Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Bankenwerbung: Zu schön, um wahr zu sein

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Neulich in der Glotze und jetzt auch auf unzähligen Straßenplakaten ist ihr lässiger Laufstil zu bewundern: Kurz vor der ARD-Tagesschau joggt Lena Kuske immer wieder mal durchs Bild. Sie ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Oder, um es präziser auszudrücken: Bankenwerbung ist einfach zu schön, um wahr zu sein.

Gestern diskutierte ich mit Studierenden der Kunsthochschule Berlin-Weißensee die Frage, ob und wie Banken durch die Finanzkrise und neue Geschäftsmodelle auch ihre visuelle und kommunikative Außendarstellung ändern. Die Skepsis überwog, dass hier alter Wein in neue mediale Schläuche gefüllt wird. So joggt Lena Kuske elegant und in voller Aktion durchs Bild, wobei ihr genug Atem bleibt, das Bankwesen nochmal rhetorisch neu zu erfinden:

Zwei der Printmotive.

In einem früheren Beitrag habe ich die elegant durchs Bild laufenden Werbebotschaften bereits genauer unter die Lupe genommmen: Offener Brief an Lena Kuske.

Und jetzt auch noch das: Commerzbank-Chef Martin Blessing fliegt wie Bischof Tebartz-van-Elst nur allzu gerne erster Klasse auf Staatsgeld, wie Spiegel online berichtet. Für die Werbestrategen ist das schon eine gewaltige Herausforderung. Aber auch diesen konzeptionellen Spagat wird die Branche noch meistern.

Wir wussten es schon immer: Steuerzahler haften für Banken, die wiederum auf unsere Kosten Werbung im Fernsehen machen, für die wir erneut zur Kasse gebeten werden. Da sagt sich der mündige Kunde: Die Commerzbank gehört doch sowieso (fast) uns, warum dürfen wir dann die Werbespot nicht gleich selber mitgestalten?

Früher gab es mal den Werbespot der Deutschen Bank – Leistung aus Leidenschaft. Kommt wieder in Mode. Denn diese Idee will Co-Chef Jürgen Fitschen jetzt mit einem neuen Co-Creation-Ansatz wiederbeleben: „Wir wollen das sein, was man einen ehrbaren Kaufmann nennt“, ließ er über ein Interview im Magazin Brandeins verkünden.

Und jetzt auch das noch: Für die Fotoserie „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) lässt sich Bundesbankpräsident Jens Weidmann im Kontrollraum eines Spielcasinos ablichten – verborgen hinter einer Ausgabe der F.A.Z.

Jens Weidmann hinter einer Ausgabe der "FAZ"... (Bild: FAZ/Scholz & Friends/Hans Starck)

Bild: FAZ/Scholz & Friends/Hans Starck

Eine wirklich hübsche Idee. Dieser trendigen Zeitgeistwerbung für die Bundesbank als einem der neuen „Finanzmaster-of-the-Universe“ neben der EZB (und ganz nebenbei auch für die FAZ) gibt es fast nichts hinzufügen.

Außer vielleicht den Werbespot der Comdirect Bank: „Wir wissen, dass wir nicht das Wichtigste in Ihrem Leben sind!“ Angesichts wegbröckelnder Gewinne beim Mutterkonzern der Commerzbank wird man trotz guter Ergebnisse eben auch in den Werbespots bescheidener, und die Tochter kann sich einfach nicht wirklich von der Mutter lösen, berichtet horizont.net.

Damit sind wir bei der letzten Stufe der hohen Erkenntnistreppe: Wer kennt ihn nicht, den Werbespot vom Sportkleidungshersteller Schöffel. Er enthält nützliche Botschaften für die allzu sehr von der Bankenwerbung in Beschlag genommenen Zuseher.

Hier der Werbespot in voller Länge:

Und was lernen wir daraus?

An alle verwirrten Risikojongleure und aus dem Tritt geratenen Chancenoptimierer!

An alle heimlichen Vermögensminderer und immer noch radikale Provisionsvermehrer!

Ich bin raus.

Macht erst mal ohne mich weiter.

Bis mehr Glaubwürdigkeit in Eure Bankenwerbung Einzug hält, in der Kunden und Mitarbeiter nicht nur als hübsch inszenierte Filmkulisse missbraucht werden.

Sonst müsste ich Euch immer wieder die rote Karte zeigen.

Written by lochmaier

Oktober 29, 2013 at 12:28 pm

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Co-Creation (4): Verstehen, Einfühlen, Idee, Prototyp, Testen

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Der 3D-Drucker zeigt das neue Gestaltungsprinzip, das erst die netzbasierte Interaktion in seiner gänzlichen Dynamik ermöglicht. Was früher hoch qualifizierten Spezialisten vorbehalten war, so können heute Nutzer, etwas Kreativität vorausgesetzt, eigene Entwürfe und Prototypen entwickeln und gemeinsam mit anderen diskutieren.

Tatsächlich sitzt der Kunde mit am Regiepult, zwar nicht in der industriellen Massenfertigung, jedoch beim Trend zur individualisierten Dienstleistung, die durch das Web 2.0 massiv nach vorne getrieben wird. Wir reden hier also nicht von einem Massenmarkt, sondern von mündigen Finanz“verbrauchern“, die keine mehr sind.

Die Vorgehensweise: Verstehen, Einfühlen, Ideen, Prototypen, Testen

Kunde und Anbieter, beide können somit von der Co-Creation profitieren. Dies gilt gerade für „Problembranchen“ wie Banken, die Energie-, Gesundheits- oder die Chemiebranche, die sich im massiven Transformationsprozess befinden. Den Mutigen gehört dabei die Zukunft, sofern sie sich ernsthaft nach außen öffnen und solche Konzepte von vorne herein in ihre Produkt- und Geschäftsentwicklung integrieren.

Denn nicht mehr kommt alles Neue automatisch nur von oben, aber alles Gute kommt jetzt ebenso dynamisch von der Basis, der Mitte und von oben, bei richtiger Dosierung lässt sich der maßgeschneiderte Anzug gemeinsam lebendiger gestalten.

Lessons learnt am Beispiel der Bankenbranche

Das sieht im „Premium-Segment“ so aus: Erstens: Banken und Finanzberater sollten den Kunden nicht nur als Melkkuh betrachten, sondern als Partner auf gleicher Augenhöhe ernst nehmen. Diesen Gestaltungsansatz zur Co-Creation gilt es, auf allen Hierarchieebenen zu verankern.

Zweitens: Erfolgt der Blickkontakt auf gleicher Augenhöhe nicht, werden immer mehr Menschen ihre traditionellen Bankkonten auflösen und die nur vom eigenen Interesse fern gesteuerten Berater in den Vorruhestand schicken. Parallel dazu wenden sich viele Menschen im Netz anderen Alternativen zu, bei der sie selbst Einfluss nehmen auf die Produkte und Entscheidungsprozesse in einer von Hierarchien befreiten und vom Produktmüll entrümpelten Finanzindustrie.

