Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Muhammad Yunus entlassen: Zerbricht die große Idee rund ums Social Business?

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Nachrichtensender und andere Medien haben die gewichtige Nachricht heute schon vermeldet, doch die Gerüchteküche kursierte bereits seit längerem: Als „Bankier der Armen“ wurde er mit dem Friedensnobelpreis geehrt, dann brachte Muhammad Yunus mit seinen politischen Ambitionen die Premierministerin gegen sich auf. Dies ist eine unter mehreren Versionen.

Nun entließ Bangladeschs Zentralbank  Yunus als Direktor der von ihm gegründeten Grameen Bank für Mikrokredite, berichtet n-tv . Über die Hintergründe lässt sich allzu viel und ungeprüft spekulieren, persönliche Intrigen, politische Korruption im Heimatland Bangladesh, verwässerte Richtlinien zwischen einem Social Business, das sich immer wieder an der Grenzlinie zwischen wundersamer Geldvermehrung und der profitlosen Nachhaltigkeit aufrieb  – und für dessen negative Folgen jetzt mit Yunus eine Art „Sündenbock“ und Blitzableiter gesucht wurde.

Kein Zweifel: Von moralisch hohen Rössern sollten wir alle runtersteigen, der Mensch ist so wie er ist, mit viel Potential aber auch anfällig für geistige Irrungen und Verwirrungen. Das will übersetzt heißen: Oftmals ist gerade dort, wo man am meisten moralische Substanz vermutet am wenigsten enthalten.

Und umgekehrt sind dort, wo nur die reine Profitgier unterstellt wird, die Akteure bei genauerem Hinsehen gar nicht mal so amoralisch, wie vermutet, sondern haben durchaus eine soziale und/oder ökologische Lebensader. Die Grenzlinien zur Schwarz-Weiß-Malerei zu ziehen fällt umso schwerer, als dass unzählige Trittbrettfahrer die seriösen Anbieter von Social Business in Misskredit ziehen.

Für den promentesten Vertreter von Social Business, die Grameen Bank, dürfte die Entlassung des weltweit angesehenen Sympathieträgers einen herben Einschnitt bedeuten. Das Mikrofinanzinstitut schickte sich gerade an, auf dem amerkanischen aber auch europäischen Markt Fuß zu fassen.

Was also folgt aus dem erzwungenen Rücktritt von Muhammad Yunus, über dessen Hintergründe hier nicht blind spekuliert werden soll? Statt der großen Erklärtheorie verweise ich noch einmal auf drei Artikel, die ich zum Thema Social Business geschrieben habe, und die sich dem komplexen Thema von unterschiedlichen Blickwinkeln annähern – einschließlich eines Blogbeitrags über Bangladesh, immerhin einer der korruptesten Staaten dieser Welt.

Social Business: Wie der Konzern IBM eine Idee zweckentfremdet

Social Business/ Social Entrepreneur: Wie unternehmerisch kann und darf das Geschäft mit sozialen Werten sein? 

Bangladesh lauert überall: Wenn der Kleinanleger in die dunkle Börsenröhre schaut …

Fazit: Schaut man sich die heutige Presse zum entlassenen Mikrokredit-Vorreiter M. Yunus an, dann sieht man, dass der Kampf zwischen Rendite und Moral immer mit ungleichen Mitteln und Waffen geführt wird. Deshalb glaube ich nicht an den besseren neuen Menschen, sondern an Innovationen, die sich aus der Mitte der Gesellschaft heraus entwickeln. 

Aber auch hierzu bedarf es letztlich doch einer Art von moralischer Fundamentierung, ob man es so etikettiert oder nicht. Vielleicht würde ja auch ein bisschen Anstand schon ausreichen, ohne große Ethiktheorie dahinter. Oder was meinen die Leser zum vorläufigen Scheitern von Yunus, ist hier „nur“ eine Person gescheitert oder gleich eine ganze Idee wie das Kind aus dem Bade ausgeschüttet worden?

Nachtrag – Um die beiden extremen inhaltlichen Positionen für die Leser zu verdeutlichen, hier zwei weitere Referenzen bzw. Links: 

Kontra Social Business: Fernsehreportage im ARD Weltspiegel – „tödliche“ Abzocke mit Mikrokrediten am Beispiel Indiens.  

Pro Social Business:Trotz zunehmender öffentlicher Kritik bricht Deutsche Bank Lanze für Mikrokredite in Entwicklungsländern.

Update am 06.03.:  Zum Hintergrund der Entlassung von Muhammad Yunus siehe auch meine ausführlichere Analyse auf Heise Telepolis:

Social Business: Im Kreuzfeuer zwischen überzogener Rendite und gescheitertem moralischen Anspruch

Written by lochmaier

März 2, 2011 um 2:23 pm

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Eine Antwort

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  1. Bei den Anbietern von Mikrokrediten gibt es riesige Unterschiede. Wenn Hedgefonds mit Macht in diesen Markt drängen um eine höchstmögliche Rendite zu erwirtschaften, ist absehbar, dass die Betreuung und Prüfung der Kreditnehmer hinten runter fallen muss.
    Die in der Presse beschriebenen negativen Folgen sind dann zwangsläufig.

    Ein Mikrokredit an sich ist kein Kriterium für Social Banking.

    Die Grameen Bank ist als genossenschaftliche Bank im Besitz der Kreditnehmer und hat in langen Jahren sehr erfolgreiche Modelle der Prüfung und Betreuung der Kreditnehmer entwickelt.

    Yunus bleibt zusammen mit Raiffeisen eines der großen Vorbilder für Social Banking.

    J_Homann

    März 2, 2011 at 8:45 pm


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