Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Crowdinvesting: Interview mit Innovestment zu Chancen+Risiken

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Jüngst hat Crowdfunding vom Boden abgehoben und es wurden über kickstarter einige Millioneninvests erfolgreich durch die Community lanciert. Auch das deutsche Portal seedmatch ist nach mehr als drei Jahren Vorarbeit mit einigen Projekten im „Turbo Elevator“ sehr erfolgreich – Eine Bestandsaufnahme des Trends im Gespräch mit Robert MacKenzie* von der ebenso erfreulich gestarteten Crowdinvesting-Plattform Innovestment, den ich auf dem Berliner Start up Camp getroffen habe.

Social Banking 2.0: Wie beurteilen Sie den Reifegrad der unterschiedlichen Crowdfunding- bzw. Crowdinvesting-Geschäftsmodelle (z.B. nach dem Gartner-Modell von Jackie Fenn: Pfad der Erleuchtung, Tal der traurigen Erkennntis, reale Marktdurchdringung etc….) und den Status Quo der Entwicklung?

Robert MacKenzie: Aus unserer Perspektive ist Crowdinvesting noch ein sehr junger Markt. Man könnte die derzeitige Phase durchaus als Hype bezeichnen, was sich auch an der schnell wachsenden Anzahl der Akteure widerspiegelt. Sicherlich wird sich dort in den nächsten Monaten eine Konsolidierung und Ausdifferenzierung stattfinden, so dass nun eine strategisch spannende Phase ansteht. Innovestment ist beispielsweise stark im Segment der High-Tech Unternehmen aufgestellt.

Social Banking 2.0: Besteht somit derzeit nicht die Gefahr, dass sich Crowdfunding zum Hype entwickelt, und es bald zu einer größeren Enttäuschung kommt, weil nicht jede finanzierte Idee und jedes Startup den hohen Erwartungen stand halten kann?

Die Investition in ein Startup ist ein Wagnis. Das muss jedem Investor klar sein. Bei Innovestment legen wir großen Wert darauf, dass Investoren ausreichend Zeit haben, sich mit dem jeweiligen Startup und Business Plan vertraut zu machen, um selbst die Chancen und Risiken abwägen zu können und eine Zahlungsbereitschaft zu formulieren. Es soll kein Druck entstehen, möglichst schnell zu einem vorgegebenen Preis zu kaufen, bevor alle Anteile vergeben sind.

Andererseits bietet Crowdinvesting auch die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem Aufwand in ein Portfolio an Startups zu investieren, und so das eigene Risiko zu streuen. Diese beiden Punkte sind in Bezug auf die Erwartungshaltung eines Investors nach unserer Meinung essentiell, nämlich eine bewusste Entscheidung und eine gesunde Risikostreuung.

Social Banking 2.0: Derzeit differenzieren sich am Markt recht unterschiedliche Modelle zwischen Crowdfunding, Crowdinvesting und Crowdfinance. Wo sortiert sich Innovestment ein, worauf basiert das Geschäftsmodell?

Innovestment ist klar im Bereich Crowdinvesting positioniert. Wir vermitteln unseren Benutzern interessante Investitionsobjekte in Form von Startups. Das Geschäftsmodell basiert dabei auf einer Provision, die Innovestment bei erfolgreicher Vermittlung erhält.

Social Banking 2.0: Welche Zielgruppe spricht das Portal an?

Einerseits wenden wir uns an innovative Startups mit Wachstumspotential, die für die eigene Entwicklung Kapital und Förderer suchen. Andererseits adressieren wir private Anleger, die im eigenen Portfolio Direktbeteiligungen an Startups aufnehmen möchten. Laut unserer Analyse sind dies in der Regel vermögende Personen aus dem Wirtschaftsleben, die einen Business Case einschätzen können: Geschäftsführer, Unternehmensberater, usw.

Diese Personen bringen die entsprechende Kompetenz mit, konnten aber bislang oftmals nicht in Startups investieren, da eine „echte“ Business Angel Tätigkeit enormen Zeitaufwand und Kapitaleinsatz erfordert. Wir machen damit das Startup-Investment für einen neuen Personenkreis zugänglich

 

Robert MacKenzie: Crowdfunding ist ein innovatives Investment

Social Banking 2.0: Wie ist die Bilanz der bisherigen Entwicklung?

Sehr positiv! Wir haben bis dato 5 Auktionen erfolgreich abgeschlossen und ca. 400T€ vermittelt. Jeden Tag erhalten wir neue Registrierungen und Zuschriften von interessierten Startups. Besonders spannend ist derzeit das Interesse von Seiten der etablierten Player. Viele Gründerförderer, VC-Firmen etc. werden auf uns aufmerksam, und suchen den Dialog. Derzeit läuft die Auktion von leasinGo. [ergänzender Hinweis: www.innovestment.de/leasingo) , ein neuartiges B2B-Leasingportal – Auktionsende war am Sonntag den 22. April.]