Drittens: Dem Dialog und der Kommunikation mit den Kunden und zwischen den Kunden kommt dabei jenseits vom reinen Verkaufsinteresse ein eigenständiger Stellenwert zu. Dieser lässt sich nicht nur in monetären Kategorien bemessen, sondern in einer sozialen Extrarendite. Den Ideenlaboren und Denkfabriken in der Bank von morgen fällt hier die Aufgabe zu, den Kunden mit ins Boot zu holen.

Viertens: Der Kunde und nicht die Bank steht somit im Mittelpunkt jeder zwischenmenschlichen und finanziellen Transaktion. Der Vertrieb und seine Struktur ordnen sich im Idealfall somit dem Gleichklang aus unternehmerischen, sozialen und ökologischen Zielen unter, die von der Geschäftsführung festgelegt sind.

Fünftens: Jede Form der Geld- und Kreditvergabe hat eine soziale Komponente. Jede Transaktion sollte einen gesellschaftlichen Bezug und Nutzwert haben. Der Social Entrepreneur und Social Banker wird vom Außenseiter zum angesehenen Normalfall in der Wirtschaft. Gerade mit Hilfe der Co-Creation lässt sich dieser Trend in der Gesellschaft produktiv verstärken und mitgestalten.

Sechstens: Vermeintlich exklusives Wissen von Bankmanagern gilt es, von selektiven Marktzugängen zu befreien. Insiderwissen im Zuge der Informationsasymmetrie vertieft die soziale Kluft und verteilt den Mehrwert nur nach oben. Das Prinzip der Co-Creation hebelt diese überkommene Praxis aus. Denn Experten und Nutzer tauschen ihre Informationen in der Bank der Zukunft direkt und auf Augenhöhe miteinander aus.

Written by lochmaier

Oktober 27, 2013 at 9:46 am

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Huffington Post: Windstill im Auge des Orkans

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In Deutschland kochen die Gemüter hoch. Die Befürworter und Gegner der neu gestarteten „Online-Gemischtwaren-Zeitung“ Huffington Post haben sich in Position gebracht. Jeder hat überzeugende Argumente. Für versierte Finanz- und Wirtschaftsblogger bietet das neue Format allerdings bislang kaum Profilierungschancen.

Vor einiger Zeit geriet ich in New York in einen Blizzard - vieles sieht man im Auge des Orkans klarer als sonst. Foto: Lothar Lochmaier

Vor einiger Zeit geriet ich in New York in einen Blizzard – vieles sieht man bei stürmischem Wetter klarer als sonst. Foto: Lothar Lochmaier

Es gibt im Internetzeitalter nur ein geschäftliches Prinzip: Wandle Dich stets, wenn Du willst, dass alles so bleibt. Aber selbst das klappt nicht immer. Und damit sind wir bei der Huffington Post (HP): Eine Zwittermarke mit vielen Ramschartikeln und den üblichen massenmedialen Zugpferden, so die gängige Kritik. Boris Becker sei stellvertrend für das abflachende Niveau gedankt! Aber man kann ja auch zu Muhammad Yunus weiter surfen, der einen Gastbeitrag Social Business und das Streben nach Glück geschrieben hat.

Negativ: Die Autoren treten ihre Rechte an den interaktiven Druckerzeugnissen komplett an die HP ab, moniert der Deutsche Journalistenverband. Das ist natürlich gravierend. (Aber wer im Glashaus sitzt….) Und bezahlt werden die sich freiwillig einbringenden „Haussklaven“ von der HP auch nicht. Die Empörungskurve schwillt nun bei Einigen bis zum Wutausbruch an – außer Spesen nichts gewesen, sagt der mahnende Fingerzeig der Kritiker.

Ist das wirklich so? Was bleibt, wenn die mediale Zerstörungswelle einer neuen Generation von Internetblättern alles Andere umzuwälzen droht? So dick wird es nicht kommen. Denn auch die HP kocht nur im hybriden Mix zwischen Boulevard und Information mit viel Wasser, in die sich ab und zu ein kleiner Tropfen edler Wein beimischt. Wenn die erste Neugier sich gelegt hat, pendeln sich die Leserzahlen ein.

Die HP ist vor allem eine Plattform für vieles Denkbare und Jedermann, keine eigene konsistente Marke. So wie beim Möbelhaus IKEA, es kommt drauf an, was Du daraus machst. Übrigens: Die potentielle Leserschaft wird kaum darauf hören, wie die professionelle Medienzunft über das neue Format urteilt, sie bildet sich ihre eigene Meinung und entscheidet letztlich über den Erfolg.

Die Zunft der Journalisten ist dabei vor allem als Moderator gefragt, nicht mehr als Türsteher, der jede Information steuert und kontrolliert. Deswegen eignet sich die HP als Durchlauferhitzer auch weniger für hauptamtliche Journalisten, sondern in erster Linie für Blogger und Experten im weitesten Sinne. Also für all jene, die noch etwas anderes zu verkaufen haben als nur die selbst mühsam recherchierten und geschriebenen Zeilen.

Allerdings sollten Blogger die Reichweite und Synergie überschätzen. Es gibt heute so viele Möglichkeiten, sich im world wide web darzustellen. Will sagen: Jeder Blogger oder „Experte“ muss seinen eigenen Weg durch die medialen Steilküsten mit hohem Absturz- und Aufstiegspotential finden. Aber das Rad wird sich weiter drehen und die HP stößt in eine Lücke, an die deutsche Verleger und Medienakteure sich leider direkt nicht heran getraut haben, deren Ausmaß man aber auch nicht überbewerten sollte.

Scheidung boomt: Wirtschaftsblogs bleiben Randerscheinung

Betrachten wir statt philosophischer Exkurse lieber den ökonomischen Aspekt des Mediengeschäfts. So startete die Huffington Post Anfang 2011 die 26. Rubrik: „Scheidung“. Diese läuft von den Zugriffszahlen her betrachtet deutlich erfolgreicher als die beiden Kernressorts Politik und Wirtschaft.

Auch dies ist einerseits ein klarer Beleg, dass ein differenzierter Finanz- und Wirtschaftsjournalismus – auch auf der Basis von fachlich relevanten und gleichwohl allgemein verständlich präsentierten Debatten – sich quasi auf ein wohl temperiertes Spartenprogramm für Minderheiten reduziert.

Somit dürfte sich gerade dieses Spielfeld auch für versierte Finanzblogger, die nicht auf die breite Masse und die damit verbundenen Streuverluste schielen, abgesehen von dem einen oder anderen Testlauf kaum als qualitativ hochwertiger Resonanzverstärker eignen.

