galaxi AG um ein unabhängig von der Unternehmensloge operierendes Konstrukt handle. Galaxi stünde lediglich mit Rat und Tat bei grundsätzlichen Fragen zur Seite. Lassen wir diese Aussage mal so stehen. Christoph Unmann verweist ansonsten auf die sehr positive Nachfrage. Die Initiative treffe offenbar den Nerv der Zeit. Kündigungsfristen gibt es übrigens bei der Unternehmensloge keine.
Bank überfällt Bürger – Bürger überfällt Bank
Während der Sommerpause hat sich einiges getan in der Finanzwelt, die wieder einmal (fast) aus den Fugen geraten ist. Noch vor ein paar Wochen riefen alle Finanzblätter ungebremst und nahezu im Vollrausch zum Kauf von Aktien auf, um jetzt wieder flugs auf die andere Seite der Bedenkenträger zu schwenken. Nicht alles ist eben Gold, was glänzt.
Auch das Gros der Wirtschaftsmedien schwenkte auf diesen Kurs ein. Dies zeigt, wie fragil die Prioritätenliste in der Gesellschaft insgesamt geworden ist, statt einer klaren Richtung sind wir mit „Banküberfällen“ unterschiedlichster Couleur konfrontiert. Während institutionelle Investoren die Aufs und Abs in der Regel abfedern, gelegentlich sogar massiv davon profitieren, weil sie rasch aus- und wieder einsteigen, schaut der Durchschnittsbürger in die Börsenröhre.
Mehr dazu, wie Anleger unter der Übertreibung der Übertreibung leiden, in einem Beitrag auf Manager Magazin online. Und: Es gibt keine neuen Heilsbringer, denn auch beim sicherlich nicht schlechten Engagement in Exchange Traded Funds kann man ziemlich daneben liegen (z.B. via Swap-Falle).
Eine volatile Börsenwelt macht manche reich und noch mehr ärmer. Man werfe nur mal einen Blick in die Aktiendepots – schon geprüft, die Abwärtsbewegung geht meist doppelt so stark und schnell als die zur Erholung wieder einsetzende Aufwärtsbewegung? Verfolgen Sie es doch mal mit und führen Sie genau Buch…
Was lernen wir daraus? Aktives Management gibt es nur für die Gewinner, und dazu gehört der Kunde, der nicht den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt wie die Profis, sicherlich nicht.
Passend dazu diese Meldung: Die WELT berichtet, dass Berater ihre Margen bei Zertifikategeschäften sogar gerne verschweigen dürfen. Angesichts der Bemühungen von Verbraucherschützern, angeblich mehr Transparenz in den Markt zu bringen, ein reichlich kurioser Vorgang, der noch dazu von einem Oberlandesgericht höchstamtlich abgesegnet worden ist.
Wer also überfällt hier wen? Schaut man sich die neue Cashmaschinerie der russischen Sberbank an, dann stellt sich diese eigentlich leicht überzogen wirkende Frage tatsächlich. So berichtet Dailyfinance, die Besonderheit des Automaten sei ein Lügendetektor, um Tricksereien bei Kreditanträgen aufzudecken.
Werfen wir mal einen Blick in die Wundertüte – dort darf der Nutzer Fragen nach Beschäftigung und ausstehenden Krediten allzu gerne mündlich und ohne Tastendruck beantworten. Wer hat denn dieses Kuriosum erfunden? Nun ja, die Technologie für die neuen Automaten liefere ein Unternehmen, zu dessen Kunden auch der Inlandsgeheimdienst FSB zähle, also der legitime Nachfolger des KGB.
Irgendwie drängt sich da doch der Eindruck auf, dass die legal operierenden Schattenbanken größer sind als die realen und legal aufgestellten. Auch dies scheint auf den ersten Blick eine absurde Behauptung. Zumindest sieht es aber so (nicht nur) das kritische Netzwerk Attac, denn schließlich unterhalte die Deutsche Bank mehr Filialen in Steueroasen als am deutschen Hauptsitz. Ebenfalls vorne mit dabei auf der deutschen Giftliste die Commerzbank und Deka Bank.
Ob man indes Hedge Fonds auch als Teil eines gefräßigen Systems von unregulierten Schattenbanken ansehen darf, darüber streiten die Gelehrten noch, wie ein Beitrag im Handelsblatt verdeutlicht. Die Autoren werfen jedenfalls im Abspann die Frage auf: Je mehr Geld die Hedge-Fonds aufsaugen, umso größer das Risiko, das sie bereit sind einzugehen?
Da braucht man sich also nicht unbedingt zu wundern, dass der vom unangreifbaren Finanzadel an der Nase herum geführte Bürger irgendwann zurückschlägt. Jeder hat dabei seine eigene Methode. Fragt sich bloß wie – das gleich folgende Video, das einen gescheiterten Banküberfall im Februar 2011 in China zeigt, ist wirklich sehens-, aber keinesfalls nachahmenswert.
Sinngemäß lautet die Lektion auch am Beispiel der britischen Protestkultur: Wer keinen Plan B hat, der kommt in finanziellen Dingen nicht weit. Blinde Wut, aber auch Angst waren noch nie gute Ratgeber. Das gilt auch für das wirkliche, das legale Leben mit dem Geld. Aber schauen Sie doch selbst – es lohnt sich in voller Länge, bis zum bitteren Ende: