Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Finanzwelt Inside (Teil II): Susan Levermann, Ex-Managerin DWS

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Die Bankenwelt ist weder schwarz noch weiß, sondern ziemlich bunt. Weder gibt es dort nur schlechte oder gar „böse“ Banker, noch sind die anderen außerhalb der Finanzwelt nur von altruistischen Interessen angetrieben. Will heißen: Es kommt auf die intelligenten Zwischentöne an, wenn es um die „nachhaltige“, oder nennen wir es bodenständiger, die „vernünftige“ Geldanlage geht. Die kreativen Anstöße dazu können sowohl von innen als auch außen kommen.

Wer etwa nach einem gut verständlichen Lehrbuch sucht, wie das kleine und große Einmaleins der Aktienmärkte funktioniert, der wird bei Susan Levermann fündig. Sie gibt handhabbare Tipps und hat ein fachlich unprätentiöses Werk mit dem Titel Der entspannte Weg zum Reichtum verfasst, eine Leseprobe gibt es hier. Ein Satz ist mir sinngemäß besonders hängen geblieben: An der Börse gibt es keine Demokratie, weil eine Minderheit gewinnt.

Zur Vita von Susan Levermann: Sie war nach Banklehre und Diplom in Volkswirtschaftslehre acht Jahre lang als Fondsmanagerin bei Deutschlands größter Fondsgesellschaft, der DWS, tätig, zuletzt als Senior Fundmanager und Director. Dort verantwortete sie 2 Mrd. Euro Kundengelder in europäischen und deutschen Aktienfonds mit Hilfe einer selbstentwickelten quantitativen Auswahlstrategie. 2008 wurde sie für den besten deutschen Aktienfonds über 3 Jahre geehrt. Ihr 2010 erschienener Börsenratgeber „Der entspannte Weg zum Reichtum“ wurde mit dem Deutschen Finanzbuchpreis 2011 ausgezeichnet.

… Dann aber kam der große Schnitt. Sie verließ kurz vor Ausbruch der Finanzkrise das Unternehmen, weil sie sich ein paar Sinnfragen zu ihrer Arbeit stellte, die man nicht unbedingt stellen sollte, wenn man gut und reibungslos weiter funktionieren möchte. Denn schließlich geht es um die nackten Zahlen – und nicht um eine sinnerfüllende Programmatik. 

Mittlerweile arbeitet Levermann als „Head of Operations“ beim Carbon Disclosure Project (CDP), einer gemeinnützigen Umwelt-Organisation in Berlin. In einem längeren Interview mit der TAZ verdeutlicht sie, was sich an der Börse gerade abspielt, warum sie es nicht mag, andere über den Tisch zu ziehen – und warum sie gegen Leerverkäufe ist. 

„Die Finanzwelt ist an unüberwindbare Grenzen gestoßen“

Im Interview mit Social Banking 2.0 erläutert Susan Levermann nun, welche Trends die Bankenszene gegegnwärtig kennzeichnen – und welche Schlussfolgerungen der private Anleger aus den Geschehnissen der letzten Jahre ziehen kann.

Social Banking 2.0: Frau Levermann – was hat Sie auf die Idee gebracht, die Deutsche Bank bzw. DWS zu verlassen, was gab den Ausschlag, worin lag die Motivation?

Susan Levermann: Ich habe mich ca. ein Jahr lang mit der Frage meines Ausstiegs bzw. meiner weiteren beruflichen Zukunft beschäftigt. In dieser Zeit sind immer mehr Sinnfragen in den Vordergrund getreten, wie die Frage, was denn eigentlich mein Beitrag zur Welt ist und zu welcher Art Welt ich beitrage. Auch wenn die DWS einiges versucht hat, um mich zu halten, wurde mir immer klarer, dass ich diese Fragen als Fondsmanagerin nicht zu meiner Zufriedenheit würde beantworten können. Jetzt im Rückblick glaube ich, ich hatte einfach genug von Konkurrenz und Wettbewerb, und wollte andere Werte wie Miteinander und Fürsorge in den Vordergrund meines Daseins stellen.

Social Banking 2.0: Was hat Sie damals motiviert, den Job bei der DWS überhaupt anzutreten?

Als ich mit meinem VWL-Studium fertig war, hatte ich gerade meine ersten Erfahrungen mit Aktien hinter mir. Ich hatte alle klassischen Fehler begangen, die Privatinvestoren typischerweise unterlaufen, und demzufolge mein mageres Studentenkapital am Neuen Markt fast vollständig verloren. Diese Niederlage hat mich gereizt. Ich wollte lernen, wie man Geld an der Börse verdient statt verliert. Außerdem reizte mich die Verantwortung, die man als Fondsmanagerin trägt. Die DWS als damals schon beste und größte Fondsgesellschaft Deutschlands war der ideale Arbeitgeber.

Social Banking 2.0: Was wird sich in der Branche ändern, bleibt alles beim Alten, oder setzen die Kunden ihre „Hausbank“ zunehmend unter Druck, sich doch mehr kundenorientiert und transparent zu zeigen, als früher der Fall?

Auch wenn ich nicht die Expertin für diese Frage bin, da ich doch nur in einer sehr speziellen Nische gearbeitet habe, habe ich eine persönliche Meinung zu diesem Thema. Der zunehmende Druck der Transparenz führt meines Erachtens zu einem erfreulichen neuen Trend: Honorarberatung. Das ist ein in Deutschland noch sehr unterentwickeltes Geschäftsfeld – völlig zu Unrecht, da die in den verkauften Produkten enthaltenen Provisionen meist sehr viel höher sind als es ein explizites Honorar jemals wäre. Ich finde, eine qualifizierte Beratung hat ein Honorar verdient, da sollten die Kunden beginnen, umzudenken.

Social Banking 2.0: Worin sehen Sie denn die graverienden Defizite in der gegenwärtigen Bankberatung?

Ich glaube, eines der Grundprobleme in der Beratung bei den meisten Banken ist ein Strukturproblem. Die Fülle an Produkten ist bei den meisten Banken mittlerweile so groß, dass selbst der Bankberater darin den Überblick verliert. Statt dann zielgerichtet auf die Bedürfnisse des Kunden einzugehen, werden einfach die Produkte verkauft, die auf den aktuellen, vom Management erstellten Verkaufslisten ganz oben stehen. Das sind Produkte, an die die Bank gerade glaubt. Sie sind aber nicht zwangsläufig auch das beste für den Kunden.

Social Banking 2.0: Schaut man sich über die vergangene Dekade die Performance (einschl. der Kosten) von Aktienfonds an, so muss man eigentlich zum Ergebnis kommen: Außer Spesen, meist nichts gewesen. Wie nehmen Sie den derzeitigen volatilen Trend an den Kapitalmärkten wahr?

Sie formulieren das so, als seien die Aktienfonds mit schuld daran, dass man mit „Buy and Hold“ in den letzten Jahren an den Börsen nichts verdienen konnte. Da würde ich gern eine Lanze für Fonds brechen. Ein Aktienfonds deckt nun mal den Markt ab, für den er geschaffen wurde, und kann sich dessen Trend folgerichtig nur bedingt entziehen. Gute Fondsmanager schaffen regelmäßig eine Outperformance von 2% unter Einbeziehung aller Kosten und Gebühren – daran sieht man schon, wie abhängig ein Fonds von seinem Marktumfeld ist. Was die Marktentwicklung generell angeht, so bin ich nicht überrascht: ich habe ja schon im Ausblick zu meinem Buch „Der entspannte Weg zum Reichtum“ geschrieben, dass die fetten Jahre vorbei sind und wir uns auf eine gewisse Zeit mit einem Seitwärtstrend unter großen Schwankungen abfinden müssen. Die Welt – und insbesondere die Finanzwelt – ist halt in vielen Teilbereichen an unüberwindbare Grenzen gestoßen, seien das jetzt Staatsverschuldungsquoten oder CO2-Anteile in der Atmosphäre oder die Schere zwischen Arm und Reich. Überall ist es „genug“.

Social Banking 2.0: Ist das direkte Engagement an den Aktienmärkten für Privatanleger eine Option, und wenn ja für welche Zielgruppen?

Einzelaktien empfehle ich nur für Anleger, die Zeit und Lust und das genügende Kleingeld mitbringen, um sich mit der Materie zu beschäftigen. Ein gutes Privatanlegerportfolio müsste so um die zwanzig Aktien umfassen, und damit sich das von den Gebühren her lohnt, muss man schon über mindestens 20.000 € verfügen, die man in absehbarer Zeit nicht braucht. Zudem verlangt die Anlage in Einzelaktien ein gewisses Grundwissen. Das kann man sich durchaus mit ein paar qualifizierten Büchern erarbeiten, aber selbst dann braucht es noch verfügbare Zeit, um die eigenen Investments regelmäßig zu überwachen.

Social Banking 2.0: Wie sieht für Sie die (kunden- und bedarfsorientierte) „Bank der Zukunft“ aus?

Ich würde mir eine Bank wünschen, in der es keinerlei Verkaufsdruck gibt. Eine, die wirklich zuerst die Interessen der Kunden im Blick hat und daran glaubt, dass sich langfristig Handeln im Interesse der Kunden auch für sie selbst auszahlt. Wünschen würde ich mir auch mehr Ehrlichkeit. Zu viele Bankprodukte suggerieren dem Anleger eine Sicherheit, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Oder nur gegen einen überhöhten Aufpreis.

Social Banking 2.0: Werden immer mehr „selbstbestimmte“ Bankkunden Geldgeschäfte in die eigene Hand nehmen, oder bleibt das infolge Zeit- und Kompetenzmangels auf eine kleine Elite begrenzt?

Zumindest was Aktien angeht, zeigen die Zahlen ja einen klaren Trend: Die Zahl der direkten Aktienbesitzer hat über die letzten Jahre in Deutschland dramatisch abgenommen. Da bleibt tatsächlich nur eine kleine Elite übrig, die ihr Geld selbst managt. Für die meisten Bürger sind Finanzgeschäfte wohl zu komplex und undurchschaubar, und dann gibt es auch noch die, die es einfach langweilig finden, sich mit Finanzen zu beschäftigen. Ich sehe im Moment nichts, was das ändern könnte.

Social Banking 2.0: Und noch eine persönliche Frage: Welche Form der „Arbeit“ praktizieren Sie derzeit? Was ist für Sie eine Tätigkeit, bei der die Balance zwischen Geld, Moral und innerer Zufriedenheit stimmt, oder bleibt dieser Spagat immer ein Stück unrealistisch?

Ich bin mittlerweile im Management einer Umweltorganisation tätig. Dort kann ich meine Vorerfahrungen mit meinem gestiegenen Bewusstsein für die akuten Probleme unserer Welt verbinden. Finanziell ist das natürlich gar nicht mit meinem früheren Leben zu vergleichen. Aber meine Werte haben sich einfach verschoben, ich brauche die Statussymbole von früher wie Auto, große Wohnung, teure Reisen nicht mehr. Stattdessen versuche ich, mit meinem eigenen umweltbewussten Leben Vorbild für andere zu sein. Das schöne ist: so fühlt es sich nicht wie ein Spagat an, sondern einfach nur nach „richtig“.

Interview: Lothar Lochmaier

In einem längeren (etwas älteren) Videomitschnitt vom Deutschen Anlegerfernsehen (DAF) gibt Susan Lewermann darüber Auskunft, ob und wie sich Moral und finanzieller Erfolg an der Börse vertragen.

Written by lochmaier

September 14, 2011 um 7:06 am

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