Die gelernte Lektion lautet deshalb: Publikumsmedien sind so gut wie der Bildungsstand der Bevölkerung in Sachen Wirtschaft und Finanzen, nämlich relativ niedrig. Die Funktionsprinzipien von auf den Massenmarkt zugeschnittenen Formaten lassen sich wie folgt charakterisieren:

Analog zur „Call-und-Put“ Funktion an den Kapitalmärkten

  • Es herrscht die Tendenz, nach oben oder nach unten zu spekulieren, wie es gerade opportun erscheint, wie es dem allgemeinen Kenntnistand und der situativ angebrachten Gerüchteküche entspricht
  • Wirtschaftliche und fachliche Komplexität bringt hingegen kaum Auflage
  • Das grundsätzliche Dilemma: Die Mainstream-Meinung liegt letztlich immer falsch
  • Fazit: Rund Drei Viertel aller Menschen verlieren an der Börse Geld. Nur ein Viertel gewinnt.

Deswegen bleiben wir, statt aufgeregter Debatten, lieber auf dem Boden der Tatsachen, zwischen journalistisch angehauchten Bloggern und bloggenden Journalisten. Ein bisschen mehr Forschergeist steht uns allen gut zu Gesicht. Zum Abschluss deshalb ein paar Thesen:

Nicht schreiben sollten jene freie Journalisten, die allein das als bodenständigen Hauptberuf gegen ein vernünftiges Honorar zu tun gewohnt sind.

Wer muss? B bis-C-bis-D-Promis, die kurz vor oder hinter dem Verfallsdatum stehen, müssen sogar auf der HP publizieren.

– Aber jetzt mal im Ernst: Es kann auf der HP auch derjenige publizieren, der anderweitig sein Geld verdient und in seiner Freizeit viel Spaß am Schreiben hat, aber nicht davon leben muss und will.

– Es können auch all diejenigen für die HP schreiben, die eitel, eingebildet und anerkennungssüchtig sind, die sich also gerne im Internet gedruckt lesen (das ist gar nicht zynisch gemeint, Menschen sind halt unterschiedlich).

– Es kann unabhängig vom Beruf auch derjenige unbezahlt schreiben, der dies als Teil einer größer angelegten Strategie ansieht, sich, sein Unternehmen oder seine Dienstleistung als Experte zu profilieren.

– Und publizieren in der HP können schließlich auch jene Menschen, die eine Leidenschaft oder ein Thema von gewisser Relevanz haben (Mode, Katzenfutter, Kochrezepte, aber auch ernsthafte Hobbies und Interessen). Das fällt dann irgendwie unter die vielschichtige Rubrik „soziale Rendite“.

– Und natürlich sind jene Glücklichen im Vorteil, die die HP längst als Teil einer erfolgreichen Monetarisierungsstrategie ihrer eigenen „Medienmarke“ und „Profilierung“ ansehen.

– Und dann kämen auch noch sonstige Freaks, Spinner und Phantasten in Frage (auch das ist nicht zynisch gemeint), um der Welt irgendwie-irgendwas über und mit den sozialen Medien mitzuteilen.

Habe ich was vergessen? Bitte ergänzen. Aufschlussreiche Kommentare jenseits von medialen Nebelkerzen in das eine wie das andere Extrem (Frontalkritik versus bedingungsloser Beweihräucherung) zur Huffington Post sind gerne willkommen, wegen der Windstille im Auge des Orkans …

Written by lochmaier

Oktober 22, 2013 at 7:59 am

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Co-Creation (3): Neue Anwendungsbereiche machen Schule

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Der Kunde redet nicht nur in der Konsumbranche (fast) überall mit. Selbst sensible Bereiche rücken in den Fokus. Zum Beispiel die Energiebranche oder das Gesundheitswesen. Ist gerade dort die Co-Creation nur Fiktion oder bald schon Realität, entscheiden Sie selbst.

Es gilt, eine Methodik richtig und konsequent anzuwenden, damit sowohl das Unternehmen als auch der Kunde von einer Innovationsinitiative profitieren. Nicht wenige Innovationsexperten rekurrieren dabei konzeptionell in der Regel auf den so genannten IDEO-Prozess, der auf eine gleichnamige in den USA beheimatete Design- und Innovationsberatung zurückgeht. Eine Theorie richtig anzuwenden, ist freilich kein Kinderspiel.

Dazu braucht es schon einen Maßanzug statt Stangenware. Für was also eignet sich die Einbindung von Kunden in den gemeinsamen Entwicklungsprozess? Denn nur wer einen eigenen Ansatz gerade für von rasanten Veränderungen besonders bedrohte „Problembranchen“ entwickelt, kann zusätzliche Potentiale jenseits der üblichen Produkttests und –bewertungen von Kunden abrufen, die gerade bei Produkten für die Welt der Endkonsumenten ohnehin mehr als nahe liegend sind.

Legen wir also an der richtigen Schnittstelle los, bei den seit längerem in der öffentlichen Kritik stehenden Energieversorgern. Was wäre, wenn Strom künftig nicht mehr verkauft, sondern nur noch als Dreingabe an die Kunden verschenkt würde? Wenn der Energieversorger seinen eigenen Erfolg daran messen würde, die Kunden beim Stromsparen zu unterstützen, statt nur an der Energieverschwendung zu verdienen?

Für so manchen Manager scheint dies ein unvorstellbares Szenario. Doch angesichts von schrumpfenden Gewinnen in der Strom- und Gasbranche müssen sich die Verantwortlichen von lieb gewordenen Pfründen verabschieden und sich im Gegenzug neuen Ideen und Kooperationen öffnen.

Denn die Bürger fordern zweifellos künftig deutlich mehr Einfluss auf die Energieerzeugung und –verteilung. In Berlin etwa möchten sie die Gründung von landeseigenen Stadtwerken im Zuge der Rekommunalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge mitgestalten. Diesen Veränderungsprozess können die vier Strommonopolisten nur dann erfolgreich bewältigen, wenn sie sich nach außen öffnen.

So nimmt in Berlin der „Energietisch“ (www.berliner-energietisch.net), eine Bürgerinitiative, in der sich inzwischen 50 lokale Organisationen zusammengetan haben, die Energiefrage selbst in die Hand. Denn zum Jahresende 2014 läuft der Vertrag zwischen dem Land Berlin und dem derzeitigen Stromnetzbetreiber Vattenfall aus. Grund genug für die Berliner Initiatoren, sich dafür zu engagieren, dass das Stromnetz wieder in landeseigene Hände gelangt.

