Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Deutsche Bank: Zu(un)recht die Nummer eins bei Social Media?

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H & H Webranking Award 2009! Deutsche Bank mit Sonderpreis „Best Social Media Presence“ ausgezeichnet – diese Meldung könnte einen unbedarften Menschen glatt umhauen. Denn was ist eigentlich so preisverdächtig an den „sozialen Medien“, die ein Unternehmen bzw. eine Bank wie nutzt, oder auch nicht? Komisch, dass immer die gleich großen und bekannten Unternehmen solche Preise wie den beim Webseiten-Bewerter Hallvarsson und Halvarsson (H&H) einheimsen:

http://www.webranking.eu/

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing, mag das Motto so mancher Unternehmensberatung sein. Daran wäre nichts Verwerfliches, denn so funktioniert der Kapitalismus bislang. Aber warum das Ganze auch noch mit Preisen überhäuft werden soll, lässt sich in Frage stellen. Wer sich mal anschauen möchte, welches Ausmaß die „kreative Zerstörung“ mit Hilfe von Social Media in der Bankenlandschaft annimmt, sollte sich die Citibank (bald Targobank) genauer ansehen, so geht Bank heute bestimmt nicht:

www.so-geht-bank-heute.de

Meine prämierungwürdige Definition für die Deutsche Bank & Co. wäre eher diese hier: Social Media ist keine Technik, sondern eine Aktion, um die Gespräche zwischen einer Bank und den Kunden auf gleicher Augenhöhe zu unterstützen. Soziale Medien schaffen einen kreativen Freiraum, damit Neues entstehen kann. Die Hierarchie wird somit durch einen Geist der gleichberechtigten Kooperation abgelöst.  

Wer den Status Quo der Aktivitäten mit Blick auf Social Media bei deutschen Banken einmal näher einsehen will, findet auf Finance 2.0 eine relativ vollständige Übersicht. Aber auch Boris Janek zieht ein sehr nüchternes Fazit, seiner mehr als zweijährigen Bemühungen, produktive Ansätze zu identifizieren und zu beschreiben: 

Denn die meisten Unternehmen und vor allem Finanzunternehmen sind dabei die Social Media Landschaft zu zerstören, bevor sie richtig zu blühen begonnen hat. Social Media wird überwiegend als Marketing Instrument und Sendemedium verstanden und verwendet. Fast 80 % der Banken scheinen nicht in der Lage zu sein menschliche Gespräche im Internet zu führen.

Quelle: http://electrouncle.wordpress.com/2009/12/16/alle-banken-sind-schon-da/

Haben Sie jetzt einen Overkill an Social Media? Das dazu nur allzu leicht verwechselbare Grundverständnis nicht weniger Banken lautet eher so: Das Web 2.0 und die sozialen Medien nutzen wir als einen zusätzlichen Vertriebs- und Pressekanal, um den Kunden mit unseren Botschaften und Produkten zu beglücken. Der Dompteur füttert seine Kätzchen, er hofft, dass sie später zu keinen Raubtieren heranwachsen, sondern zu kleinen Bettvorlegern als Haustiger.

Der Klient darf sich bei Social Media 1.0 dafür sogar artig in eigens eingerichteten Feed back Schleifen bedanken, und auch vorsichtig den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag einreichen, wie er sich denn seine Hausbank noch besser vorstellen könnte.  Aber bitte nicht zu viel davon! 

Hier gehts erstmal zum preisverdächtigen Auftritt bzw. Übersicht der größten deutschen Bank – und was sie alles so an vielschichtigen Kanälen bei Social Media bedient, die sie aus allen Richtungen befeuert:

http://www.deutsche-bank.de/de/content/company/social_media.htm

Gehen wir mal ins Detail der Analyse – zunächst die per Twittern bedienten Kunden:

1. Auf dem Kunstkanal der Deutschen Bank Artmag. http://twitter.com/ArtMag_DB tummeln sich gerade mal sechs Nutzer. Ein elitärer Kunstbegriff und abgehobene Diskussionen dienen mehr der eigenen Inszenierung als der dialoghaften Verankerung zwischen Bank, Kreativschaffenden und Kunst. Fazit: Da reicht es, wenn die Deutsche Bank auch weiterhin ein paar schöne und möglichst teure Ölgemälde ausstellt, die exklusive Besucher dann zu Gesicht bekommen. Wem das mit Blick auf ein Beuysches Kunstverständnis (Jeder ist ein Künstler) noch nicht reicht, der wird beim Themenkanal Deutsche Guggenheim fündig: http://twitter.com/deutschegugg 

