Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Interview: Wie das Institute for Social Banking sein Profil versteht

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Im Gespräch mit Social Banking 2.0 erläutert Sven Remer vom 2006 gegründeten Bochumer Institute for Social Banking, was es mit dem Begriff Social Banking so alles auf sich hat, welche Chancen und Grenzen sich bei nachhaltigen Bankdienstleistungen bieten, etwa mit Blick auf die Weiterbildungsperspektiven der Mitarbeiter- und wie ein neues Finanz-Ökosystem beschaffen sein könnte.

Und natürlich wollen wir wissen, wie Sven Remer, der die Aktivitäten mit konzipiert und organisiert, das Profil und die Arbeit des Instituts versteht, das sich zwar in Nachbarschaft zur GLS Bank befindet, aber grundsätzlich offen ist für Teilnehmer aus allen Strömungen der Bankenwirtschaft.

Social Banking 2.0: Herr Remer, welchen Bedeutungswandel sieht das Institut for Social Banking in der sozial-ökologischen Geldanlage. Das Thema Social Banking, bei dem Rendite und nachhaltige Ziele eher auf einen Gleichklang ausgerichtet sind, scheint allmählich doch die Mitte der Gesellschaft zu erreichen?

Zunächst würde ich gerne betonen, dass ich hier nicht für das Institute for Social Banking sprechen kann, sondern nur als Privat-Person, die die Entwicklungen im Banken- und Finanzbereich seit einiger Zeit mit großem Interesse verfolgt und vielleicht deshalb beim Institute for Social Banking arbeitet.

Aus dieser Perspektive würde ich zustimmen: Ja, Social Banking – und mit ihm die sozial-ökologische Geldanlage ­- stoßen ganz offensichtlich auf wachsendes Interesse in der Gesellschaft.

Allerdings befanden sich diese Themen ja bereits lange „mitten unter uns“. Zumindest das sozial-orientierte Bankwesen, z.B. in Form der genossenschaftlichen Raiffeisenbanken, hat in Deutschland bereits eine lange Tradition. Seine Wurzeln reichen bis in die Mitte des 19. Jhdt. Aber auch wenn viele seiner ursprünglichen Ideen und Ideale seither aufgegeben wurden: es gibt bereits seit ca. 35 Jahren zumindest eine Bank in Deutschland, die sich konsequent sozial und ökologisch orientiert –  und das grund-solide und sehr erfolgreich. Ihr ohnehin schon gutes Wachstum der vergangenen Jahre verstärkte sich nun „dank“ der allgemeinen Finanzkrise noch einmal. Immer mehr Kunden wechseln nicht nur ihre Einstellung gegenüber Banken allgemein – sondern immer häufiger auch Ihr Bank-Konto. Sie beginnen zu verstehen, dass das Bank- und Finanzgeschäft wie es von den meisten Häusern betrieben wurde, nicht nur keinen Sinn macht, sondern unsinnig viel Schaden anrichten kann. Entsprechend stimmen sie nun mit den Füssen ab. Nicht ohne eine gewisse Freude habe ich die Frage meiner Großmutter vernommen, ob ich ihr nicht eine „gute Bank“ empfehlen könnte zu der sie von Ihrer bisherigen – internationalen – Hausbank wechseln könnte, bei der sie die vergangenen 40 Jahre Kunde war. Ich konnte.

Social Banking 2.0: Welche Rolle spielt denn die Finanzkrise im Bewusstseinswandel der Menschen, wie sie die Aufgabe von Banken wahr nehmen?

Wenn der Anlass für die aktuellen Entwicklungen nicht so ein schrecklicher wäre, der – insbesondere für die Menschen, die nicht an der Misere der Finanzmärkte schuld waren – katastrophale Konsequenzen hat, dann könnte man sich natürlich darüber freuen, dass die Krise etwas in Bewegung gebracht hat. So sehe ich der Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen.

Gleichzeitig mache ich mir allerdings auch nichts vor. Natürlich haben die jüngsten Entwicklungen einen sehr, sehr schweren Stein ins Rollen gebracht: unsere allgemeine Blindheit gegenüber der Bedeutung des Bankwesens für die nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Aber ich bin mir nicht so sicher, ob dieser Stein genügend lange und weit rollt um nicht doch wieder das alte Moos anzusetzen. Je mehr von den großen Banken, die die Krise verursacht haben, vom Staat gerettet werden und je unverblümter ihre Lobbyisten wieder Einfluss auf Regierung und Regulierung nehmen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir als Gesellschaft die Chance, die sich auftat, ein wirklich nachhaltiges Bankwesen auf breiter Basis zu entwickeln, vertun.

