Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Interview: Wie real lässt sich Geld redesignen?

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Gelegentlich fremdelt die sonst doch so coole Netzcommunity ein bisschen mit dem Thema Geld. Man lehnt es eigentlich nach außen nur allzu gerne als gefräßiges Stilmittel des Turbokapitalismus ab. Aber irgendwie braucht es doch jeder.

Und genau da liegt schon das Problem im Weg: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing? Wie also löst man diesen zugegebenermaßen schwierigen intellektuellen Link(s)spagat auf.

Fragen wir doch mal bei Nina Schoenian nach. Sie ist erfolgreiche Werbedesignerin und hielt in diesem Jahr am 13. April einen Vortrag auf der re:publica in Berlin zum „Redesign des Geldes“. Ein Grund mehr für dieses Blog Social Banking 2.0, quasi im virtuellen Zwiegespräch eine Nachschau der wichtigsten Thesen zu starten – und diese den undogmatisch nach vorne geneigten Lesern zur Diskussion zu stellen. 

Die Preisfrage: Ist „redesigntes“ Geld mehr eine aufgesetzte Modeerscheinung im Zeitalter der hippen sozialen Netzwerke, oder bietet es einen produktiven Gestaltungsansatz?   

Social Banking 2.0: Lösen virtuelle Währungen soziale Konflikte oder sind sie nur ein besonderes zeitgemäßes Stilmittel, das den Umgang mit Geld (etwas) transparenter, emotionaler und kommunikativer gestaltet?

Nina Schoenian: Nein, virtuelle Währungen haben zum jetzigen Zeitpunkt nicht das Potential soziale Konflikte besser zu lösen als andere Währungen. Das liegt daran, dass virtuelle Währungen innerhalb des bisherigen Systems funktionieren und  sich von ihrer Virtualität abgesehen, nicht unterscheiden. Erst ein Geld das neu aufgeladen bzw. besetzt wird, hätte dieses Potential. Allerdings bieten virtuelle Währungen die Chance Prototyping (einer der Schritte der von mir untersuchten Innovationsmethode Design Thinking) durchzuführen, also in einem beschränkten „Markt“ Veränderbarkeit des Systems auszuloten.

Zum zweiten Teil ihrer Frage: Ich halte den Umgang mit Geld für überaus transparent, auch für höchst emotional und sogar ausschließlich kommunikativ. Systemtheoretisch betrachtet ist Geld ein sogenanntes Steuerungsmedium oder auch symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium. Das bedeutet, dass sich das (Wirtschafts- oder Finanz-)System von seiner Umwelt durch die Kommunikation mit diesem Medium abgrenzt. Die Geschichte des Geldes ist in erster Linie eine fast beispiellose Erfolgsgeschichte, was die Transparenz, Emotionen und Kommunikation angeht. Umgang mit Geld transparenter, emotionaler oder kommunikativer zu gestalten ist aus meiner Sicht kein Fortschritt bzw. Ziel.

Vielmehr geht es darum die Abkopplung des Finanzsystems von der Realwirtschaft kritisch zu betrachten bzw. das Verhältnis von Geld und Wert, z.B. Wert für eine Gesellschaft. 

Social Banking 2.0: Wie lässt sich Geld kreativ neu besetzen, wie kann man es (re)designen?

Die Stärke des Designs an sich besteht in einer gründlichen Auseinandersetzung mit dem Status quo und den herrschenden Beschränkungen. Design funktioniert immer im Kontext, ist zweckgebunden. Egal ob Kaffeetassendesign oder Prozessdesign im Gesundheitswesen. 

Daher sind Designer sehr gute Beobachter. Eine Idee, die nicht den Zweck erfüllt, ist keine gute. Hinzu kommen weitere reizvolle Eigenschaften des Designs wie iteratives Vorgehen, Interdisziplinarität, Teamwork, Heuristik, Prototpying Umgang mit Nicht-Wissen um nur einige zu nennen.

Indem dieses entwerfende Denken – eben Design Thinking – auf das  Finanzsystem angewendet wird, werden Ideen generiert, die entweder Geld oder auch den Geldgebrauch oder die Akteure des Finanzsystems, verändern können. Das müssen aber keine Designer machen, Banker, Politiker und Menschenrechtler sind genauso geeignet für Design Thinking.
Social Banking 2.0: Welches ist Ihre Kernthese, was verändert sich dadurch?

Meine Forschung setzt sich in erster Linie mit der Innovierbarkeit von komplexen Systemen auseinander. Hier bietet sich das Finanzsystem an, weil die Rufe nach seiner Veränderung so laut sind, aber auch eine Organisation wäre ein guter Untersuchungsgegenstand gewesen. Systemisch gesehen ändert sich das System schon dadurch dass es beobachtet wird, denn dieses System ist ein sich selbstbeobachtendes Kommunikationssystem. Das kann man am besten bei Kursschwankungen aufgrund von Fehlinformationen erleben. Faktisch hat sich nichts verändert, nur die Firma wird schlechter an der Börse gehandelt und muss daher vielleicht Arbeitsplätze abbauen etc… Die Selbstbeobachtung des Systems zieht sich also durch die ganze Arbeit und beeinflusst die Forschung.