Damit aber nicht genug. Der Partei übergreifende Zusammenschluss ist sich darüber hinaus einig, ein eigenes kommunales Stadtwerk aufzubauen. Am 3. November wird darüber übrigens in der Hauptstadt abgestimmt, worüber ich weiter berichte. Denn die Stadt ist voll von Plakaten und es wird durchaus darüber diskutiert, insbesondere nachdem die Energiewende durch die Strompreisproblematik in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt ist.

Das über die Volksabstimmung neu zu gründende Berlin Stadtwerk könnte Ökostrom erzeugen, verkaufen und die Bürger bei Fragen zur Energieeinsparung beraten. Zudem schwebt den Organisatoren vor, für mehr Transparenz und Beteiligung zu sorgen. Hierzu sollen Bürger und direkt gewählte Beiräte die Geschäftstätigkeit von Stadtwerk und Netzgesellschaft begleiten und überwachen.

Über das entsprechende Volksbegehren werden nun die Berliner im Herbst darüber abstimmen, wie ihre Energieversorgung zukünftig organisiert werden soll. Am Beispiel von Vattenfall könnte Co-Creation gerade bei gesellschaftlich umstrittenen Themen ein gestalterisches Mittel sein, um den Moderations- und Dialogprozess zu bündeln und diesen in strukturierter Art und Weise voran zu treiben. Sofern die Akteure dies denn möchten, denn der Berliner Senat hat es ja elegant verhindert, dass darüber parallel zur Bundestagswahl abgestimmt wird, so wie in Hamburg bereits erfolgt.

Ein anderes Beispiel ist das Gesundheitswesen: Was wäre, wenn neue Medikamententests direkt von Kunden mitgeprüft und nicht nur von der Pharmaindustrie in zweifelhafter Routine in den Markt gedrückt würden? Auch hier könnte ein intensiver Dialogprozess mit den Betroffenen dazu beitragen, um im gemeinsamen Prozess eine breitere Akzeptanz herzustellen, vorausgesetzt, die Produkte halten, was sie versprechen. Denn ohne ungeschönte und ehrliche Dialogbereitschaft ist jedes Vorhaben zur Co-Creation von vorne herein zum Scheitern verurteilt.

Written by lochmaier

Oktober 21, 2013 at 6:47 am

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Das „billige Geld“ und der schwierige Drogenentzug

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In den USA ist die Staatskrise mit der Einigung in letzter Minute zwischen Republikanern und Demokraten abgewendet. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, es wird weiter viel Geld gedruckt werden müssen, um den Staatsbankrott abzuwenden, und das gilt nicht nur für die USA.

Passend zur Verleihung des diesjährigen Nobelpreises in Oslo sagte der Wirtschaftswissenschaftler Robert Shiller:  Das Finanzwesen steuere die moderne Gesellschaft. „Das mag sich für manche Menschen seltsam anhören, aber es ist absolut wahr.“

Und damit sind wir beim Thema: In der letzten Sendung der ZDF-Satiresendung „Neues aus der Anstalt“ Anfang Oktober erklärte der Kabarettist Georg in fünf Minuten die Prinzipien der Bananenrepublik, basierend auf der Politik des „billigen Geldes“ auf den Finanzmärkten.

Dabei streift Schramm spielerisch den Einsatz von Massenvernichtungswaffen ebenso wie die für die Vertiefung der Kluft zwischen Reich und Arm notwendigen „Adrenalinjunkies“. Denn schließlich hatte die Finanzkrise die Ausmaße eines professionell organisierten Drogendeals, bei dem sich Süchtige und Abhängige mitunter sehr ähneln.

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Die vielschichtige Sprache des Geldes ist nicht leicht zu verstehen. Das Foto zeigt Straßenschilder in der Nähe des Ferienwohnsitzes von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bild: Lothar Lochmaier

Was hat sich seitdem geändert. Nicht viel, die Notenpresse hält viele Nationen weiter davon ab, sich andere Konzepte zu überlegen. Deshalb sollte man alles, was unter dem Motto „Vorsicht Satire“ daher kommt, auch richtig ernst ernst nehmen. Aber hören Sie am besten in fünf Minuten selbst hinein, auf welchen Prinzipien eine derartige Politik basiert :

Written by lochmaier

Oktober 17, 2013 at 9:55 am

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Co-Creation (2): Kundenbeteiligung krempelt Bankenbranche um

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Laut IT-Spezialist Infosys bewegt sich die Bankenbranche weg von der einfachen Zusammenarbeit (Collaboration) mit externen Dienstleistern, hin zu einer übergreifenden Innovationskultur mit Hilfe der Co-Creation.

Ein erstes Beispiel nach innen ist die Ideenplattform (www.ideenfabrik.de) der Sparkassen, über die 423 deutsche Institute, die eigene Marketingbudgets verwalten, Ideen einreichen und gemeinsam finanzieren können. Bis dato schienen derartige Ansätze auf die interne Optimierung der Wertschöpfungskette in der Finanzbranche begrenzt. Dabei wird es jedoch nicht bleiben. Auch die Kunden sind als gleichberechtigte Partner mit einzubeziehen.

Verdeutlichen wir den Trend in Richtung Co-Creation anhand von Praxisbeispielen. Vor drei Jahren startete eine der führenden französischen Banken, die Crédit Agricole, mit der Innovationswerkstatt „Alpha Project“ ein außergewöhnliches Projekt. Dabei handelt es sich im 8. Bezirk der Hauptstadt Paris um eine Art Erlebnisraum, in dem Kunden und Mitarbeiter gemeinsam neue Ideen für Bankprodukte und Dienstleistungen entwickeln. Unter anderem konnten Passanten zu Beginn des Vorhabens auf einer großflächigen Pinnwand direkt an der Straße neue Vorschläge notieren, die dann gemeinsam diskutiert wurden.

Zum Angebot gehören kurze Workshops mit den Klienten, Online-Befragungen, bis hin zu individuellen Interviews, um das Feedback der freiwillig für das Projekt rund 900 registrierten Kunden einzuholen. Mit am Tisch sitzen von Fall zu Fall auch Designer, um die Ideen auch visuell ansprechend umzusetzen.

Im Fokus stehen dabei vor allem die von den Kunden frisch gestaltete Bankfiliale, aber auch neue Ideen für die eine oder andere Bankenapp. So manches davon dürfte später auch in anderen Filialen und Niederlassungen zu sehen sein. Eine Idee befindet sich bereits in der Umsetzung, ein Infrarotsensor, um die Zahl der Besucher zu erfassen. Dies sei in erster Linie für die eigene Bank nützlich, um den Arbeitsfluss besser steuern zu können.

Das Beispiel Crédit Agricole ist dabei kein Einzelfall. Die italienische WeBank hat erfolgreich Pilotprojekte für neue Bankenapps gemeinsam mit den Kunden initiiert. Das Copycat zieht um die Welt. In Schwellen- und Entwicklungsländern spielt bei der Co-Creation die finanzielle Inklusion von Benachteiligten und Menschen ohne Bankkonto eine besondere Rolle.