Wenn wir nicht sehr aufpassen, werden Wachstum und Rendite auch in Zukunft von der grossen Mehrheit wider ausschliesslich monetär verstanden – und mit den altbekannten Methoden verfolgt. Wirklicher Wohlstand geht dann weiter verloren.

Social Banking 2.0: Kommt also kein größerer Stein ins Rollen?

So gesehen bin ich nicht zu optimistisch, dass wir den Durchbruch zu einem wirklich nachhaltigen Bankwesen bereits geschafft haben. Aber ein Anfang ist sicherlich gemacht und ich hoffe und glaube, dass sich die Uhr nicht mehr ganz zurückdrehen lassen wird. Man, d.h. die Gesellschaft, hat begonnen die Sinnhaftigkeit und die Werte des Bankwesen zu hinterfragen. Das war überfällig und wenn wir alle nicht von einer kollektiven Demenz erfasst werden, dann besteht doch noch etwas Grund zur Hoffnung. Wichtig ist, dass wir es schaffen die Diskussion und den Dialog darüber in Gang welche Leistungen wir von dem „Dienstleister Bank“ erwarten und welche nicht.

Um mit dem Mit-Gründer der GLS Bank zu sprechen: „Die Angst vor einer Zukunft, die wir nicht wollen, können wir nur überwinden durch Bilder von einer Zukunft, die wir wollen“. Das wird unsere zentrale Aufgabe sein: Bilder von einem Bank- und Finanzwesen zu entwerfen und dann zu realisieren, das nicht nur unsinnig viel Profit sondern echten Sinn macht 

Social Banking 2.0: Die gerade frisch gegründeten Institute Noa Bank und Triodos Bank Deutschland zeigen, dass sich auch die sozial-ökologische Marktnische weiter ausbreitet, gleichzeitig aber auch die Konkurrenz zwischen den nachhaltig orientierten Geldhäusern wächst, wie nehmen Sie den Trend wahr?

Erstmal würde ich meinen „der Kuchen ist gross genug für viele“, und zwar noch lange. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele – oder besser: wie wenige – Kunden die sozial-ökologischen Banken-Pioniere derzeit haben, dann sieht man, dass „da noch was drin ist“ in dieser wachsenden „Nische“. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass der Trend in der Bevölkerung deutlich hin zu einem größeren Nachhaltigkeits-Bewußtsein in der Lebensführung und im Konsum geht.

Nicht umsonst empfiehlt z.B. die Bank-Management-Beratung zeb, die sich bislang noch nicht durch ihr übermäßiges Engagement für die soziale und ökologische Sache ausgezeichnet hat, mit Blick auf den gesellschaftlichen Wertewandel, ihren derzeitigen und potentiellen Kunden nun auch, die „Kreditinstitute sollten wachsende Nachfrage nach „Social Banking“ ernst nehmen“.

In diesem Zusammenhang sehe ich das Hauptproblem nicht in dem Eintritt einiger neuer Akteure. Etwas Konkurrenz schadet bestimmt nicht. Für bedenklich halte ich aber, dass eine Zunahme dieser Banken u.U. zu einer Abnahme der Qualität mit Blick auf die sozial-ökologische Mittelverwendung führt. Dabei denke ich nicht an die Triodos Bank, die ja bereits über langjährige einschlägige Erfahrung verfügt. Aber bei manch anderem der neuen Akteure – aber auch der alten Akteure in neuem Gewand – bin ich mir noch nicht so sicher.

Dabei ist natürlich von Bedeutung, dass die Neu-Einsteiger und Alt-Umsteiger schlichtweg (noch) nicht das notwendige Know-How haben (können), das erforderlich ist, um sich als Bank wirklich konsequent nachhaltig zu engagieren.

Wenn eine Bank heute ernsthaft dazu beitragen will unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten, dann muss sie einerseits die Hand am Puls der Zeit haben, also dort wo die Probleme spürbar sind. Andererseits muss sie bereit sein neue Wege, mit denen (mit-) zu gehen, die Lösungsansätze haben könnten, sowohl im sozialen als auch im ökologischen Bereich neue Ideen und Ansätze zu fördern.