Mit meiner Arbeit über die Innovationsmethode Design Thinking und ihrer Weiterentwicklung mithilfe der Systemtheorie wird diese Methode (mit Einschränkungen, weitere Forschung erwünscht und in Arbeit) auf das Finanzsystem anwendbar. Ich nenne den neuen Prozess dann Re-Design Thinking. Der Redesign-Prozess des Geldes ist eine Demokratisierung des Finanzsystems, da es Menschen die Möglichkeit gibt, sich gemeinsam, fundiert, zielgerichtet mit dem System auseinanderzusetzen und ihre eigenen Innovationen zu schaffen. Das gab es schon immer – denken Sie nur an die Regionalwährungen oder die Zeitbanken – allerdings waren die meisten Ideen entweder räumlich oder zeitlich oder rechtlich oder inhaltlich beschränkt. Die Wahrscheinlichkeit einer „erfolgreichen“, also umsetzbaren Innovation kann also durch Redesign-Thinking steigen. Ebenso soll es mit Re-Design Thinking einem anderen System, der Politik, möglich werden, nicht mehr nur regulierend, sondern kreierend auf das System einzuwirken.

Um die Frage nach einer Kernthese konkret zu beantworten: Mir geht es nicht darum im Alleingang das Finanzsystem bzw. Geld zu redesignen. Ich habe untersucht, was es braucht um Menschen hinsichtlich dieser Aufgabe zum Handeln zu befähigen, warum sie das überhaupt möchten, was die zahlreichen Hürden sind und wie man sie ausräumen könnte. Geld bzw. das Finanzsystem ist sehr nützlich. Kritik oder Verbesserungsvorschläge müssen sich immer mit der Multioptionalität des Systems auseinandersetzen.  Ich finde es bemerkenswert, wenn sich Menschen beschweren, dass ihre Geldanlage in „Volksaktien“ nicht richtig „performt“ aber gleichzeitig freudig einen Kredit mit 2,68% für eine Eigentumswohnung aufnehmen. Und dann noch über die Gier von „Bankern“ schimpfen. Diese Gier ist katastrophal schädlich und hat viel Schaden angerichtet,  aber niemand kann sich bezüglich des Finanzsystems vollkommen aus der Verantwortung nehmen. Geld reduziert Komplexität, doch um es zu verändern, muss man mit dieser Komplexität umgehen können.

Social Banking 2.0: Wie wäre künftig eine friedliche Koexistenz oder gar ein Verschmelzen von virtuellen und realen Währungseinheiten vorstellbar?

Geld ist, was gilt. Wenn genügend Menschen beiden Währungsarten vertrauen, können diese beide funktionieren. Insofern ist natürlich eine friedliche Koexistenz möglich, doch ob dieses soziale Probleme behebt, ist zu bezweifeln. Und natürlich sind staatliche Garantien in viele Fällen eine Voraussetzung für den Erfolg einer Währung. Es geht schließlich immer nur um Vertrauen.

Social Banking 2.0:  Und ein orakelhafter Blick in die Zukunft: Welechr Relevanz spielt der virtualisierte Geldaustausch in zehn Jahren, wird das Mobiltelefon zur Kreditkarte, werden wir die Bankfiliale in Facebook aufsuchen statt um die Ecke, werden Facebook Credits, Google und Paypal die neuen Internetbanken der Zukunft sein?

Mit Sicherheit. Doch ob das wünschenswert ist, ist eine andere Frage, da es sich bei Paypal und Google um Akteure des Finanzsystems handelt und diese daher kein Interesse an einer Veränderung des Systems haben, es sei denn es ist profitabel für das Unternehmen.

Social Banking 2.0: Verändern sich die Banken in Richtung mehr Kundenorientierung durch die Macht der Netzbürger, die sich auch einen eigenen finanziellen Mikrokosmos erschaffen könnten, durch Crowdfunding, Social Lending, Virtuelle Währungseinheiten etc.?

Die Netzbürger nutzen ihre Macht noch nicht sonderlich zielgerichtet aus. Social Lending funktioniert in den meisten Ländern mit Unterstützung von Banken, Crowdfunding ist ein interessanter Ansatz, jedoch nur komplementär zum bisherigen Systems denkbar. Doch die Kreativität der vielen Ansätze und die erweiterten Möglichkeiten des Tauschens durch das Netz beobachte ich voller Spannung. 

