Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Lokal gelöst: Wie gut (vernetzt) ist der seriöse Genossenschafts(b)anker am Ort?

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Wie seriös eine „Bank auf dem Dorf“ doch noch sein kann, das illustriert dieses Video aus dem Jahre 2008 – anhand der Genossenschafts- bzw. Raiffeisenbank und -kasse in Gammesfeld im Landkreis Schwäbisch Hall (wahlweise in deutsch im Bayrischen Fernsehen anzuschauen oder in japanisch):

Die spannende Frage lautet nun, wer gibt sich mit „Mini-Zinsen“ auf sein Erspartes zufrieden, nur eine rudimentäre Gruppe in der Gesellschaft, oder bald auch mehr?

Nun ja, dieses Weblog hatte ja bereits des öfteren über „Banker zum Anfassen“ berichtet (ohne dass man dabei selbst schmutzig werden sollte), siehe etwa hier ein durchaus positives Beispiel:

http://www.zeit.de/wirtschaft/geldanlage/2009-09/raiffeisenbank-ichenhausen

Nehmen wir Ernst Kronawitter zum Beispiel. Der 57-Jährige ist Vorstand der Raiffeisenbank Ichenhausen, gelegen in der bayrisch-schwäbischen Provinz zwischen Memmingen, Augsburg und Ulm. Für die Leser von Social Banking 2.0 gibt er ein Update, was die Bank künftig so alles vorhat: 

In den nächsten Wochen beginnen wir ein gemeinschaftliches, wissenschaftliches Projekt mit der Ruhr-Universität Bochum, das mit einer anonymen Mitarbeiterbefragung zum Thema „Mitarbeiterzufriedenheit und Organisationsklima“ startet. Wir als Raiffeisenbank Ichenhausen wollen uns zwar nicht als „nachhaltige Bank“ in einer engen Definition bezeichnen, aber trotzdem sind wir deutlich anders als viele Andere. Die Mitarbeiter haben keine Produktziele, oder Einzelziele und erhalten keinerlei Provisionen oder Bonifikationen, die sich aus der Vertriebsleistung ableiten. Wir bezahlen jedoch unseren Mitarbeitern Fixgehälter die etwa 15 % über dem Durchschnitt liegen. Allein dadurch, aber nicht nur, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer objektiven und bedarfsgerechten Kundenberatung signifikant.
 

Quelle: Raiffeisenbank Ichenhausen eG

Es scheint also doch eine kleine Welt jenseits von Provisions- und Profitgier zu geben, von der Wall Street und der Schlüsselqualifikation von „Pokerspielern“ dominiert, siehe den Artikel in der FTD:

http://www.ftd.de/finanzen/:kasinomentalitaet-der-banker-wie-die-wall-street-pokert/50060861.html

Aber andererseits dürfen wir uns auch fragen: Machen da etwa auch einige Volksbanken bei dem „Spiel um hohe Provisionen“ mit, dies jedenfalls legt das Handelsblatt am Beispiel der Volksbank Wiesbaden nahe:

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/genossenschaftsbank-volksbank-wiesbaden-staerkt-private-banking;2507979

Wir ahnen es schon – das Bild ist vielschichtig, es gibt weder „die Volksbanken“ noch die „Genossenschafts“- noch die „Ökobanken“. Wenden wir uns deshalb produktiven Fragen jenseits von Schwarz-Weiß-Malerei zu (den reinen „Gutmenschen als Banker“ gibt es nämlich nicht, die Moraldiskussion bringt uns also nicht viel weiter).

Interessant mit Blick auf die Einbindung von sozialen Medien ist etwa ein Blick ins Ausland, so etwa nach Österreich zur Raiba Lustenau:

http://blogs.raiffeisen.at/vbg/raibalustenau/

http://twitter.com/raibalustenau

Oder nehmen wir die Volksbank Bühl mit ihren diversen interessanten Social Media-Kanälen:

http://www.volksbank-buehl.de/homepage/social_media0.html

Der professionelle Werbefilm der Volksbank Brühl auf Youtube wirkt allerdings fast etwas zu perfekt, leicht einstudiert und somit etwas wie eine Kunstwolke, so dass die dezentrale Web 2.0-Tonalität noch nicht ganz stimmig ist:

http://www.youtube.com/66291400?gl=DE&hl=de

Wer sich anschauen möchte, wer von den Banken heuzutage wie intensiv twittert, wird hier im aktuellen Ranking fündig (da ist z.B. die GLS Bank ganz vorne mit dabei):

http://www.banken.de/inhalt/bank-news/banken-twitter-ranking/

Die „Zählpräsenz“ ist jedoch nur ein Kriterium, um die Kundenfreundlichkeit vor Ort zu dokumentieren. Doch wie „klein“ oder wie „groß“ ist diese Welt der von Kunden mitbestimmten Genossenschafts- und Ökobanken tatsächlich? Einfache Antworten gibt es auch hierauf leider kaum. Das Glas ist sowohl halb leer als auch halb voll.