Das erfordert nicht nur Mut und Weitblick, sondern auch eine gehörige Portion Erfahrung einschließlich guter und vertrauensvoller Beziehungen zu den relevanten Netzwerken. Die bringen die Ein-/Umsteiger in den meisten Fällen vermutlich nicht mit. Mal ganz abgesehen von neuen Konzepten im sozialen Leben, die für konventionelle Banken ohnehin nicht interessant weil nicht lukrativ waren, sie haben sich lange Zeit nicht einmal im Bereich neuer Technologien engagiert, die sie für „zu unbedeutend “ und/oder „zu riskant“ hielten. Stattdessen überließen sie das Feld den flexibleren Risiko-Kapitalgebern (die uns zur Jahrtausendwende in die Technologie-Blase geführt haben) und eben den spezialisierten ökologisch orientierten Banken. Erst als diese gezeigt hatten, dass es möglich ist mit der Finanzierung neuer Technologien, wie z.B. Windkraft, erfolgreich zu sein, sprangen die Grossen auf.

Aber die sozialen und ökologischen Herausforderungen, denen wir uns als Gesellschaft gegenüber sehen, hören nicht auf. Entsprechend ist auch nicht damit getan, einfach weitere Windparks zu fördern. Es geht vielmehr um die kontinuierliche und konsequente Förderung wirklich innovativer Ansätze in Bereichen, die so zahlreich und verschieden sind wie die Probleme vor denen wir stehen.

Das, fürchte ich, werden die meisten Neu-/Umsteiger nicht schaffen und nicht einmal versuchen. Ihnen geht es vermutlich eher darum auf einen Zug aufzuspringen, den sie eigentlich schon längst verpasst haben. Aber von ihrer DNA her sind sie nicht wirklich an diese „Nische“ – ich würde es eher „schöne neue Welt“ nennen – angepasst. Sie haben nicht die notwendigen Ressourcen und Fähigkeiten – und nicht die notwendigen Werte, die es Ihnen erlauben würden die fehlenden Ressourcen und Fähigkeiten glaubwürdig zu entwickeln. Stattdessen, werden die meisten von Ihnen versuchen mit einzelnen grünen Produkten oder nachhaltigen Fonds irgendwie „mitzuschwimmen“. Gestalten werden sie nichts.

Social Banking 2.0: Wie würden Sie denn den Begriff Social Banking definieren?

Klar ist, dass in Zukunft nicht überall wo „Social Banking“ drauf steht auch „Social Banking“ drin sein wird. Damit besteht die Gefahr einer Verwässerung – um nicht zu sagen Vernebelung. Es gibt kein Social Banking Güte-Siegel. Aber das wäre meiner Ansicht nach auch nicht der richtige Weg, oder zumindest nicht der alleinig seelig machenden.

Meiner Meinung nach gibt es nicht DIE Defintion von „Social Banking“. Social Banking ist kein in Stein gehauenes Gesetz. Es ist eine Grundhaltung, die die Dienstleistung am Menschen und die Sicherung seiner langfristigen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Das kann und muss auf verschiedenen immer wieder neu zu suchenden Wegen geschehen.

Dennoch gibt es ein paar Dinge, die ich als typisch für Social Banking herausheben möchte. Dazu gehören insbesondere die „Transparenz“ und der „Dialog“. Transparenz, v.a. in der Mittelverwendung/Kreditvergabe, ist essentiell, um den Kunden ein Urteil über Nachhaltigkeit – einschliesslich dem nicht-monetären Profit – der vergangenen Geschäftstätigkeit zu erlauben. Dialog ist essentiell um den bestehenden und zukünftigen Kunden ein Mitgestaltungsmöglichkeit zu geben – und in diesem Zusammenhang auch Ihre jeweiligen Spezial-Kenntnisse „anzuzapfen“. Aber das Wort Transparenz wird vielen Banken heute immer noch eine Schauer über Ihre Gläserne – aber hoch-intransparente – Fasade jagen. Und ein echter Dialog dürfte auch nicht gerade einfach sein für Unternehmen, deren Wertesystem so einfach war, dass es kaum einer Diskussion darüber bedurfte und die in ihrer Inneren und äußeren Kommunikation entsprechend quasi-autistisch waren.