Social Banking 2.0: Auf dem Startup-Camp in Berlin wurde deutlich, dass mittlerweile auch größere Kapitalgeber aus Private Equity und Venture Capital allgemein gesprochen das Crowdfunding auf dem Radar haben. Welchen Radius kann diese Entwicklung nehmen, wird Crowdinvesting (im BtoB-Sektor) eher ein ergänzendes Finanzierungsinstrument zu klassischen Varianten bleiben oder stehen wir hier am Beginn einer größereren Entwicklung?

Oder anders gefragt: In meinem Buch „die Bank sind wir“ habe ich die Chancen aber auch Grenzen der kollektiven Schwarmintelligenz auf den Finanzmärkten intensiv thematisiert? Die Masse liegt ja nicht immer richtig, gerade an der Börse gewinnt eine Minderheit, wie lässt sich deshalb die produktive Anlegerintelligenz jenseits von kurzlebigen Hypes in einem nachhaltigen Geschäftsmodell steuern?

Zunächst sehen wir Crowdinvesting als Schritt in Richtung der „Demokratisierung“ der Unternehmensfinanzierung – übrigens entlang einer der Gründung der ersten Aktienbörsen sehr ähnlichen Logik. Dies bedeutet zuvorderst eine ökonomische Effizienzsteigerung. Crowdinvesting ist dabei für uns klar eine Ergänzung zu klassischen Finanzierungsformen, denn jede Form hat Vor- und Nachteile.

Die aktive Coaching- und Kontrollfunktion eines engagierten Business Angels kann kein Schwarm übernehmen, aber alle Seiten können von einer Zusammenarbeit profitieren. Dennoch ist nicht zu unterschätzen, was in der „Crowd“ an Unterstützungspotential, Wissen und Netzwerk liegt. Die Herausforderung liegt hier beim Gründer. Wie kann er das Potential der Crowd, abgesehen vom Geld, voll nutzen, und welche Vorteile anderer Finanzierungsquellen nutzt er zusätzlich? Wenn dies gelingt, kann die Crowd für Startups enormen Wert schaffen und diese deutlich weiter bringen. Wir werden auf unserer Plattform schon bald weitere Features launchen, die dies unterstützen.

Social Banking 2.0: Noch einmal nachgehakt: Wodurch unterscheidet sich Innovestment von anderen Plattformen wie investiere.ch oder seedmatch?

Der wesentliche Unterschied ist der Auktionsmechanismus von Innovestment. Der Preis wird mit einer stillen Beteiligung per Versteigerung ermittelt. Ähnlich wie bei einem IPO bestimmt sich aus der Nachfrage nach Beteiligungen der „Kurs“, und damit auch die Unternehmensbewertung für das Startup. Gegenüber unseren Mitbewerbern schreiben wir also kein Preisschild an ein Startup, sondern vertrauen auf einen Marktmechanismus – dies wird sowohl von Investoren als auch von Startups als sehr fair und transparent empfunden.

Social Banking 2.0: Was hat Sie persönlich dazu bewogen und gereizt, bei dieser Geschäftsidee mitzumachen und aktiv in das „Join(t) Venture“ Innovestment einzusteigen?

Ich kenne einige der Gründer seit Jahren, seitdem wir uns bei der Studentenorganisation AIESEC kennengelernt und gemeinsam an mehreren Projekten gearbeitet haben. Als ich von der Idee erfahren habe, schrie ich so etwas wie „Mensch, die Idee hätte ich gern gehabt!“ Für mich war das Potential der Idee sofort erkennbar und ich wusste, wie gut das Team war. Ich bat meine Unterstützung an und war sehr erfreut, über das Angebot mit einzusteigen. Bei Innovestment kann ich mich als promovierter Ingenieur in den Bereichen NanoTech & MedTech, aber auch mit Startup-, Führung und Managementerfahrung voll entfalten. Zusammengefasst: tolles Team plus innovative Idee gleich Traumjob in dieser Phase meines Lebens.

Social Banking 2.0: Welche speziellen skills und Fähigkeiten braucht ein sich in den Basiskompetenzen gut ergänzendes Managementteam, damit ein Businessmodell in diesem Bereich auf längere Sicht erfolgreich sein kann?

