Finanzblogs (Teil III) – Tumblr zwischen Innovation, Börse und Ökonomie
Spieglein, Spieglein, an der Wand, sag mir, welches Format den Kunden in seiner Kaufentscheidung wirklich beeinflusst. Das dachte sich wohl auch Yahoo, als es kürzlich den Blogging-Dienst Tumblr für ein bisschen mehr als Kleingeld aufkaufte.
Tja, was der mehr als eine Milliarde Dollar schwere Deal bringt, steht in den Sternen, fest steht nur: Irgendwas muss dran sein an diesen kleinen Tagebüchern von Millionen Nutzern im Netz. Beeinflußen diese etwa auch die doch ach so konservative Finanzwirtschaft. Wird wohl so nicht kommen, beruhigt sich der eine oder andere Entscheider in der bequemen und wohl temperierten Businesslounge.
Auch mir wird manches Mal schwindlig vor all den englischen Fachbegriffen im Netz. Denn es gibt so viele Social Monitoring Dienste, die die Weisheit allesamt mit Löffeln gefressen haben. Von Peer Influencer Analysis ist da die Rede, von der 90-9-1-Regel nach dem Webguru Nielsen, von Massen Konnektoren (wohl so was wie elektrische Verteilstationen) und Mass Mavens (Experten), die man als Unternehmen unbedingt auf dem Radarschirm haben sollte.
Ganz ehrlich: Ich halte von den meisten dieser recht pseudowissenschaftlich agierenden Recherchemethoden und Tools nicht übermäßig viel. Ich bin kein Social Media Evangelist. Sicherlich, Werkzeuge wie Followerwonk, SocialBro, Tweetlevel oder Google+ Ripples sind nützlich, aber die relevanten Informationsstränge und –kanäle vollziehen sich im Netz gerade bei Finanzthemen oftmals jenseits der großen Kulisse. Nicht immer sind es die am meisten verlinkten Beiträge, die das intensivste Echo auslösen.
Will heißen: Mit der Analyse der Schlüsselbeeinflusser sieht man nur die Spitze des Eisbergs, nicht aber jene 80 Prozent an interessanten Formaten, die sich unterhalb der Wasseroberfläche befinden. Bleiben wir also bodenständig, statt dem hippen Zeitgeist zu verfallen. Durch gut gemachte Finanzblogs wächst die Nische für „echte“ Geschichten zum Anfassen, mit unterschiedlichen Akteuren und Unternehmern.
Die Berichterstattung bewegt sich damit partiell, verstärkt durch den sozio-ökonomischen Paradigmenwandel in der Finanzwelt, weg von Stereotypen und Hochglanzbildern, zumindest wenn diese einer genaueren Überprüfung durch die Gesellschaft nicht mehr standhalten. Fest steht vielmehr, dass sich die Grenzen zwischen Innen- und Außenwahrnehmung als Folge eines „kollaborativen Journalismus“ – gerade mit Hilfe von Finanzblogs als wichtigen Trendverstärker – weiter auflösen werden.
Der inhaltliche Megatrend zur Differenzierung am Markt besteht darin, neue Wege im konstruktiven Kapitalismus aufzuzeigen. Lesercommunities und eine dadurch erhöhte Dialogbereitschaft gehören nicht nur zur schicken Fassade, wenn Macher und Rezipienten sich auf Augenhöhe begegnen. Eine deutlich bürgernahere und weniger hierarchisch gruppierte Wirtschafts- und Finanzberichterstattung dürfte die Folge sein, bei der sich Fach- und Gastbeiträge um aktive Feed-back-Elemente und Dialogformate ergänzen, über unterschiedliche Frequenzen und Kanäle, manches Mal auch in Echtzeit.
Das Tumblr für die Bankenwelt?
Fazit: Einbahnstraßenkanäle und selektives Nachrichtenmanagement mit vermeintlich exklusiven Geschichten verlieren angesichts einer neuen Medienvielfalt an Gewicht. Zweifellos verstärkt sich dadurch der Trend zum personalisierten Wirtschafts- und Finanzmedium im Netz, mit einer weiteren Vertiefung in Richtung Themen- und Spartenkanäle, die der Leser in einer Art Baukastenprinzip individuell konfigurieren kann.
Dies führt dazu, dass gerade die Leitmedien nicht umhin kommen, neue Spieler wie Blogs, soziale Medienkanäle oder andere vermeintlich rudimentäre Nachrichtenseiten ernst zu nehmen und sukzessive kreative Spielelemente in ihr eigenes Geschäftsmodell einfließen zu lassen. Der Trend birgt für die künftige Generation der Kommunikatoren eine große Chance in sich, indem sie neuen Charakter einer ungleich stärker vernetzten Ökonomie 2.0 in seiner ganzen medialen Vielfalt wider spiegelt und aktiv begleitet.
Nicht nur eröffnet dieser Umstand seitens der betrieblichen Kommunikationsformate die Chance, jenseits von modischen Accessoires eine mehr-direktionale Beteiligungswelle mit effizientem Zuschnitt einzuleiten. Das neue Rollenspiel bietet darüber hinaus die Option, die eigene Wertschöpfungskette gründlich an die neuen Erfordernisse anzupassen, um daraus belebende Konzepte zu entwickeln, die das eigene Profil, die Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Verweildauer schärfen oder gar erhöhen. Eine deutlich größere Medienvielfalt „von unten“ bietet somit für versierte Unternehmen und deren öffentlich sichtbare Fachautoren die Chance, sich über Mehrwertdienste am Markt zu (re)differenzieren.
Zwar sind „Best Practices“ und verlässliche Standardkriterien noch nicht in Sicht. Hier jedoch aus meiner Sicht einige denkbare Qualitätskriterien, die letztlich zum langfristig orientierten Community Building von Corporate Finance Blogs beitragen können (mehr dazu auch im letzten Teil):
- Unternehmerisches Denken und Handeln
- Mut zur Subjektivität (kontrolliert und moderierend)
- Solides journalistisches, stilistisches und visuelles Handwerk (Recherche, Aufbereitung, Darstellung)
- Individualität (z.B. Kreativ(op)position zum Mainstream in Medien und auf den Finanzmärkten)
- Interaktion (mit Blogosphäre und Lesern)
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