Dabei möchte ich betonen, ich spreche vom System der Groß-Banken insgesamt. Einzelne Häuser, u.v.a. einzelne Menschen in diesen Häusern sind sicher anders geartet. Ich zähle mittlerweile einige Mitarbeiter aus Großbanken in Deutschland und England zu meinen Freunden, die mir im Privaten zu verstehen geben, für wie sinnlos und in-human sie dieses Metier halten. Manche von ihnen bleiben im System, um davon zumindest finanziell zu profitieren – und manche um es von innen heraus zu verändern. Aber manchen von Ihnen wechseln auch ganz einfach ihren Arbeitgeber.

Social Banking 2.0: Kann es eine Art effizient agierende Öko-Direktbank 2.0 geben, die nachhaltig aufgestellt ist, aber auch günstige Konditionen etwa für Girokonten, Tages- und Festgelder anbietet?

Ich bin davon überzeugt, dass es über kurz oder lang eine effizient agierende „Öko-Direktbank 2.0“ geben kann, die behauptet nachhaltig aufgestellt zu sein und gleichzeitig günstige Konditionen anbietet. In der einen oder anderen Form hört man das ja schon heute. Aber die Frage ist doch, was verbirgt sich hinter dieser „Öko-Direktbank 2.0“? Wie „öko“ wird sie sein, wie „direkt“ und wie „2.0“? Erst wenn ich dazu mehr weiss, kann ich – einen gewissen Sachverstand vorausgesetzt – das Gesamtpaket beurteilen, dass sich hinter diesem Word-Ungetüm verbirgt. Das erfordert aber auch viel Transparenz und Dialog seitens dieser „Wunderbank“.

Gleichzeitig denke ich, dass die sozial-ökologischen Pioniere nicht so schrecklich weit von diesem Ideal entfernt sind. Sie bemühen sich konsequent um Nachhaltigkeit, sie arbeiten als Direktbanken und sie setzen nicht nur auf größtmögliche Transparenz, sondern auch verstärkt auf moderne 2.0 Technologien. Natürlich können sie bei diesem Aufwand nicht auch noch die allergünstigsten Angreifer-Konditionen bieten – obwohl Sie sich in der Regel  mit den Konditionen im guten Mittelfeld bewegen. Und als Gesamtpaket sind sie damit aus meiner Sicht unschlagbar effizient und günstig: Mein Geld fließt dort nicht nur in Sinn-bringende Projekte, es tut dies sogar noch zu marktüblichen Konditionen.

Kurzum, ich glaube, es gibt Beispiele von Banken, die der in der Frage skizzierten Beschreibung schon ziemlich nahe kommen. Und ich glaube auch, dass die 2.0 Technologien zwar von allen Banken in verstärkten Masse aufgegriffen werden werden, aber Ihrer „Natur“ nach am besten zu den sozial- und ökologisch orientierten Pionieren passen, für die sie die Möglichkeit bieten den schon längst begonnen Dialog mit Ihren Stakeholdern in einer weiteren, der virtuellen, Dimension auszubauen. Insofern würde ich davon ausgehen, dass sie am meisten von diesen neuen Technologien profitieren werden. Nichtsdestotrotz sehe ich auch eine gewisse Gefahr eben in der Virtualisierung des Dialoges. Wenn die Kontakte zwischen Bank und Umwelt immer mehr mittelbar stattfinden, ergibt sich automatisch ein Sich-Entfernen. Darunter werden konventionelle Grossbanken weniger zu leiden haben, da sie ja schon längst weit entfernt von Ihren Stakeholdern sind. So gesehen, können Grossbanken natürlich auch bis zu einem gewissen Grad von diesen Technologien profitieren.

Social Banking 2.0: Was hat sich seit der Finanzkrise beim Institute for Social Banking getan, hat sich das Interesse vergrößert, und wenn ja, mit welchen Motiven kommen denn die (jungen) Banker zu Ihnen, die auf einer anderen Welle in den beruflichen Erfolg reiten wollen?

Das Interesse an unseren Aktivitäten hat sich im Laufe der vergangenen drei Jahre mit Sicherheit vergrößert. Gerne würde ich behaupten, dass das nur an unserer tollen Arbeit liegt, die wir erst vor gut drei Jahren, also ein gutes Jahr vor Beginn der aktuellen Krise aufgenommen und seither kontinuierlich weiterentwickelt haben. Aber ich befürchte, die Krise selbst hat natürlich auch dazu beigetragen. Das ist besonders deutlich mit Blick auf die Anfragen, die wir seitens Rundfunk und Presse für Interviews und schriftliche Beiträge erhalten. Mit Blick auf unsere verschiedenen Aus- und Fortbildungsangebote gestaltet sich die Nachfrage hingegen etwas differenziert.