2. Auch – gemessen an den eigenen Ansprüchen – nur knapp 600 Folgende hat der Nachrichtenkanal http://twitter.com/db_news. Kein Wunder: Kritische Diskussionen bleiben ausgespart, im wesentlichen wird politisch Korrektes gepostet, vor allem über die eigenen Produkte. Das lockt gerade auf Twitter keinen hinterm Ofen hervor, außer jene, die den Aktivitäten der Bank ohnehin aus beruflichen Gründen folgen müssen.

3. Das grüne Gewissen: Es gibt ja keine Bank mehr, die heute nicht komplett auf „grün macht“. Sprich, das Thema allein ist noch kein Ansatz für „Social Media“. wie sich auf der Umweltfrequenz „Climat Change“ nachverfolgen lässt  http://twitter.com/knowthenumber. Auch hier verweist die Deutsche Bank vor allem auf eigene Studien, bzw. bringt fast nur eigene Experten ins Spiel, so dass der Eindruck sich verhärten soll, das Institut stehe an vorderster Front bei der Bekämpfung des Klimawandels.  Immerhin: 274 Follower. 

4. Auch die Infokanäle über die hauseigenen Produkt-Infoschienen X-Markets http://twitter.com/X_markets bzw. das Flaggschiff DWS_Investments http://twitter.com/dws_investments/ werden kaum verfolgt.

5. Fußball ist unser Leben: Immerhin 478 follower (Stand 17.12.09) beim Kanal Deutsche Bank Skyliners  http://twitter.com/skyliners, dem hauseigenen Dreamteam. Da kommt zumindest bei diesem politisch unverdächtigen Thema etwas persönliche Färbung auf. Ganz risikolos, dieses Spiel kann die Deutsche Bank nur gewinnen.

6. Facebook: Es reicht ja heute schon, die Präsenz als erfolgreich abzuhaken, leider scheint sich auch dort kaum einer für die Seite http://www.facebook.com/pages/DWS-Investments/57082881254/ oder http://www.facebook.com/dbFX zu interessieren. Wirklich preisverdächtig, aber in welche Richtung? eher für die „sozial-saure Bankengurke des Jahres“.

7.  Flickr: Fotostreams – z.B. http://www.flickr.com/photos/dbfx – Brauchen wir das wirklich? Solche Fotos gibt es doch schon genug.

8. Youtube: z.B. http://www.youtube.com/user/DeutscheBankGruppe  – Schauen Sie sich mal im Überflug über die tollen Wolkenkratzer der Frankfurter Skyline die Deutsche Bank von oben und im O-Ton von Josef Ackermann an. Gedrechselte professionelle (und teure) Imagevideos, die bei der Kundschaft nicht gerade die Sehnsucht nach ehrlichem Feedback auslösen. Interessant sind vielleicht noch am ehesten die einen oder anderen Follower oder Freunde der Deutschen Bank, auf den unterschiedlichen Kanälen, z.B. kann man sich hier über urbane Kunst informieren, die auch die Bank fördert: http://www.youtube.com/user/UrbanAge Durch die Cities Programme an der London School of Economics and Political Science und der Deutschen Bank Alfred Herrhausen Gesellschaft initiiert, richtet Urban Age  internationale und interdisziplinäre Veranstaltungen und Forschungsprogramme aus, und unterstützt die Schaffung einer neuen städtischen Agenda für globale Städte.

Bilanzieren wir trotzdem : Was ist preisverdächtig an diesem Einsatz von Social Media?

Die Frage ist schon beantwortet. Wagen wir lieber einen Ausblick: Abschließend sollte den Lesern eine ganz aktuelle Studie des Forschungsarmes der Deutschen Bank nicht vorenthalten sein, die zeigt, wie tief der Vertrauenverlust ist, den die Banken erlitten haben.

http://www.dbresearch.com/MAIL/DBR_INTERNET_EN-PROD/PROD0000000000251855.pdf

Wer sich die 28 Seiten aufmerksam durchliest – wird feststellen, dass die Verantwortlichen selbst wissen, welch schwierige Zeiten auf sie zukommen. Welch kreative Rolle soziale Medien in diesem Prozess spielen, darüber fällt übrigens kein einziges Wort.