In westlichen Industrienationen sehen Experten das gemeinsame Erarbeiten von Produkt- und Designlösungen vor allem im Bereich des Personal Finance Managements (PFM) als ideales Marktrevier. Einige Banken versuchen mit Hilfe von Innovationslaboren ihrer geschäftsstrategischen Entwicklung unter Einbezug von Partnern und Kunden eine zusätzliche Dynamik zu verleihen.

Seit einigen Jahren setzt auch die Deutsche Bank auf das visuelle Gestaltungsprinzip Design Thinking, um gemeinsam mit Experten und Forschern aus Universitäten und Instituten neue Ideen zu entwickeln. Der konzeptionelle Ansatz eignet sich laut Finanzinstitut vor allem dafür, unstrukturierte Probleme zu lösen, rasch Nutzen zu finden, Erfahrungen zu sammeln und Risiken auszuschließen. Das Motto lautet: Von Apple lernen, wie man benutzerfreundliche und begeisterungsfähige Produkte auf den Markt bringen kann.

Weitere Banken wie die deutsche Tochter CortalConsors von BNP Paribas haben bereits vergleichbare Initiativen gestartet. Cortal Consors lässt die Kunden ran, titelt finanzen.net. Mit anderen Worten: In der Kreativität liegt die Zukunft . Eines der sechs Konzepte aus der Co-Creation, das bald realisiert werden soll, nennt sich die „live balance-App“. Mithilfe dieser Applikation auf dem Smartphone oder dem Tablet-Computer sollen Bankkunden ihre Ausgaben auf einem Stadtplan verfolgen können. Der neue Kontoauszug erleichtert die persönliche Finanzplanung und zeigt, wo man wann wie viel Geld ausgegeben hat.

Zwar stellt ein derartiges Werkzeug zum Management der persönlichen Finanzplanung noch keine bahn brechende Neuerung im Bankenwesen dar. Jedoch lassen sich Produkte näher am Bedarf des Kunden ausrichten. Genau darin sieht Paul Jozefak, Geschäftsführer von Liquid Labs, einem Innovationslabor für neue Unternehmen und Produkte aus dem Bereich Finanztechnologie, das zentrale Motiv für die Finanzindustrie, sich künftig deutlich stärker nach außen zu öffnen.

Co-Creation und Community Sourcing seien sehr sinnvoll, da sich dadurch mehr Blicke auf ein Problem richteten, betont Jozefak. Wenn man den Vorteil großer Gruppen für sich nutze, könnten Innovationen viel besser vorangetrieben werden. Das Wichtigste dabei sei aber, den Prozess zu kontrollieren – denn, so der Experte weiter: „Bekanntlich verderben zu viele Köche ja den Brei.“

Die Bilanz nach drei Jahren Co-Creation gemeinsam mit den Kunden aus Sicht der französischen Crédit Agricole kann sich jedenfalls sehen lassen: Allein im vergangenen Jahr gab es 15 Workshops mit 126 Teilnehmern, Tendenz und Interesse weiter steigend. Das Projekt erweist sich dabei auch in seiner internen Sogwirkung als attraktiver Publikumsmagnet für die Bankmanager aus dem gesamten Unternehmen.

Etwas Neues ausprobieren, gemeinsam in lebendiger Umgebung neue Ideen über den gewohnten Geschäftsalltag hinaus zu entwickeln, wer würde schon bestreiten, dass dies gerade für die Bankenbranche in diesen Zeiten ein mehr als passender Innovationspfad sein kann.

Redaktioneller Hinweis: Qualifizierte Gastbeiträge willkommen!

Dieses Blog verzichtet auf Werbebanner und gesponserte Links. Qualifizierte Gastartikel externer Autoren sind auf diesem Blog aber gerne willkommen. Sie sollten jedoch ebenfalls nicht werblich sein (z.B. kein produktorientierter Finanzvertrieb), sondern eine klare inhaltliche These verfolgen.

Im Vordergrund steht dabei das Themengebiet: Wie können Kunden sich in der Bank von morgen wohl fühlen, wo liegt ein fairer Kompromiss? Welche neuen Geschäftsmodelle entstehen in der Finanzbranche? Dieses Weblog ist die Anlaufstelle für eine feine Lesercommunity, die sich meist professionell mit derartigen Fragen beschäftigt, nach dem Motto: Wir setzen auf qualitative statt quantitative Reichweite.

Welche neuen Ideen zur “Co-Creation” gibt es über das Internet? Mit welchen neuen Finanzkonzepten etwa via Green Crowdfunding lässt sich die dezentrale Energiewende beflügeln? – Das sind nur einige markante Kreisläufe, zu denen externe Autoren mit ihrem Know-how und frischen Texten beitragen können.

Dies kann auf Wunsch entweder als namentlich gekennzeichneter Gastartikel erfolgen – gerne aber auch auf Basis eines leitfadenbasiertes Interviews, um die denkbare Richtung des Beitrags etwas genauer vorzustrukturieren, so dass neue Wege beim gemeinsamen Gang leichter entstehen.

Die Beiträge werden bei Eignung und Veröffentlichung als “bezahlter Gastbeitrag” gekennzeichnet. Innovative Startups erhalten dabei vergünstigte Rahmenbedingungen. Konditionen auf Anfrage. Ich freue mich auf Ihre Anregungen.

Textvorschläge und Ideen bitte per mail an mich: lochmaier(at)gmx.de. Qualifiziertes Feedback ist im Leistungspaket enthalten.

 

Written by lochmaier

Oktober 14, 2013 at 7:49 am

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Co-Creation (1): Gemeinsam sind wir stärker

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Der Kunde sitzt in der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen mit am Regiepult. Wie ein Trend Schule macht.

Was früher unter dem konservativen Mantel der einfachen oder qualifizierten Kundenbefragung daher kam, dafür gibt es heute viele Begriffe und ein Ziel: Nicht wenige Unternehmen beschäftigen sich mittlerweile aktiv damit, dem eigenen Innovationskreislauf einen zusätzlichen Kick zu verleihen, via Design Thinking, Community Sourcing, Collaborative Economy, und, last but not least, der Co-Creation. Die Nutzer und Endkunden nehmen dabei als „Crowdworker“ direkten Einfluss auf Faktoren wie Markenbildung und Produktentwicklung.