Zunächst muss man sagen, dass sich m.E. nach bisher kaum mehr „junge Banker“ aus dem konventionellen Bereich für unser Haupt-Angebot, den Masters „Social Banking and Social Finance“ interessieren. Das liegt vermutlich mindestens an dreierlei. Erstens sind wir ein winziges Institute mit sehr kleinem Budget für Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Zweitens ist unser Master nicht nur von seinen Inhalten her weltweit einmalig, sondern auch von seiner Methode, der Aktionsforschung, her sehr ungewöhnlich. Die Kombination von beidem verlangt dem „normalen“ Banker aus einer konventionellen Großbank natürlich schon etwas ab. Drittens haben viele Mitarbeiter aus den konventionellen Häusern schlichtweg Angst um Ihren Arbeitsplatz. Da fällt es natürlich nicht besonders leicht beim Vorgesetzten um Unterstützung für eine dreijährige, berufsbegleitende Masters-Ausbildung nachzufragen. Trotzdem, wir haben auch in unsrem Masters einige Mitarbeiter aus konventionellen Banken und es funktioniert sehr gut.

Bei unseren anderen, kürzeren Angeboten verhält sich die Nachfrage seitens Mitarbeitern aus konventionellen Bereichen hingegen etwas anders. Zum Beispiel haben wir bereits jetzt zahlreiche Interessenbekundungen aus dem konventionellen Umfeld für eine Teilnahme an unserer nächsten Summer School „Social Banking“ vom 18. Bis 23 Juli 2010 in Florenz.

Auch hatten wir bei einer von uns mit-organisierten Ringvorlesung sowie bei zwei Wochenend-Seminaren im Dezember unerwartet hohen Zulauf aus dem konventionellen Umfeld. Besonders schön fand ich in diesem Zuammenhang die Begegnung mit einem „Equity-Trader“ einer Grossbank , also aus Sicht der orthodoxen Social-Banker dem „Bad-Banker“ schlechthin – der per Zufall auf unser Angebot gestoßen war, an einem Seminar teilnahm und sich nun besonders stark um die Fortführung – mittels 2.0 Technologie ! – des dort begonnen Dialoges mit den anderen Seminar-Teilnehmern bemüht. Das machte auch mir deutlich, wie leicht es ist in negative Vorurteile abzudriften und wie wichtig es ist, diese per Dialog zu beseitigen.

Insgesamt habe ich aber bislang nicht festgestllt, dass die zu uns kommenden Normalo-Banker durch uns auf einer anderen Welle in den beruflichen Erfolg reiten wollen. Bislang hatte ich erst eine Anfrage, die diesen Verdacht bei mir erweckte. Nach einem längeren Gespräch entschied sich die betreffende Person dann aber doch noch mal dafür ihr Glück in einem konventionellen Unternehmen zu suchen. Das Gros der Interessenten hat hingegen echte, nicht selten existenzielle Fragen. Viele halten die Selbstverleugnung nicht aus, die sich aus der Diskrepanz ihrer privaten Werte von denen ihres Arbeitgebers ergibt. Sie hoffen auf eine berufliche Weiterentwicklung, die sich nicht an klassischen Karriere-Maßstäben bemisst, sondern an der – berechtigten – Hoffnung auf eine sinnhaltige Tätigkeit in einem menschengerechten Unternehmen.

Nicht wenige aber sind einfach neugierig. Sie haben irgendwo von den sozial-ökologisch orientierten Banken gehört und sind nun neugierig darauf, wie die so „ticken“. Erst nach einem besseren Kennenlernen entwickelt sich bei einigen von Ihnen der Gedanke an einen beruflichen Wechsel.

Social Banking 2.0: Immer noch ist der Begriff Social Banking sehr heterogen besetzt, denn einerseits verknüpfen sich damit sozial-ökologische Ziele, andererseits kann man darunter auch den völlig von sozialen Zielen los gelösten Einsatz von „Social Media“ verstehen, also lediglich die Einbettung von sozialen Netzwerken und Kommunikationsmechanismen in die alltägliche Arbeit als Mittel zum Zweck. Liegt hierin nicht ein großer Widerspruch begründet?

