Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Banken und Social Media: Eine kontroverse Standortbestimmung

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Der Vertrauensverlust in der Finanzwelt hält angesichts der großen Unsicherheit auf den Kapital- und Geldmärkten weiter an. Mit Blick auf das Private Banking stellt sich für Banken die komplexe Herausforderung, über den Einsatz von „sozialen“ Medien im Internet den unmittelbaren Kontakt zum Kunden zu suchen. Welche Rolle spielen neue Netzwerkstrukturen – wie viel „Social Media“ braucht und verträgt die Bank?

Dieser Frage bin ich gestern in einem Vortrag vor Branchenvertretern auf einer Veranstaltung der Interactive Data Managed Solution AG nachgegangen, die Anja Kohl von der ARD-Börse moderiert hat. Derzeit ist das Stimmungsbarometer in der Branche, um im Bild zu bleiben, nicht nur mit Blick auf das Private Banking etwas „volatil“.

Der gestrige Tag war für mich ein inspirierender Dialog, bei dem die zentralen Fragen nicht ausgeklammert blieben. Die Offenheit in der Branche ist durchaus erkennbar, sich mit zentralen Fragestellungen auseinanderzusetzen: Was ist Social Media? Wo liegen Chancen und Grenzen der einzelnen strategischen Optionen.

Welche Kanäle (Twitter, Facebook, Youtube, Xing etc.) eignen sich mit welchem Design für welche Zielgruppe? Welche Praxisszenarien machen überhaupt Sinn? Welche neuen Qualifikationsprofile im Social Media Management sind gefragt?  – Diese Fragen habe ich in den offenen Raum geworfen…

Das Thema kann, darf und soll man und frau sicherlich kontrovers diskutieren, vor allem auf welcher strategischen Ebene der „Social Media Ansatz“ angesiedelt sein soll. Ich habe das Thema für die Leser von Social Banking 2.0 durch zahlreiche Interviews und Hintergrundartikel immer wieder beleuchtet. 

Worin die zentrale Kontroverse zwischen Selbst- und Fremdbestimmung im kommunikativen Universum des world wide webs besteht, beleuchtet eine aktuelle Studie von Faktenkontor, die zu einem frappierenden Ergebnis kommt: „Deutsche erteilen Social Media-Banking klare Absage.“

Dieser nüchterne Befund sitzt, doch stimmt er wirklich? Ich erarbeite derzeit mit einer versierten Finanzsoziologin auf empirischer Basis anhand eines Samples von 40.000 Haushalten an der komplexen Fragestellung, wie Konsum- und Anlageverhalten, Geldbesitz und Lebensstile unter dem Einfluss neuer Medien zusammen hängen.

Mir scheint es eine ziemlich gewagte These zu sein, dass die Deutschen „Social Media Banking“ eine klare Absage erteilen – angesichts der wachsenden Bedeutung sozialer Netzwerke, die ich gestern im Vortrag en detail dargestellt habe. Die Marktforscher ziehen jedoch daraus andere Schlußfolgerungen.

76 Prozent der deutschen Bankkunden können sich laut Faktenkontor offenbar nicht vorstellen, mit ihrem Finanzinstitut künftig über Social Media-Kanäle wie Twitter oder Facebook zu kommunizieren. Kommentar: Das muss nicht verwundern, denn erstens gibt es kaum kreative Angebote, und zweitens ist ein rein von Social Media Marketing getriebener konzeptioneller Ansatz kaum zielführend. Wird jetzt der Bock zum Gärtner gemacht?

67 Prozent wünschten sich dagegen Kontakt über das Internetportal der Bank (29 Prozent), E-Mail (22 Prozent) oder Telefon (16 Prozent). Gut jeder Zweite bevorzuge gar das klassische Gespräch mit dem Kundenbetreuer in der Bankfiliale, so bilanziert die repräsentative Umfrage der Kommunikationsagentur Faktenkontor und dem Marktforscher Toluna unter 1.000 Bundesbürgern.