Dass Crowdsourcing mitunter sogar traditionelle Unternehmensstrukturen ersetzen kann, demonstriert der Hamburger Unternehmer Uwe Lübbermann. Die von ihm ins Leben gerufene Getränkemarke Premium http://www.premium-cola.de/cola wird offenbar bereits seit elf Jahren vollständig aus der Crowd gesteuert, ganz ohne Geschäftsleitung oder Büros. Über eine Mailingliste verhandeln Kunden, Händler, Lieferanten und Mitarbeiter jede Unternehmensentscheidung. Der Firmenchef Lübbermann sowie die „Premium-Crowd“ setzen dabei auf die Prinzipien Konsens, Transparenz und nachhaltiges Wirtschaften.

Allerdings lassen sich derartige Beispiele nicht so einfach auf industrielle Kernbereiche jenseits von Konsumprodukten übertragen. Trotz des deutlichen Mehrwerts, den Crowdsourcing Unternehmen bieten kann, empfiehlt der eco-Verband den Unternehmen und Gründern eine durchdachte Herangehensweise. Denn Crowdsourcing stecke trotz seines Potenzials und deutlichen Fortschritten noch immer in einer frühen Entwicklungsphase. Einige missglückte Kampagnen der letzten Jahre – etwa der oft zitierte Designwettbewerb ‚Mein Pril – mein Stil’ von Henkel – hätten deutlich gezeigt, dass sich Risiken nie komplett ausschließen lassen, so der Verband.

Um deshalb an der richtigen Stelle anzusetzen, haben einige Management-Vordenker dazu an einer passenden Methodik gefeilt, um die Vorhaben in eine Struktur zu gießen, mit deren Hilfe Unternehmen ihre Anstrengungen nach Produkt- und Serviceinnovationen intensivieren. Mit Blick auf das via Web 2.0 deutlich verstärkte Interaktionsniveau rückt dabei die aktive Kundenbeteiligung in den Fokus. Das Stichwort dazu lautet Co-Creation, ein in diesem Kontext praxistauglicher Terminus, den ich deshalb in dieser Serie vereinfachend gebrauche.

Aber: Die jeweiligen Konzepte dahinter können allerdings recht unterschiedlich angelegt sein. Zunächst einmal sei festgestellt, dass es sich bei der „Co-Creation“ um mehr als einen Modetrend handelt. Umso mehr sollte jede Initiative sorgfältig geplant sein, was die aktive Rückendeckung der Unternehmensspitze voraussetzt. Dazu im Verlauf dieser vierteiligen Serie mehr. Was macht nun die Co-Creation als besonders wertvoll für die Unternehmen?

Es ist vor allem der runde Tisch und der aktive Ideenaustausch, den Spezialisten aus dem Unternehmen, Experten und Kunden gemeinsam orchestrieren. All dies auf systematischer Basis, etwa nach dem Motto des bildhaften Denkens und Handelns, das die d.school in Stanford, getreu den Grundlagen von Design Thinking als iterative Vorgehensweise wie folgt umschreibt: „Verstehen, Beobachten, Definieren, Ideen finden, Prototypen entwickeln, Testen und Weiterentwickeln“. Der Ideenfindungsprozess verläuft spontan, manchmal chaotisch, er bringt aber häufig gerade deshalb weniger vorhersehbare Ergebnisse mit sich, als wenn sich nur die fachlich bzw. formal zuständigen Spezialisten um den Tisch versammeln.

Grundsätzlich basiert die Methodik auf der Annahme, dass ein Unternehmen zu besseren und erfolgreicheren Produkten und Dienstleistungen gelangt, wenn sich nicht nur im gläsernen Elfenbeinturm interdisziplinäre Teams zusammentun, um intensiv daran zu arbeiten, sondern wenn parallel dazu auch die Nutzerperspektive aktiv eingebunden wird. Als Blaupause gilt hier der Global Player Apple, der es in den letzten Jahren vorexerziert hat, wie sich benutzerfreundliche, adaptiv ausgerichtete Produkte bis zur Marktreife entwickeln lassen, die die Kunden begeistern.

Wie eingangs beschrieben, lässt sich dieser Ansatz jedoch nicht von jedem x-beliebigen Unternehmen so einfach kopieren. Das Android- Betriebssystem im Mobilbereich wäre ein solches Beispiel zur Co-Creation, da es sich um eine Open Source Software für mobile Endgeräte handelt, auf der aufgesetzt und weiter entwickelt werden kann. Ein anderes Beispiel ist der Online-Gaming Spezialist Zynga, der auf Facebook aufsetzt, dabei aber ein eigenes System bildet. Aber der offene Ansatz stellt ales andere als einen langfristigen Überlebensgaranten dar. Denn offenbar haben die meisten Nutzer keine Lust mehr auf Zynga-Spiele, orakelt jedenfalls die Tageszeitung FAZ.

Wenden wir uns aber nach diesem kurzen Exkurs zur innovationsgetriebenen IT-Branche dem deutlich behäbigeren Bankensektor zu: Was passiert, wenn ein Investmentfonds nicht nur von Marktanalysten, Controllern, Risikomanagern und dem Business Development zusammengestellt würde? Wenn nicht nur Mitarbeiter das innerbetriebliche „Vorschlagwesen“ beeinflussten, wenn also Kunden plötzlich die Allokation von Projekten, Geldmitteln, ja ganzen Unternehmensstrategien mitgestalteten? Träume sind zwar erlaubt. Gerade in bislang so diskreten Branchen wie der Finanzindustrie oder Energiewirtschaft erscheint dies kaum als massentaugliche Fiktion.

Außerdem offeriert die Methode Co-Creation keine allgemein gültige Blaupause für den unternehmerischen Erfolg. Vor allem sollte es sich um deutlich mehr als reine Kundentests zur Nutzerakzeptanz von Produkten handeln. Schließlich sind gerade Apple’s bahn brechende Innovationen nicht von Kunden, sondern von hoch bezahlten Entwicklerteams aus der Taufe gehoben worden. Von zentraler Bedeutung ist es deshalb, eine klare Fragestellung, sprich ein brennendes Problem zu identifizieren – und in eine systematische Vorgehensweise zu überführen, damit heterogene Arbeitsteams unter Einbezug der Kunden zu praktikablen und zielführenden Ergebnissen gelangen.

Dies setzt voraus, dass den Verantwortlichen klar ist, worum es bei der Co-Creation geht. Handelt es sich um eine Serviceinnovation? Ein gänzlich neues Produkt? Neue Partner in der Wertschöpfungskette? Nur wer entsprechende Vorhaben sorgfältig plant und in den Arbeitsalltag integriert, kann jenseits von Marketing und Imagepflege profitieren. Im zweiten Teil beleuchte ich die Potentiale der Co-Creation anhand von Praxisbeispielen aus der Finanzbranche.

Written by lochmaier

Oktober 9, 2013 at 6:53 am

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Co-Creation (Serie): Der Kunde, also der Feind?