Um ehrlich zu sein, habe selbst dort zunächst einen Widerspruch gesehen, der fast dazu geführt hätte, dass ich das Thema und das Potential von Social Banking 2.0 verschlafen hätte. Das hat sich – auch dank Ihres Blogs – geändert.

Wie vorhin erwähnt, denke ich, dass die 2.0 Technologien insbesondere gut zu den wirklich sozial-ökologisch ausgerichteten Häusern passen. Wenn sie es mit dieser Ausrichtung ernst meinen, dann bieten ihnen die neuen Technologien die Möglichkeit zu einem noch breiteren aber auch intensiveren Dialog mit Ihren Stakeholdern. Sie bekommen schnell Feedback auf  ihre Aktivitäten und können das Wissen dieser ohnehin schon engagierten Stakeholder noch besser nutzen. Gleichzeitig fördert dieser Austausch natürlich auch die Transparenz des Unternehmens – und wird von Ihr gefördert. Nicht zu vergessen ist auch das Potential dieser Technologien „direkte“ Kontakte, z.B. zwischen Anleger und Kreditnehmer, zu erstellen. Während über Jahrhunderte hinweg die Aufgabe der Bank genau in dieser Vermittler-Rolle lag, kann ein Teil davon natürlich auch durch moderne Kommunikationstechnologie übernommen werden – insbesondere dann, wenn die Vermittler-Rolle der Bank sehr standardisiert ist und sich auf das schnelle Abhaken von Checklisten reduziert.

So gesehen kann ich einen gewissen möglichen Widerspruch am ehesten darin erkennen, dass die neuen Technologien zum einen virtuell sind und zum anderen eher „beschleunigend“ wirken. Beides steht eher im Gegensatz zu den Idealen des Social Bankings wie es von den Pionieren betrieben wird. Dort geht es – m.E. zu recht – um den direkten Kontakt von Menschen und auch um einen Entschleunigung dieser Kontakte. Aber das ist m.E. eher eine Frage der richtigen Verwendung der neuen Technologien. Und dies betrifft die Pioniere ebenso wie die konventionellen Häuser. Allerdings dürfte es den konventionellen Häusern bedeutend schwerer fallen, das für einen gewinnbringenden Dialog notwendige Vertrauen (und Interesse) ihrer Kunden zu gewinnen, mit denen sie ja so lange gar keinen Dialog wollten.

Insofern würde ich davon ausgehen, dass die neuen sozialen Medien für alle Banken nützlich sein können, aber insbesondere gut zum Social Banking passen, wie es die sozial- und ökologisch orientierten Pioniere verstehen.

Social Banking 2.0: Man kann mit Hilfe von Börsencommunities schließlich auch eine andere Form von Social Banking betreiben, indem man etwa Communities gründet, bei denen die Anleger sich die besten Tipps für Aktien oder andere auf dem virtuellen Parkett gehandelte Produkte geben. Rechnen Sie diese Form der Geldanlage auch zum Social Banking?

Das kommt sehr darauf an. Grundsätzlich würde ich eher nein sagen. Wenn diese Communities das ausschließliche Ziel haben den finanziellen Profit ihrer Mitglieder zu steigern, rechnete ich diese Form ausdrücklich nicht zum Social Banking.

Nach meiner Arbeitsdefinition verstehe ich unter Social Banking eine Art des Bankwesens, das sich als Dienstleister für die Menschen und für die Sicherung ihrer langfristigen Bedürfnisse, d.h. auch eine intakte Umwelt, engagiert. Zu diesem Verständnis passt eine rein auf Spekulation ausgerichtete zumeist kurzfristig orientierte Geldanlage nicht, und schon gar nicht, wenn sie rein virtuell d.h. ohne Bezug zur Realwirtschaft stattfindet. Wohin diese Art der Spekulation führt haben wir nun schon in diversen Krisen gut beobachten können. Anderenfalls müsste man ja auch Bloomberg Terminals etc. als Tools des Social Banking bezeichnen. Ich denke, das ginge zu weit.

Gleichzeitig soll das aber nicht heißen, dass derartige auf 2.0 Technologie basierende Communities per se schlecht bzw. „un-social“ sein müssen. Beispielsweise könnten sie sich ja zuammen finden, um sich gegenseitig zu warnen, wenn eine Bank „Mist macht“ und z.B. in ein sozial und/oder ökologisch schädliches Projekt investiert. Oder die Mitglieder könnten sich auch auf nachhaltige Projekte hinweisen, für die es entsprechende Gelder zu sammeln gilt. Wenn sich Community Mitglieder derartige (Aktien-) Tips geben könnte man das meiner Ansicht nach sehr wohl zum Bereich Social Banking zählen.

