Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Europäische Ratingagentur: Aufgeblasenes Bürokratiemonstrum oder effizientes Kontrollorgan?

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Jetzt ist es „amtlich“ – die Griechen sind auf Null Euro von den führenden Ratingagenturen abgeschrieben. Dabei seien sie einer der Mitverursacher der Finanzkrise gewesen, schreibt TheEuropean. Man darf durchaus volkstümlich argumentieren: Jetzt wird der Bock zum Gärtner gemacht, denn die meisten „selbst ernannten“ Experten haben von der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Griechenlands so viel Ahnung wie vom Frauen Fußball.  

Da gehören viele Gurus und Trendspekulanten in die Rubrik „Abgeschrieben“. Was wir vor allem brauchen, ist weniger Hörigkeit gegenüber jenen, die doch nur die Herde der Einfältigen vor sich her treiben.

Mich erinnern die Gründungspläne um eine Europäische Ratingagentur an das europäische Pendant zum amerikanischen Satellitennavigationssystem im Weltall. Denn mit Galileo plant die Europäische Union seit langem ein Konkurrenzprodukt gegen die GPSler. Hier wird schon die Nachstufe gezündet, bevor das Raumschiff solide konstruiert worden ist.

Und der Orbit da über uns wird wie bei Star Trek nach dem Ende des gesamtrussischen Staatswesens genauso von den USA dominiert, wie dies bei den drei weltweit führenden Ratingagenturen (S&P, Moody’s und Fitch) seit langem der Fall ist.

Jetzt also auf ein Neues: Europa erklärt den USA den Wirtschaftskrieg, indem ein aufgeblasenes Bürokratiemonstrum ins Leben gerufen wird, das uns suggeriert, dass es doch staatlicherseits möglich ist, die aus dem Ruder gelaufenen Finanzmärkte an die Kandarre zu nehmen. Täuscht der Eindruck?

Man könnte schließlich genauso gut argumentieren, dass es sich dabei um ein strukturelles Gegengewicht zur amerikanischen Vormachtstellung handelt, das künftig Finanzkrisen sehr viel besser vermeiden lässt. Aber auch dieser Eindruck führt an der Realität vorbei.

Die Wahrheit liegt vielleicht in der Mitte, die meist keiner hören will. Anders gesagt: Weder ist diese Gründung ein automatisches Erfolgsmodell, noch führt dessen Nicht-gründung dazu, dass alles noch viel schlimmer wird.  

Der vom Mainstream-Opportunisten Zimmermann beim DIW geschasste Ökonom Gustav Horn spricht sich im Handelsblatt gegen die Neugründung aus. Die Einrichtung könne die entscheidenden Probleme bei der Überwachung der Finanzmärkte nicht lösen.

In erster Linie ist es ein lukratives Geschäft für Berater und Firmen, die entsprechende Konzepte ausarbeiten (ich bin nicht neidisch, ihnen sei ihr Geschäft gegönnt). Aber es nützt nichts, wenn wir immer mehr Häuptlinge haben und keine Indianer mehr, die den Karren nach vorne ziehen, statt nur kluge Konzepte für den Hohlspiegel zu schreiben. 

Schaut man sich das Management der Griechenland-Krise an, so wird deutlich, was ich meine. Denn die harten Konsequenzen, etwa einen Schuldenschnitt, scheuen die Politiker ohnehin. Die Fachkompetenz und die politische Entschlossenheit sind in Brüssel oder Straßburg nicht gerade zu Hause, wenn das Gehalt, pardon die Bezüge, automatisch aufs lebenslange Konto fließen und unternehmerisches Denken ein Fremdwort bleibt.

Das klingt vielleicht etwas pauschal, trifft aber den Kern der Sache. Es wäre ein neues Milliardengrab, für das der Steuerzahler in Sippenhaft genommen wird. Mich überzeugt der staatliche Kontrollwahn sowieso nicht, ich setze einzig und allein auf den Umstand, dass schlechte Modelle irgendwann absterben, und möglicherweise etwas Besseres an ihre Stelle tritt. Das freilich klingt ambitioniert, angesichts der Miesen im Staatsetat von EU und den USA, die beide den Überblick ihren Schuldenberg längst verloren haben.

Da rate ich ebenso wie Barack Obama dazu, die Hausaufgaben vor dem Staatsinfarkt wie seine Kinder zu erledigen, um das Allerschlimmste zu vermeiden.   Dazu empfehle ich gerne meinen Blogeintrag vom letzten September: Money School: Wie Kinder ihren Eltern den richtigen Umgang mit Geld beibringen.  

Zu diesem auch in der Blogosphäre kontrovers diskutierten Thema finden sich Beiträge etwa bei allaboutbanking Alle wollen europäische Ratingagentur. Der Autor fordert darin generell mehr Wettbewerb statt Augenwischerei. Auch weissgarnix spricht von einer Geisterdebatte. Von denen gibt es derzeit wahrlich genug, so dass man sich fragt, wer hier im Orbit ohne GPS-Ortungssystem von allen guten Geistern verlassen ist.