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Beum Lesen eines alten Börsenklassikers stieß ich auf einen interessanten Merksatz:

„Ein berühmter französischer Spruch an der Börse lautet: Der Kunde, also der Feind. Im allgemeinen Geschäftsleben gilt meist: Der Kunde ist König, aber in der Finanzwelt trifft der französische  Spruch eher zu.“

Quelle: Der große Kostolany, Ullstein-Taschenbuch, 2010, S. 401.

Stimmt der Satz auch wenige Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise immer noch oder verändert sich allmählich etwas, hin zu einer besseren Balance zwischen Renditemaximierung, Nachhaltigkeit und „Kundenorientierung“? Anders gefragt: Warum arbeiten Banken nicht gegen, sondern mit dem Kunden an der eigenen Zukunft und besseren Produkten? Urteilen Sie selbst….

Foto: Lothar Lochmaier - gesehen in Berlin-Friedrichshain

Foto: Lothar Lochmaier – gesehen in Berlin-Friedrichshain

Um derart knifflige Fragen genauer zu beleuchten, starte ich in den kommenden Wochen hier eine Serie zum Thema: Was leistet die Co-Creation im Bankensektor und anderen gesellschaftlichen Schlüsselbranchen? Dazu sind gerne auch qualifizierte Gastbeiträge willkommen. Mehr Infos dazu auf meinem Blog hier unter Gastartikel.

Written by lochmaier

Oktober 7, 2013 at 6:53 am

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Innovationsstrategien: Vom Tal der Tränen zum Gipfel

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Was macht ein Unternehmen innovativ? Mit dieser brennenden Frage beschäftige ich mich zum Abschluss dieser vierteiligen Serie.

Widmen wir uns abschließend dem so genannten „Innovationsdilemma“. Dabei gilt der folgende Grundsatz, angelehnt an den früheren Staatschef der Sowjetunion, Michael Gorbatchev: Nicht nur wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Man könnte auch ausrufen: Auch wer zu früh mit seinem Produkt oder Idee den Markt zu entern versucht, den kann dasselbe Schicksal ereilen.

Manche revoutionäre Ideen in der Wirtschaft haben auch die passende Idee, reiten aber das falsche Pferd. Die Folge: Oft genug macht ein Nachfolger das Rennen am Markt, dem es gelingt, die Ursprungsidee zur richtigen Zeit am richtigen Ort, passend für die jeweilige Zielgruppe, leicht abzuwandeln, weiter zu entwickeln, um damit zu reüssieren.

Zurück am Wegesrand bliebe in diesem Szenario der gehörnte Impulsgeber. Eindrücklich beschrieben hat die damit verbundene Zwickmühle, entweder „Löffel oder Suppe“ in einem stets sich weiter drehenden Wirtschaftskreislauf zu sein, Professor Clayton M. Christensen. Und zwar in seinem mittlerweile auch auf Deutsch übersetzten Werk „The Innovators Dilemma: Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahn brechende Innovationen verlieren.“

Die Kernargumentation von Christensen: Auch großartige Unternehmen versagen oftmals im Wettbewerb um Innovationen, obwohl sie (fast) alles richtig machen. Sie beobachten akribisch den Wettbewerber, sie befragen ihre Kunden, und sie verfügen über stattliche Forschungs- und Entwicklungsbudgets. Trotzdem verlieren sie plötzlich die Marktführerschaft, sobald bahn brechende Veränderungen bei Technologien oder Marktstrukturen auftreten, wie sich am Beispiel der Mobilfunkbranche, Musikindustrie oder am Schicksal von Buchverlagen festmachen lässt.

Illustriert werden kann der damit verbundene Weckruf am Fallbeispiel Nokia, ein Unternehmen, das zu Beginn dieses Jahrtausends immerhin den Mobilfunkmarkt dominierte, um nur kurze Zeit später wieder von der Spitze der Innovationspyramide verdrängt zu werden. Positiv betrachtet wiederum kann derjenige, der mutiger agiert als der Marktdurchschnitt, auch mehr gewinnen als andere Marktakteure, die oft nur als die „kleine Alternativoption“ unter vielen anderen wenig hervorstechenden Varianten wahr genommen werden.

Hier nun kommt die zentrale These von Christensen und anderen Autoren ins Spiel: Selbst gut aufgestellte Unternehmen schwächen sich selbst, sofern sie nur nach den vorherrschenden Managementmethoden handeln. Jeder Innovationsmanager kennt das Prinzip: Wer viele Stammkunden besitzt, der vernachlässigt aus meist nachvollziehbaren Gründen neue Produkte und Märkte, sprich Innovationen. Um es noch provokanter auszudrücken: Es sollte entlang der gesamten Organisation immer eine Art „Damoklesschwert“ schweben, denn das Bessere ist stets der Feind des Guten.

Welches Regelwerk gilt nun, um das einmal Erreichte ebenso gut zu bewahren wie das Neue nicht zu weit aus dem Auge zu verlieren? Ein schlüssig abgeleitetes Patentrezept gibt es dafür nicht. Jede innovative Unternehmensstrategie kann nur individuell greifen. Verfolge ich als Unternehmen ein niedriges, mittleres oder hohes Innovationstempo? Zielt die Geschäftsleitung mit einer neuen Dienstleistung oder einem Produkt auf einen mit niedrigen bis mittleren Einstiegshürden versehenen Markteintritt, oder möchte man sich als „Outperformer“ positionieren?

Nur wer diese Fragen jenseits vom durch die eigenen Interessen verstellten Tunnelblick klar und eindeutig anzunähern vermag, der kann die richtige Mixtur aus Angriffs- und Abwehrstrategie einschließlich des passenden Timings entwickeln. Daneben bleiben immer noch genügend Unwägbarkeiten auf der unternehmerischen Roadmap bestehen, weshalb dem krisenerprobten Innovationsmanager immer auch eine zentrale Frühwarn- und Diagnosefunktion zufällt. Kurz, er fungiert immer auch als unbequemer Mahner im manches mal selbstgefälligen Alltagsgetriebe, möglichst ohne dabei als allseits unbeliebter „Besserwisser“ zu gelten.

Written by lochmaier

September 30, 2013 at 7:16 am

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Innovationsstrategien: Industrie 4.0 trifft Lean Management

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Steuern autonome Produkte und Entscheidungsprozesse ganze Wertschöpfungsnetzwerke künftig nahezu in Echtzeit?