Social Banking 2.0: Welches Marktpotenzial sehen Sie denn für nachhaltige Bankdienstleistungen, eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung ZEB hat in Deutschland ein Potential von 10 bis 12 Millionen Verbrauchern bis zum Jahr 2020 identifiziert. Stimmen Sie dem zu, bzw. in welcher Form werden denn die Kunden Social Banking nutzen, nur als ergänzenden Teil für ein paar Prozent ihres Portfolios, oder doch mehr?

Ich bin kein Marktforscher und kein Soziologe. Aber rund 10 % der Bevölkerung in dem genannten zeitlichen Rahmen von 10 Jahren als potentielle Kunden des Social Bankings zu betrachten halte ich für durchaus realistisch. Natürlich setzte das einen anhaltenden Werte- und Konsum-Wandel in der Gesellschaft voraus. Ich könnte mir jedoch gut vorstellen, dass die Probleme, vor denen wir stehen, diese Entwicklung beschleunigen. Gleichzeitig werden vermutlich verschiedenen Trends miteinander in Wechselwirkungen treten und sich positiv wie negativ beeinflussen. Vieles wird z.B. davon abhängen, wie schlimm die gegnwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise national und international noch wird, bzw. wann die nächste derartige Krise zuschlägt. Sollte sich die Wirtschaft erholen und „nur“ das Klima kollabieren, wird die  Bereitschaft der Kunden zum sozial-ökologischen Banking  zu wechseln, größer sein, als wenn neben dem Klima auch die Wirtschaft kollabiert.

Insgesamt denke ich beim Thema Social Banking immer wieder an das, was ich im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre im Umweltbereich beobachtet habe. Dort fingen in den 70er Jahren die Öko-Aktivisten – von allen belächelt – damit an sich für konsequenten Umweltschutz einzusetzen. Zunächst war das ihre Privat-Angelegenheit. Große Unternehmen interessierte nur was Gewinn brachte oder Kosten sparte. Umwelt- und Ressourcen-Schutz zählte lange nicht dazu. Erst als die Umwelt-Situation so unerträglich wurde, dass auch der Gesetzgeber einschritt, um Mindestanforderungen einschließlich entsprechender Strafen und Gebühren durchzusetzen, begannen die Unternehmen umzudenken. Zunächst nur reaktiv und in einzelnen Bereichen, später mehr pro-aktiv und systematisch, z.B. durch die Erstellung von internen Ökobilanzen und die Einführung von innerbetrieblichen Umweltmanagement-Systemen. Noch später, und vor allem als Antwort auf ein sich änderndes Konsumentenverhalten, kam es dann langsam auch zu Änderungen im Design einzelner Produkte. Im Automobil-Bereich z.B. führte das zur Einführung des für „unbezahlbar“ gehaltenen Katalysators vor rund 20 Jahren und zur Entwicklung der ersten für „unmöglich“ gehaltenen 3l Autos vor gut 10 Jahren. Mittlerweile ist der Katalysator Standard und die meisten Kunden (mit Ausnahme vielleicht derer, die auch Kunden im Private Wealth Management Banking sind) schauen bei der Anschaffung Eines Automobils heute auf seinen Verbrauch. Die Hersteller versuchen Ihren „Flottenverbrauch“ zu reduzieren und schauen sich auch die gesamte Value Chain Ihrer Produkte genauer an. Das Elektro-Auto steht vor der Tür und der gesamte Carbon-Footprint eines Fahrzeuges wird bald zentrales Herstellungs- und Kauf-Kriterium werden. Aber nur ein paar wirklich innovative Automobil-Hersteller arbeiten aktiv nicht nur an der Entwicklung neuer Automobile sondern an neuen formen von Mobilitäts-Systemen, die u.U. nicht mehr auf dem dauerhaften Besitz sondern nur noch temporären Nutzungsrechten an Fahrzeugen basieren.

Social Banking 2.0: Wie also lautet ihr Ausblick auf die Zukunft, wie wird sich der Bankensektor verändern?