Written by lochmaier

Juli 5, 2011 um 6:40 am

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4 Antworten

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  1. […] Social Banking 2.0: Europäische Ratingagentur: Aufgeblasenes Bürokratiemonstrum oder effizientes Kontrollorgan? […]

  2. Ich sehe die ganze Sache mit sehr gemischten Gefühlen. Die Grundidee könnte man ja als ein Loslösen von der weltumspannenden Kapitalpolitik der USA ansehen – sprich, warum entscheiden Leuten von Übersee mit „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“ über die Entwicklung europäischer Länder und warum tun das gerade die, denen das Wort Inflation ein müdes Lächeln aufs Gesicht zaubert. Die ökonomischen Ziele sind schlichtweg andere und wie soll gemeinsame europäische Politik möglich sein, wenn so eine (gewollte) Abhängigkeit seitens USA besteht. Es gibt hier einen Interessenkonflikt, wenn man mal ganz frech unterstellt, dass amerikanische Ratingagenturen ein kleines Stück weit im Interesse des Greenback arbeiten könnten, der ja seine eigenen Probleme zu lösen hat.
    Ihr Artikel beschreibt meiner Ansicht nach schön den Prozess der Umsetzung einer solchen Initiative verbunden mit den unmittelbaren Konsequenzen – ein neues Bürokratiemonster. Aber das ist doch unser großes Asset. Wir besitzen die zweifelhafte Gabe alles was es gibt in Bürokratie zu verwandeln, wenn man das mal nur auf Deutscghland herunter bricht. Schwierig wenn nicht sogar sehr schwierig wird es wohl da einen EU – Konsens zu finden, commited man sich doch mit der Unterstützung einer solchen Rating Agentur gegen das amerikanische Modell, oder?

    Majonek

    Juli 5, 2011 at 2:52 pm

    • Ja, im Prinzip ist es unter dem Strich wohl kaum ratsam, sich offen gegen die USA mit einer europäischen Variante zu positionieren. Auch hier ist Galileo eine Art Blaupause, was geht und was nicht. Insofern stellt sich hier die Frage nach dem grundsätzlichen Nutzen nur bedingt, der könnte durchaus gegeben sein, aber das Risiko ist groß, dass es sich hier bloß um potemkinsche Geisterdörfer handelt, die gar keinen Einfluss auf das wirkliche Geschehen haben. Die Schlüsselbotschaft ist eher, mehr Konkurrenz, Vielfalt – und weniger Expertengläubigkeit, vor allem, weil es sich bei den Finanzen ohnehin um ausschließlich interessengeleitete Kanäle handelt. Einen Königsweg aus diesem Dilemma? Wer ihn hat, der werfe den ersten Stein….

      lochmaier

      Juli 5, 2011 at 2:58 pm

  3. Ich halte es für extrem Komplex in der Problematik auch nur einen Ansatz zu finden der nicht gegen irgend eine Seite schießt und das auf einer hohen Metaebene. Und das macht das ganze so verzwickt.
    Wir haben eine Währungsunion, das hat Vor- und Nachteile. Ökonomisch gesehen überwiegen für mich die Vorteile, wenn wir Europa mal ohne Grenzen als Wirtschaftsraum betrachten. denn unterm Strich können wir weltpolitisch nur so ein Gegengewicht zu China und den USA bilden. Wer sich an der Stelle die D- Mark zurück wünscht, der soll bitte nachts um 3 weiter die „Tagesschau von vor 20 Jahren“ auf NDR schauen. Die Mitgliedschaft, die offenkundig früher leichtfertig vergeben wurde, erfordert bestimmte wirtschaftliche Mindestanforderungen und die müssen gemessen, überwacht und gefördert werden. Schön wäre es ja dann, wenn alle Länder dieser Union mit der Zeit gemeinsam wirtschaftlich stark sein könnten und es kein Nord- Süd Gefälle gäbe. Man kann ja mal ganz zukunftsmäßig unterstellen, dass die polit. und wirtschaftl. Handlungsgrenzen irgendwann so niedrig sind, dass das klassische Bild von Aggrar im Süden und Industrie im Norden sich homogenisiert und am Ende insgesamt mehr Wohlstand entsteht. Ganz übler Beigeschmack – die produzierenden Länder sind dann andere, durch die gemeinsame Währung kann der Arbeiter ja schlecht 1,50 EUR pro Stunde verdienen, wie es im Nachbarland vlt. sein könnte. Um auch nur einen kleinen Teil der Betrachtung abbilden zu können, bräuchten wir eigentlich eine eigene Art von Ratingagentur, die auf das Konzept – EU geeicht ist. Da die großen anderen aber längst ihre Divions bei uns haben und fleißig einschätzen, stellt sich natürlich nach wie vor, immernoch und schonwieder die Frage – warum haben die soviel Macht? Eine Auf- und Abstufung bringt starke Dynamik in Geld- und Kapitalmarkt, verändert das tägliche Leben der Menschen und kann Inkubator für Krisen sein. Die „Krise“ ist in vielerlei Hinsicht aber schon an sämtlichen Stellen da, siehe Staatsverschuldung UK oder USA. Was würde plötzlich geschehen, wenn man hier die Länder Ratings (im Prinzip zu Recht) abstuft?

    Entweder müsste man eine weltumfassende Ratingagentur, losgelöst von jedem Land und Politik gründen oder viele viele kleine. Aber beide Ansätze haben ihre eigenen komplexen Probleme direkt mit im Gepäck.

    Majonek

    Juli 5, 2011 at 3:47 pm


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