Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Deutsche Bank Research: Setzen Unternehmen und Banken doch auf das Web 2.0?

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Gleich zwei neue Studien aus der Denkfabrik des einzigen heimischen Geldinstituts, das international gesehen in der ersten Liga spielt, sind spannend: Das Wichtigste zuerst, aus einer neuen Studie von Deutsche Bank Research vom Juli mit dem Titel: „Wie Unternehmen das Web 2.0 für sich nutzen“. Danach dienen „Social Media“ insgesamt der PR, dem Marketing, sowie dem Kundenmanagement, berichtet PR-Gateway.  

Dieser Befund muss nicht weiter verwundern. Besonders die junge Generation könne mit den neuen Medien adressiert werden. Die Voraussetzung für eine erfolgsversprechende Kommunikationsstrategie im Internet sei allerdings eine Unternehmenskultur, die Offenheit und Transparenz großschreibe. Darauf komme ich am Ende dieses Beitrags noch einmal zurück.

Und genau hierin liegt der Haken. Die ganze Studie gibt es hier zum Download.

Die zweite Studie aus dem gleichen Hause trägt den passenden Titel: „Mehrheit der Bankkunden recherchiert online„. Gekauft wird aber woanders, nämlich beim Berater. Das klingt zunächst nach einem etwas schöngefärbten salomonischen Urteil, das keinem zu sehr auf die Füße tritt.

Trotzdem: Auch Bankgeschäfte per Mausklick nehmen weiter zu. Aber noch misstrauen offenbar viele dem Online-Menu, weil man nicht so richtig dahinter blickt –  und schließen Verträge lieber noch stärker in der Offline-Welt ab.

Offiziell ausgedrückt liest sich dies so: Zwar werden noch immer die meisten neuen Finanzverträge in der Filiale abgeschlossen, wie die gemeinsame Studie von Deutscher Bank Research, GfK und Google ergab. Aber immer mehr Verbraucher informieren sich zuvor online über Konditionen für Geldanlage, Baukredite und Altersvorsorge, berichtet der Newsticker der Süddeutschen Zeitung, der sich auf die Deutsche-Presseagentur beruft. 

Die daran anschließende These: Trotz der zunehmenden Bedeutung des Internets sind die Studienautoren überzeugt: „Für eine umfassende Finanzplanung und bei komplexeren Produkten werden auch künftig viele Kunden eine individuelle und persönliche Beratung suchen.“ Stimmt das wirklich?

Ich wäre mir da nicht so sicher, denn nur wenn die Beratung tatsächlich eine ist, die dieses anspruchsvolles Etikett verdient, ebenso wie der Berater, dann wird der Kunde weiterhin der Offline-Welt mehr Vertrauen schenken. Denn viele Menschen haben längst realisiert, beschissen wird überall, sowohl im realen wie auch im virtuellen Leben.

Oder sachlicher ausgedrückt: Wenn das Netz mehr Bequemlichkeit, Überblick und Transparenz bis hin zum geschäftlichen Abschluss bietet, dann stellt sich die Frage, warum ein Neukunde nicht im angeblich so gefährlichen viralen Netz sein finanzielles Heil suchen sollte. 

Völlig ohne Risiken und Nebenwirkungen wird aber der Schwenk ins Web 2.0 für alle Beteiligten kaum verlaufen. Wer sich ganz unabhängig von weltanschaulichen Fragen mit dem Thema „Führung 2.0 und der intelligente Schwarm“ beschäftigen möchte, dem empfehle ich meinen schon etwas älteren Artikel im Manager Magazin online, der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.

Eine neue Managergeneration rückt dabei in den Mittelpunkt, die auch in der Bankenwelt gefragt wäre. Denn mit Hilfe von Web-2.0-Technologien soll das klassische Unternehmen zum Enterprise 2.0 mutieren. Doch ganz so simpel funktioniert die kollektive Glücksformel nicht. Dem CIO fiele dabei immerhin die komplexe Aufgabe zu, im Management die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schließen.

Meine Ausgangsthese, zurück kommend auf die erste Studie von DB Research, lautet nun so: Es gilt, das kreative Chaos mehr lieben zu lernen, als eine starre Ordnung, die Innovation eher behindert als fördert, gerade mit Blick auf den Kunden und die auf dessen Bedürfnisse ausgerichtete Prozesslandschaft.

Dies setzt jedoch zwingend eine neue „Führungskultur 2.0“ voraus, was gerade mit Blick auf die Bankenwelt fast schon einen Widerspruch in sich darstellt. 

Ein recht aufschlussreiches Interview im Schweizer Tagesanzeiger mit einem Ex-Bankmanager der UBS bringt die Kontroverse zwischen Hierarchie und offener Innovationskultur so auf den Punkt:

Tagesanzeiger: Verkaufen Bankberater wissentlich ihren Kunden falsche Produkte?

Klaus Wellershoff: Das glaube ich nicht. Berater müssten ja an langfristigen Beziehungen interessiert sein. Aber Bankberater sind konditioniert und risikoscheu. Würden sie das Risiko mögen, wären sie nicht Banker, sondern Unternehmer geworden. Das grösste Risiko im Banking ist aber nicht, dass der Kunde seine Ziele nicht erreicht, sondern dass man schlechter dasteht als die Konkurrenz. Deswegen machen alle das Gleiche, auch wenn es noch so falsch ist. Diesbezüglich hat kein Umdenken stattgefunden, die Finanzindustrie schläft weiter.

Tagesanzeiger: Und der einzelne Berater verkauft die Produkte mit guten Absichten?

Klaus Wellershoff: Das Problem ist, dass die meisten Banken falsche Erwartungen geweckt haben und weiterhin wecken. Sie signalisieren: «Wir kennen uns aus auf den Märkten und haben daher für jede Situation die richtigen Produkte. Wenns raufgeht an der Börse, profitierst du als Kunde; wenns runtergeht, passiert dir nichts, dann schützt dich die Bank.» Nun hat sich gezeigt, dass diese Versprechen nicht haltbar sind, dass «absolute return» nicht heisst, dass alles Geld zurückkommt. Zu befürchten steht, dass der Vertrauensverlust der Anleger in die Banken weitergehen wird. Nehmen Sie das Beispiel der Obligationenfonds. Wenn wie zu erwarten wiederum die Kunden enttäuscht werden, wird das für mehr Ärger sorgen als Lehman und Kaupthing zusammen. Dann hat nicht ein Produkt versagt, sondern das System.

Quelle: tagesanzeiger.ch

Die ganze Studie mit immerhin 32 Seiten von DB Research & Co. gibt es hier zum Download.

Written by lochmaier

September 2, 2010 um 7:04 am

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3 Antworten

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  1. […] Social Banking 2.0: Deutsche Bank Research: Setzen Unternehmen und Banken doch auf das Web 2.0? […]

  2. […] Klaus Wellershoff: Das glaube ich nicht. Berater müssten ja an langfristigen Beziehungen interessiert sein. Aber Bankberater sind konditioniert und risikoscheu. Würden sie das Risiko mögen, wären sie nicht Banker, sondern Unternehmer geworden. Das grösste Risiko im Banking ist aber nicht, dass der Kunde seine Ziele nicht erreicht, sondern dass man schlechter dasteht als die Konkurrenz. Deswegen machen alle das Gleiche, auch wenn es noch so falsch ist. Diesbezüglich hat kein Umdenken stattgefunden, die Finanzindustrie schläft weiter. via lochmaier.wordpress.com […]


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