Ich bin überzeugt davon, dass sich das gerade beschriebene Szenario mit einer gewissen zeitlichen Differenz von vielleicht 10-15 Jahren, und beschleunigt durch die gegenwärtige Finanzkrise, auch im Banken-Sektor abspielen wird. So gesehen, wäre ich nicht überrascht, wenn wir in 10 Jahren auch ein größeres Kundensegment für Social Banking sehen würden. Dann würde ich aber auch hoffen, dass wir neue Formen des Bankings erleben, mit vielen Innovationen, die heute noch von den meisten (konventionellen Banken) für undenkbar gehalten werden, obwohl sie schon vor Jahrzehnten von den sozial- und ökologisch orientierten Pionieren entwickelt wurden, wie. z.B. das Zinslose und/oder Sektor-spezifische Anleger-Konto, der Direkt-Kredit, die Schenk- und Leihgemeinschaft, an strikten Nachhaltigkeits-Kriterien orientierten Fonds etc.

Gleichzeitig erwarte ich, dass sich sozial-ökologisch orientierte Innovationen in den verschiedensten Bereichen des Finanzsektors etablieren werden, so dass über kurz oder lang ein sozial-ökologisches Finanz-Ökosystem ensteht, in dem Social Banks für die nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft eine wichtige, aber nicht mehr die wichtigste Rolle spielen.

Social Banking 2.0: Und noch eine persönliche Frage: Was motiviert Sie, sich in einer nachhaltigen Einrichtung wie dem Institute for Social Banking zu engagieren, sicherlich kann man woanders doch immer noch mehr Geld verdienen, oder?

Schwer zu sagen. Sicher kann man woanders viel mehr Geld verdienen. Viele meiner Freunde und Bekannten mit ähnlicher Ausbildung machen das auch. Vielleicht habe ich mich einfach zu doof angestellt, aber bisher ist mir noch nichts besseres angeboten worden. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich noch nicht nach etwas besserem gesucht habe.

An Fragen der Nachhaltigkeit war ich schon sehr lange interessiert – ursprünglich mit starkem Fokus auf Umweltschutz, weshalb ich auch Biologie und Ökologie studierte. Aber dann wurde mir spätestens während meines MBAs und meiner Promotion in London während der Technologieblase zur Jahrtausendwende klar, nicht nur wie absurd und irrational unser konventionelles Finanzsystem ist – sondern auch wie antiquiert und autistisch unser diesbezügliches Ausbildungssystem. 

Ich möchte mit meiner Arbeit nicht nur Profit machen sondern auch Sinn. Entsprechend wäre für mich eine Rückkehr in den konventionellen Finanz- und/oder Ausbildungsbereich eigentlich undenkbar – und ich hoffe, dass wir mit unsren Angeboten am ISB ein wenig dazu beitragen, dass auch andere eine Rückkehr zu „business and craziness as usual“ für unmöglich halten. Aber nichtsdestotrotz und entgegen aller besseren Vorsätze: ich hätte gern mehr Geld ;o(

Interview: Lothar Lochmaier

Kontakt: sven.remer@social-banking.org

Written by lochmaier

Januar 12, 2010 um 8:33 am

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2 Antworten

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  1. Vielen Dank für dieses Interview.
    Anfang Dezember hatte ich das Glück ein Seminar mit dem Thema’sozial orientiertes Geldwesen‘ zu besuchen und Sven war einer der Initiatoren des Treffens. Die Begegnung mit Sven und den anderen Teilnehmern, der Austausch und die Bereicherung an Informationen tuen meiner Urteilsbildung gut, stärken mein Bewußtsein für ‚es geht auch anders‘ und machen mir Mut, selbst Haltung einzunehmen und Stellung zu beziehen. Natürlich habe ich auch noch viele Fragen und einige von Diesen (und slchen die noch gar keine waren)wurden mir – von Dir gestellt – im Interview beantwortet. Das macht mir die Recherche leichter. Also Danke
    Übrigens werden wir uns Mitte Februar wieder treffen und unsere Ideen und Gedanken rund um das Thema ‚GeldWesen‘ austauschen. Für die Zukuft wllen wir mehr Menschen gewinnen, die zu diesem Thema etwas zu sagen oder zu fragen haben und damit meine ich nicht nur Bänker oder andere FachLeute, sondern auch den Soziologen, die Lehrerin, den Hausmann und eben jeden mündigen Bürger. Querdenker Willkommen!

    halbschatten

    Januar 16, 2010 at 3:24 pm


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