Die Bankfiliale, so heißt es weiter, sei „erstaunlicherweise auch der Ort, an der die Deutschen Informationen zu Finanzfragen und Möglichkeiten der Geldanlage besonders glaubwürdig finden.“ 42 Prozent der Befragten geben demnach das persönliche Gespräch mit dem Kundenbetreuer als seriöseste Quelle an.

Faktenkontor bilanziert: „Von so einem Ergebnis kann beispielsweise die Autoindustrie nur träumen. Denn dass ein Autoverkäufer als glaubwürdigste Quelle in Mobilitätsfragen angesehen wird, dürfte deutlich seltener vorkommen.“

Welche Schlußfolgerungen lassen sich ziehen? Knapp 30 Prozent der Bankkunden setzen laut Faktenkontor in Finanzangelegenheiten auf Informationen aus dem Internet. Und ganz am Ende kommt nun der kleine Haken an dieser Studie – denn, so Faktenkontor in seiner Pressemitteilung, „jeder Vierte findet in Geldfragen die Glaubwürdigkeit von Freunden und Bekannten am größten.“ Es geht also nicht darum die Bank direkt in Facebook hinein zu verlagern.

Da haben wir die „kleine“, kontroverse Standortbestimmung. Denn in meinem gestrigen Vortrag bin ich zu anderen Ergebnissen gekommen. Social Media bedeutet „user generated content“ – die Leitfragen sind doch etwa diese hier: Wem vertrauen die Menschen, wie wird es gewonnen? Durch Transparenz, durch aktive Beteiligung, auch im Bankwesen. Die Bank nimmt den Kunden ernst und kommuniziert auf Augenhöhe, dann erübrigen sich derartig einseitige Befunde, dass die Deutschen Social Media Banking eine pauschale Absage erteilen.  

Social Media, so habe ich es gestern ausgeführt, ist demzufolge keine Technik, sondern eine permanente Aktion, um die Gespräche zwischen Bank und Kunden auf gleicher Augenhöhe zu unterstützen. Starre Hierarchie wird somit durch einen Geist der (nicht immer gleichberechtigten, jedoch moderierten) Kooperation abgelöst. Märkte sind Gespräche mit offenem Ausgang.  Kommunikation, Austausch von Argumenten, Zuhören… Motto: Überzeugen statt überreden.

Die Innovationstreiber mit Blick auf die kreative Verschmelzung von Banken und Social Media sind die neuen „Social Banks“, die die neuen Medien konsequent anwenden und in den Mittelpunkt ihrer Geschäftsphilosophie stellen. Auch sie müssen sich noch erproben, wachsen und reifen – von diesem Lernprozess können wir aber alle lernen und profitieren.

Schließlich sind wir alle „Social Banker“, denn die Bank sind doch wir, jeder einzelne, der versucht mit seinem Geld vernünftig und kreativ zu arbeiten. Oder wie hat es Deutsche Bank-Vorstand Josef Ackermann kürzlich ausgedrückt: „Wir können in einer parallelen Welt nicht existieren“. Social Media ist das kreative Bindeglied, um zwei bislang unverbundene Elemente wieder miteinander zu verknüpfen. Dann brauchen auch wir Deutschen dem „Social Media Banking“ keine Absage mehr zu erteilen. 

Im Juli werde ich in einem Vortrag auf der Summer School des Instituts for Social Banking in Florenz zum Thema „Banking on Values“ der spannenden Fragestellung nachgehen:

Social Banking 2.0 – the future of Finance? – Das ist natürlich eine etwas provokative Zuspitzung. Aber sicherlich wird es ein wichtiger Bestandteil unserer Zukunft sein, vielleicht sogar ein essentieller.  Oder anders ausgedrückt: Die Bank der Zukunft findet ohne kreative Verschmelzung mit „Social Media“ gar nicht statt.

Written by lochmaier

Juni 25, 2010 um 7:24 am

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