Umso mehr verwundert diese Aussage hier, die auch ein Ausdruck der Hilflosigkeit gegen „Social Media“ darstellt, gegenüber der geballten Macht der Bankkunden, die sich womöglich künftig anderer Kommunikationskanäle und Organisationsformen bedienen, als die ausschließlich von oben hierarchisch gesteuerten:

Eine der größten Herausforderungen für die Banken – neben der Anpassung an ein beträchtlich verändertes Geschäftsumfeld – wird es daher sein, ihre beschädigte Reputation möglichst schnell wieder herzustellen und das Vertrauen der Kunden, Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit insgesamt zurück zu gewinnen.  

Quelle: Deutsche Bank Research: Globale Bankentrends in der Krise, Dezember 2009, S. 25.

Fazit: Und hier schließt sich wenig elegant der Kreis zwischen dem was Social Media im konventionellen Bankenumfeld darstellt, und dem, was es sein könnte. Wer nicht loslassen kann, und sich für neues öffnet, wird auch das Vertrauen der Kunden nicht wirklich zurück gewinnen. Die Abwanderung der Kunden wird sich indes schleichend vollziehen, ähnlich wie bei der SPD, als sie in Widerspruch zu ihrem eigenen Parteiprogramm geriet. Da bleibt den Oberen der Deutschen Bank tatsächlich wie oben angedeutet nur noch, die politischen Entscheidungsträger für ihre Zwecke zu gewinnen. Wie wäre es stattdessen mit dem Versuch, soziale Medien als offenes Dialoginstrument einzusetzen? Darüber fällt in dem Forschungsreport von DB Research kein Wort.

Vielleicht kann man neue Spieler beim Social Banking dann mit rechtlichen Mitteln besser  bekämpfen, als wenn man sich mit Hilfe von Social Media dem konstruktiven und offenen Dialog mit den Kunden aussetzt, und die Welt der eigenen Produkte konsequent auf deren Interessen ausrichtet.  

Und wer jetzt doch wissen will, wie die „Bank der Zukunft“ auch mit Hilfe von Social Media funktionieren könnte, dem empfehle ich meinen Artikel hier zum Thema „Die Bank als sozialer (kultureller) Lebensraum“:

https://lochmaier.wordpress.com/2009/12/16/die-bank-als-sozialer-lebensraum-caja-navarra-macht-es-vor/

Written by lochmaier

Dezember 18, 2009 um 7:07 am

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6 Antworten

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  1. Mit einem Teil der Kritik haben Sie sicherlich recht. Sicher ist die DB keine Caja Navarra im Netz. Wahrscheinlich will sie das aber auch gar nicht sein. Schließlich unterscheiden sich die Geschäftsmodelle erheblich und damit auch die Kommunikation, die immer zielgruppengerecht und kein Selbstzweck sein sollte.

    twitter erreicht noch zu wenig Endkunden, dafür sind dort aber überproportional viele Medienschaffende unterwegs. Für diese Zielgruppe finde ich die Inhalte des DB-Streams absolut in Ordnung. Ob sich daraus auch ein Dialog entwickelt, ist auch Sache der Follower. Auf Facebook betreibt die DB weltweites Employer Branding. Das ist eigentlich ziemlich clever und in der Summe schon viel mehr als der direkte Wettbewerb auf die Beine stellt.

    In Ihrem Artikel über die spanische Sparkasse bemängeln Sie die Glas-ist-halbleer-Sichtweise vieler. Daher möchte ich an dieser Stelle das Social Media-Glas der Deutschen Bank als mindestens halbvoll bezeichnen.

    Thomas

    Januar 3, 2010 at 7:14 pm

  2. […] – allerdings weitgehend per Einbahnstraßenschleife – in Kontakt zu treten, wie ich hier beleuchtet […]

  3. […] Lochmaier hat sich in einem Beitrag ebenfalls mit der oben zitierte Studie befasst und kommentiert diese unter dem Social Media Aspekt: […]

  4. […] Media – allerdings weitgehend per Einbahnstraßenschleife – in Kontakt zu treten, wie ich hier beleuchtet […]


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