Wie jedes Gründerteam ist ein gutes Team in diesem Bereich aus komplementären Personen aufgebaut. Sowohl von den Hintergründen, als auch von den Charakteren. Wichtige Kompetenzen sind Gründungserfahrung, Finanzaffinität, ein klarer Blick auf Geschäftsmodelle, eine strategische Vision und nicht zuletzt ein ausgeprägter „Umsetzungstrieb“. Gerade im Umgang mit Investoren und Startups ist ein Verständnis für die jeweilige Situation unersetzlich für einen vertrauensvollen Umgang.

Social Banking 2.0: Abschließend die Frage zu den Zukunftsperspektiven: Welche Roadmap und Businessplan verfolgt Innovestment, was ist möglich, was eher nicht (neue Zielgruppen, höhere Investments, neue Kooperationen etc.)?

Es gibt derzeit viele sehr spannende Perspektiven, die wir nach und nach beleuchten. Sicherlich möchten wir nicht stehenbleiben, aber für konkrete Aussagen ist es ein wenig früh. Man darf gespannt bleiben, daher lohnt ein Besuch auf http://www.innovestment.de nicht nur wegen der spannenden Startups.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Lothar Lochmaier

Weitere Portraits zu Crowdfunding- und -investing-Plattformen im Startup-Bereich finden Sie in meiner kleinen Interviewserie vom vergangenen Jahr: Seedmatch  Cofundit  C-Crowd   – und in einem Gastbeitrag der Schweizer Plattform investiere.ch, der Crowdfunding als Königsweg der Frühphasenfinanzierung unter die Lupe nimmt.

Zum ersten Teil dieser vierteiligen Serie plus Umfrage gelangen Sie hier:

Crowdfunding in der Cloud: Zwischen Euphorie und Blasenbildung

* Kurze Biographie von Dr. Robert MacKenzie:

Er ist in Kanada aufgewachsen und lebt seit 2000 in Europa. Er hat an der University of Windsor in Kanada Elektrotechnik & Mathematik studiert (B.A.Sc.), an der Universität Karlsruhe in Deutschland Elektrotechnik & Informationstechnik studiert (M.Sc.) und and der ETH Zürich in der Schweiz im Bereich der Nanotenologie und Medizintechnik promoviert (Dr. sc. ETH Zürich). Während seines Studiums hat er mehrere Auszeichnungen erhalten, er ist Erfinder an mehreren Patenten und Autor von zahlreichen wissenschaftlichen Artikeln. Zwischen jedem Studium war Dr. MacKenzie in der Wirtschaft ca. 1-3 Jahre in Schlüssel- bzw. Führungspositionen angestellt, beispielsweise bei Hewlett-Packard oder im Bundesvorstand der AIESEC e.V. in Deutschland. Bereits studienbegleitend hat Dr. MacKenzie umfassende Berufserfahrung gesammelt und war international ehrenamtlich engagiert. Durch seine Tätigkeiten wurde er als Trainer, Moderator, Seminar- & Projektleiter ausgebildet, war weltweit in interdisziplinären Teams auch als Führung im Einsatz und besitzt viel Erfahrung in der Führung von Menschen und Teams. Nach seiner Promotion gründete Dr. MacKenzie das Unternehmen „MacKenzie Innovations“ als Spin-Off der ETH Zürich, das Auftragsforschung und -Entwicklung im Bereich der Nanotechnologie und der Medizintechnik betreibt. Neben dieser Tätigkeit beriet er auch Start-Up Unternehmen in Deutschland und in der Schweiz.

 

Written by lochmaier

April 25, 2012 um 6:30 am

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2 Antworten

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  1. […] Social Banking 2.0: Crowdinvesting: Interview mit Innovestment zu Chancen+Risiken […]

  2. Spannend! Auch der Plattformprovider investiere.ch hängt allerdings kein Preisschild an ein Startup. Die Bewertung kommt (wie am VC Markt üblich) durch einen erfahrenen Lead Investor zustande, welcher sich mit signifikanten Ko-investoren abstimmt. Dies ist nur möglich, da auf investiere.ch nicht nur Anfänger investieren, sondern VC-Neulinge zusammen mit professionellen Koinvestoren wie traditionellen Business Angels, Banken und gelegentlich auch VCs investieren – selbstverständlich zu gleichen Konditionen – und so von der Expertise aller Investorentypen profitieren.

    Der Auktionsmechanismus ist zwar ein interessantes Feature, hat aber auch grosse Schwächen. Insbesondere die „smartness“ der zu berücksichtigenden Investoren kann nicht einfliessen – für Startups in der Regel genauso entscheidend wie das Geld.

    Disclaimer: Bin Gründer von investiere.ch

    Steffen Wagner

    April 25, 2012 at 1:48 pm


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