Einerseits hat die Stiftung Warentest, um nur einen oft zitierten Vertreter von Verbraucherschutzinteressen zu nennen, immer wieder angemahnt, dass auch die flächendeckende Beratungsqualität bei den Genossenschaftsbanken ebenso mangelhaft ausfällt wie andernorts. Siehe dazu auch das Weblog vom „Bankgenossen“ hier – auch derartige „Stimmungsmacher“ haben jenseits von Banken-Bashing ihre Berechtigung, um ein Korrektiv, einen Spiegel, und ein weiteres Feed back-Instrument für die Genossenschaftsbanken herzustellen:

http://bankgenosse.wordpress.com/

Und auch haarsträubende Machtkämpfe und Rivalitäten, fragwürdige Kostensenkungsprogramme und vieles andere mehr sind bei den „Genossen“ genauso menschelnd vertreten wie bei den privaten und Geschäftsbanken -, siehe dazu diesen Handelsblatt-Artikel „Wie sich eine Genossenschaftsbank ihres Chefs entledigte:

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/rebellion-gegen-sparplaene-wie-sich-eine-bank-ihres-chefs-entledigte;2511670

Fazit: Das Thema kann und sollte man sicher zwiespältig sehen, aber letztlich sind auch Genossenschaftsbanken keine „Sozialbanken“ – sondern orientieren sich am Marktgeschehen. Nicht mehr und nicht weniger. Und da kämpfen alle hinter den Kulissen mit harten Bandagen, ob Web 2.0, Öko- oder Genossenschaftsbanken.

Moralische Kategorien führen also kaum weiter, sie vernebeln oftmals sogar den pragmatischen Blick fürs Wesentliche. (Wir) Alle sitzen also im selben Boot der „freien Marktwirtschaft“ und da gibt es keine moralische Überlegenheit des einen oder anderen Geschäftsmodells. Dass aber das eine oder andere rein provisionsorientierte Geschäftsmodell hoffentlich kaum eine Zukunftsperspektive besitzt, verdeutlicht ein Beitrag im Handelsblatt, der „Banker im Riester-Rausch“ skizziert, das waren jene von der Deutschen Bank, die jetzt offenbar die Notbremse ziehen muss.

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/norisbank-banker-im-riester-rausch%3B2514009

Dazu ein kleines Argument: Warum hat eigentlich der Staat damals, namentlich Herr Riester und die ganze Regierung Schröder, der Versicherungs- und Bankenwirtschaft die Kontrolle, und damit das Abschöpfen des Mehrwerts, externen Akteuren überlassen? Im Prinzip hätte der Staat ein eigenes System bauen müssen, damit es nicht zum Selbstbedienungsladen der Versicherungswirtschaft wird. An dieser Form des „Social Unbankings“ haben sich freilich viele beteiligt, leider auch Banken, von denen man dies vielleicht nicht erwartet hätte.     

Oder wie unsere Kanzlerin Angela Merkel jetzt sagen würde: Entscheidend sei, was hinten rauskomme, nicht durch welche Mittel das Ergebnis erzielt worden sei. Da bin ich mir allerdings nicht so sicher, ob dieses leichtfertig ausgesprochene Zitat zur Zwischenbilanz von 100 Tagen neuer Regierung wirklich stimmt. Es könnte eher sein, dass die Bundesbürger doch gerne mal wüssten, für welche (un)sinnigen Projekte die Steuermittel vom Staatshaushalt bis zur Bankenrettung eingesetzt worden sind, und wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist, oder?

Ausblick: Es wird viel passieren in der neuen Bankenwelt, einen kleinen Vorgeschmack, wer da so alles von Noa Bank, über Fidor bis zur GLS Bank, Quirin und Co. mitmischt, bietet ein aktueller Beitrag im Nachrichtenmagazin Focus   Tenor: Neue Banken braucht das Land – oder anders gesagt: Wir bewegen uns weg vom Kunden als Bittsteller, hin zur „Mitmachbank“ (wenngleich dieser von Focus präferierte Slogan etwas problematisch ist, aber lesen Sie doch selbst):

http://www.focus.de/finanzen/banken/tid-16919/alternativ-banking-neue-banken-fuer-das-land_aid_472450.html

Bislang war der Kunde als Partner für Dialog und Kooperation, ja Zusammenarbeit, kaum gewünscht. Aber am lokalen wie auch global vernetzten Leitbild von Genossenschaftsbanken orientierte Manager, die jetzt die Zeichen der Zeit erkennen – und sich auf einen offenen und konstruktiven Dialog einlassen, ohne die Regiehebel ganz aus der Hand zu legen, denen gehört zweifellos die Zukunft mit Hilfe von aktiv und kreativ gepflegten Instrumenten beim „Social Banking 2.0“.

Written by lochmaier

Januar 21, 2010 um 11:36 am

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