Social Banking 2.0:  Wird sich im Bankwesen überhaupt etwas zum Besseren wenden, oder bleibt alles beim business as usual nach der Finanzkrise?

Man darf nicht übersehen, dass viele Errungenschaften durch das bestehende System überhaupt erst ermöglicht wurden. Das anzuerkennen, macht zukünftige Entwicklungen wahrscheinlicher, da hier Systemverständnis Voraussetzung ist. Das Bankwesen ist also nicht schlecht, es ist nur nicht am Menschen ausgerichtet, sondern am Selbsterhalt. Das ist einer der großen Konflikte. Dem System kann es hervorragend gehen, obwohl viele Menschen ihr Erspartes verloren haben. Es ist ein Paradoxon. Vom Finanzsystem wird erwartet, es solle multifunktional sein, also zahlreiche Nutzen für alle unterschiedlichen Bedürfnisse erfüllen. Der einzige Nutzen des Systems ist aber sein Selbsterhalt. Deswegen ist Design mit seiner Nutzen- bzw. Nutzerorientierung an dieser Stelle so spannend einzusetzen. Wie bringen wir dem System bei für uns da zu sein?

Social Banking 2.0: Und last but not least: Bringt redesigntes Geld mehr „Finanzdemokratie 2.0“ oder bleibt das eine soziale Fiktion?

Geld wird nicht einfach vom Staat oder den Banken nach unseren Vorstellungen redesignt werden. Der Clue ist, dass durch den Redesign-Prozess „alle“ Menschen befähigt werden, ihr Wissen und ihre Ideen über und zu Geld einzubringen. Das kann man gut und gerne Finanzdemokratie 2.0 nennen. Ob die Idee sich systemisch durchsetzen kann, wird von der Art der Ideen abhängen und u.a. politisch bedingt sein. Geld und Geldgebrauch hat sich evolutionär entwickelt, die klassisches Geldtheorie nennt 3 Funktionen: Tausch, Wertspeicher, Wertmesser. Das numerische Weltbild, das Geld uns vermittelt, birgt Chancen und Risiken. Die radikale Vereinfachung der Geldsicht erklärt aber auch den „Erfolg“ im Sinne von Verbreitung des Geldes bzw. Geldgebrauchs. Welche weiteren Funktionen wir hinzufügen können und wollen ohne dass das Geld seine Anschlussfähigkeit (also die hohe Wahrscheinlichkeit der Verbreitung) verliert, wird sich zeigen. 

Interview: Lothar Lochmaier

Zur Person: Nina Céline Schoenian ist Texterin und Kreativdirektorin aus Berlin. Sie war für zahlreiche Verlage aktiv (u.a. taz, Axel-Springer-Verlag, Condénast) und wurde für ihre Arbeiten mehrfach ausgezeichnet. Neben der praktischen Tätigkeit beschäftigt sie sich auch theoretisch mit Innovationen in Unternehmen, digitalen Erlösmodellen und Design Thinking. Ihre Masterarbeit schrieb sie über die Neugestaltung des Finanzsystems: Redesign Geld.

Hinweis: Ein weiterer Artikel zum Redesign von Geld mit einigen interessanten Leserkommentaren ist auf dem Blog der Volksbank Bühl erschienen. Und heute erschien ebenfalls dort eine Buchreview und ein Interview mit mir zu den Chancen und Perspektiven von Social Banking und Social Media im Finanzwesen. Fazit: Man muss also schon sehr tief ins Geschäftsmodell hinein bohren, um Geld wirklich redesignen zu können.

Written by lochmaier

Mai 2, 2011 um 6:57 am

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4 Antworten

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  1. […] Social Banking 2.0: Interview: Wie real lässt sich Geld redesignen? […]

  2. […] Lochmaier am Montag zudem ein Interview mit Webdesignerin Nina Schoenian, die sich mit dem Thema wie Social Banking den Umgang mit Geld verändern kann […]

  3. „Ideen generieren“, „iterative Prozesse“, „redesign“ machen das nicht alle normalbegabten Leute schon immer?
    Ist nicht unser Finanzsystem etwas Anderes als das Ergebnis eines Gestaltungsprozesses?
    Gestalten kann man allerdings nur, wenn auch Standpunkte bezogen werden und tatsächlich etwas _gewollt_ wird. Davon ist hier nicht viel zu bemerken. Oder hab ich was übersehen?

    „Indem dieses entwerfende Denken – eben Design Thinking – auf das Finanzsystem angewendet wird, werden Ideen generiert, die (…)“

    Leute, das ist doch nicht euer Ernst?

    Horst

    Juni 1, 2011 at 2:29 pm

  4. […] Design Thinking Ansatz, über dessen Grundcharakteristika ich schon einmal hier berichtet habe: Wie real lässt sich Geld redesignen? Das ist gar nicht mal nur meine Auffassung, aber gleich auf mehreren Konferenzen habe ich im […]


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