Es gibt in den Kreisen von Innovationsstrategen eine Reihe von Modewörtern. Sie reichen von Industrie 4.0 über Crowdsourcing bis hin zu Lean Management, um Veränderungen in den Wirtschaftswelt gerade bei den Produktionsprozessen zu beschreiben. Allerdings ist bei diesen pointierten Zuschreibungen nicht immer offensichtlich, worüber hier geredet werden soll. Deshalb zunächst einige Verknüpfungen aus Unternehmenssicht, um sich mit dem Status Quo der eigenen Innovationsstrategie zu beschäftigen. Hier ein Überblick über die unterschiedlichen Begriffsdefinitionen:

Crowdsourcing: bezeichnet die Auslagerung traditionell interner Teilaufgaben an eine Gruppe freiwilliger Nutzer, zum Beispiel über das Internet. Diese Bezeichnung ist eng an den Begriff Outsourcing angelehnt, gleich bedeutend mit der Auslagerung von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Dritte. Quelle: Wikipedia/LL

Lean Management: Darunter wird ein Managementansatz verstanden, der sich insbesondere durch die Grundprinzipien der Dezentralisierung und der Simultanisierung auszeichnet und dabei sowohl unternehmensintern als auch unternehmensübergreifend das Ziel verfolgt, eine stärkere Kundenorientierung bei konsequenter Kostensenkung für die gesamte Unternehmensführung herbeizuführen. Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon/LL

Open Innovation: Wie im ersten Teil dieser Serie bereits beschrieben, bezeichnet der Begriff Open Innovation bzw. offene Innovation die Öffnung des Innovationsprozesses von Organisationen – und damit die strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des Innovationspotenzials. Das Konzept beschreibt die zweckmäßige Nutzung von in das Unternehmen ein- und ausgehendem Wissen, unter Anwendung interner und externer Vermarktungswege, um dadurch Innovationen bei Produkten und/oder Dienstleistungen zu generieren. Quelle: Wikipedia/LL

Industrie 4.0: Die Bezeichnung „Industrie 4.0“ soll die vierte industrielle Revolution zum Ausdruck bringen. Die erste industrielle Revolution bestand in der Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft, darauf folgte die zweite industrielle Revolution, die Massenfertigung mit Hilfe von elektrischer Energie, daran anschließend die digitale Revolution, der Einsatz von Elektronik und IT zur weiteren Automatisierung der Produktion. Das Ziel dieser neuen Evolutionsstufe ist die intelligente Fabrik, die sich neben einer effizienten Vernetzung auch durch die Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse auszeichnet. Quelle: Wikipedia/LL

Wer nun diese vier begrifflichen Linien zusammen denkt, der erkennt den roten Faden, ein erweitertes Verständnis der klassischen Wertschöpfungskette zu generieren. Während Lean Management der Klassiker ist, für den verbindet sich heute vieles mit der neuesten Wortschöpfung „Industrie 4.0“. Das Thema betrifft die gesamte Wirtschaft, ruft jedoch in Reihen der Praktiker in den Unternehmen eine durchaus gut begründete Skepsis hervor.

Aber in Expertenkreisen hat sich das Schlagwort „Industrie 4.0“ bereits hartnäckig etabliert. Damit gemeint ist die Individualisierung aller Prozesse mit Hilfe der Informationstechnologie, also eine Weiterentwicklung des Internets der Dinge und des Cloud Computings. So sollen die Anwender von der App-Revolution auf breiter Front profitieren, eben auch in der klassischen Industrie.

Dass die Informationstechnologie heute alle Lebensbereiche erfasst hat, ist angesichts von Cloud Computing und mobilen Endgeräten kein Geheimnis mehr. Dass jedoch mit der fortschreitenden Digitalisierung auch der Anteil der professionellen IT-Systeme in der klassischen Industrie weiter zunimmt, mit dieser Tatsache beschäftigen sich bislang überwiegend Expertenrunden.

Sorgen bereitet jedoch die tiefe Kluft zwischen rationaler Erkenntnis und der alltäglichen Umsetzung. Schließlich rief so mancher Experte bereits vor zwei Jahrzehnten die Revolution des Computer Integrated Manufacturing (CIM) aus, eine vollständig durch vernetzte Rechner gesteuerte Fertigung. Doch die radikale Idee blieb damals im theoretischen Ansatz stecken, vor allem, weil es an passenden Schnittstellen und notwendigen Querschnittstechnologien mangelte.

Unter dem Leitmotiv Industrie 4.0 nimmt die Vision nun einen neuen Anlauf, bei der autonome Produkte und Entscheidungsprozesse komplexe Wertschöpfungsnetzwerke nahezu in Echtzeit steuern sollen. Es wäre ein Quantensprung, nach Dampfmaschine, Massenproduktion und Automatisierung. Die zwei Achsen sind, erstens: Cyber Physikalische Systeme (CPS), eine Einheit aus computertechnischen und physikalischen Systemen, etwa ein kommunikationsfähiger Sensor. Zweitens: Das „Internet der Dinge“, es verknüpft physikalisch identifizierbare Objekte (things) mit virtuellen Repräsentanten nach dem Muster der Internetstrukturen.

Maschinen, Anlagen, Werkstücke und Bauteile sollen künftig Daten und Informationen in Echtzeit austauschen. Die Folge: Ein möglicher Effizienzschub, bei einer höheren Sicherheit und gleichzeitiger Ressourcenschonung in Produktion und Logistik. Jedoch erfordert dieser Prozess von den dezentralen Einheiten vor Ort mehr Eigenverantwortung jenseits von Befehls- und Hierarchiesträngen. Es gibt also gerade für die Innovationsmanager viel zu tun, wenn sie die Verantwortung immer tiefer ins Unternehmen und ein weit verzweigtes Netzwerk hinein verlagern und von dort aus steuern.

Oder wie es ein gängiges Sprichwort aussagt: Jede Einheit ist nur so gut wie das schwächste Glieder in der Kette. Also: Für die Innovationskultur in den Unternehmen ist es bedeutsam, hinter den einzelnen Schlagworten den Menschen hinter der Maschine im Zusammenspiel mit der gesamten Organisation im Blickfeld zu behalten. Und hier lautet die Kernbotschaft: Erfinde Dich mit Hilfe Deiner Mitarbeiter, Partner und Kunden ständig neu, achte aber auch auf das Detail, das Kleingedruckte im zwischenmenschlichen Bereich.

Überprüfe Deine Selbstwahrnehmung häufiger als sonst. Denn die Zeit, in der neue Ideen und Produkte ausschließlich im gläsernen Elfenbeinturm durch wenige Tüftler und Denker heran gereift sind, diese Epoche gehört zur Vergangenheit der Pioniere in der ersten bis dritten Industrialisierungsphase. Ein intelligentes Netzwerkmanagement zu betreiben, lässt sich somit als die Schlüsselfertigkeit beschreiben, die Innovationsmanager heutzutage unter rauen Testbedingungen unter Beweis zu stellen haben. Die gute Nachricht lautet: Auch dies ist keine Geheimwissenschaft, wie ich im letzten Teil dieser Serie aufzeigen werde.

Written by lochmaier

September 25, 2013 at 1:28 pm

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