Green Crowdfunding: Interview mit Bettervest zum Energiesparen
Die Macher der Plattform Bettervest setzen derzeit vor allem auf das Energiesparen über LED-basierte Beleuchtungskonzepte. Das Besondere: Ein Teil der durch innovative Technologien erzielten Energieeinsparung fließt in Form einer zusätzlichen Rendite wieder an die Unterstützergemeinde zurück. Geschäftsführer Patrick Mijnals skizziert auf meine Fragen das Konzept ausführlicher.
Social Banking 2.0: Welche Erfolgschancen bieten Crowdfunding-Plattformen zur (dezentralen) Energiewende generell?
Patrick Mijnals: Die Energiewende ist ein Gesellschaftsprojekt, das breite Partizipation erfordert und einen immensen finanziellen Aufwand mit sich bringt. Sie ist nur realisierbar, wenn sie von uns allen aktiv mitgestaltet wird. Demnach sind Plattformen für equity-based Crowdfunding (Crowdinvesting) im Energiesektor eine hervorragende Grundlage für die “Energiewende von unten”.
bettervest im Speziellen baut dabei auf die zweite Säule der Energiewende: die Energieeffizienz. Ohne diese zweite Säule ist eine erfolgreiche Energiewende aus Expertensicht nicht möglich. Laut dem alternativen “Effizienzszenario” des World Energy Outlook 2012, könnte der Anstieg des Primärenergiebedarfs nur durch Einsparungen bis 2035 halbiert werden, wenn die bislang ungenutzten Potenziale erschlossen würden. Unser Schirmherr, Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker, schildert in seinem Sachbuch “Faktor Fünf” eindrücklich, dass die Welt um den Faktor fünf effizienter mit seinen Ressourcen umgehen könnte.
SB 2.0: Inwieweit unterscheidet sich der internetbasierte Ansatz von der „klassischen“ Energiegenosssenschaft (rechtlich, strukturell etc.)?
Man könnte bettervest als eine digitale Version 2.0 einer traditionellen Genossenschaft verstehen. Das ist aber keineswegs despektierlich gemeint – die meisten Genossenschaften machen ja einen fabelhaften Job. Wir sprechen aber mit schlankeren, einfacheren Strukturen und der Online-Abwicklung (zum Teil auch ganz) andere Zielgruppen anders an. Wir verstehen uns also auch nicht als Konkurrenz zum Bestehenden – schließlich haben wir ja das gleiche Ziel. Insgesamt sind uns aber nur wenige Genossenschaften bekannt, die sich mit Energieeffizienz statt mit erneuerbaren Energien befassen. Eine Ausnahme bildet der B.A.U.M Zukunftsfonds mit dem wir auch schon im Kontakt stehen. Anders als dieser, wollen wir zunächst vor allem kleine und mittlere Projekte finanzieren (vorerst bis 100.000) und den Investoren die individuelle Wahl überlassen, welches Projekt mit welchen Konditionen unterstützt wird. Bei bettervest sind auch die Einstiegshürden mit 50€ Mindest-Investment weitaus geringer als bei den meisten Genossenschaften. Rechtlich gesehen erwirbt man mit seiner Investition bei bettervest ein Genussrecht oder eine stille Beteiligung, die dem Investor eine Partizipation an den erzielten Kosteneinsparungen der Energieeffizienzmaßnahme einräumen.
Die Projekte auf bettervest setzen darüber hinaus direkt bei etablierten kleinen und mittleren Unternehmen, bei kommunalen Projekten oder solchen von Vereinen und sonstigen Institutionen an – denn quasi jeder kann Energie sparen. Die Crowd bietet den Projektinhabern darüber hinaus keinen Kredit, sondern frisches Eigenkapital. So unterstützen die Investoren nicht nur bei der Verringerung des CO2 Ausstoßes und erhalten eine stattliche Rendite, sondern helfen auch noch die regionale Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Dies auch deshalb, weil lokale Handwerksbetriebe und die wachsende Energieeffizienzindustrie über bettervest an neue Aufträge kommen.
Last but not least, sollte man auch die kommunikative Wirkung eines Crowdfunding-Projektes nicht unterschätzen. Nach dem Motto: “Tue Gutes, und sprich darüber”, haben die Projektinhaber auch die Gelegenheit zahlreiche Unterstützer unter ihren Kunden, Mitarbeitern, Mitgliedern, Bürgern etc. zu finden und sie als aktive Multiplikatoren ihrer ökologischen Bemühungen einzubinden. Auch dabei unterstützt bettervest und unterscheidet sich so grundlegend von den anderen Plattformen.
SB 2.0: Für welche Vorhaben und Marktsegmente eignet sich das „Crowdfunding der Energiewende“?
bettervest konzentriert sich voll und ganz auf Energieeffizienzprojekte. Zu Anfang sind LED-Projekte am besten zu kontrollieren, daher wird hier zunächst der Fokus gesetzt. Später werden – bei entsprechenden Rahmenbedingungen – u.a. folgende Querschnittstechnologien interessant sein: Green IT, Heizungs- und Klimatechnik, Kraft-Wärme-Kopplung, energieeffiziente Mobilitätskonzepte…
SB 2.0: Bieten derartige neue Geschäftsmodelle auch die Chance zu einer Renaissance der nachhaltigen regionalen Wertschöpfung, etwa via Stadtwerkemodell (wenn ja, bitte genauer beschreiben)?
Die aktuelle Stadtwerke-Studie von Ernst & Young zeigt, dass Stadtwerke und regionale Energieversorgungsunternehmen bis zum Jahr 2020 rund 70 Milliarden Euro in die Energiewende investieren werden – was sie vor große Herausforderungen stellt. In den nächsten Jahren werden sie gefordert sein, ihre Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsmechanismen zu verändern. Sie werden sich immer mehr zu ganzheitlichen Energiedienstleistern entwickeln, die sich um alle Belange in energetischen Fragen kümmern, was auch die Themen Energieeffizienz und eine klimaneutrale Ausrichtung der Kunden mit einschließt. Eine aktuelle Untersuchung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kommt zu dem Ergebnis, dass schon rund 87 % der Energieversorger kostenlose Energieberatung anbieten.
bettervest positioniert sich vor diesem Hintergrund als Partner der Stadtwerke, der nicht nur eine alternative Finanzierungsform liefert, sondern sich auch als Informations- und Vernetzungsplattform für die gesamte Bandbreite von Akteuren vor Ort (Bürgern, Unternehmen und Institutionen) anbietet.
bettervest ist darauf ausgelegt, dem einzelnen Bürger die gezielte Förderung nachhaltiger Projekte seiner Wahl und – sofern möglich – in seinem direkten Umfeld zu ermöglichen. Damit ist es dem Konzept immanent, nachhaltige, regionale und dezentrale Wertschöpfung zu unterstützen.
SB 2.0: Und ein Ausblick: Wo geht hier die Reise hin, steigen hier auch größere Investoren mit ein, oder bleibt das eher etwas für kleinere Vorhaben?
Unser Konzept ist grundsätzlich nach oben offen skalierbar, zunächst gibt es im noch jungen Crowdfunding/-investing Markt aber einige gesetzliche Restriktionen. In den letzten Monaten haben wir viele Gespräche mit Projektinhabern, Energieberatern, großen und kleineren Investoren, Genossenschaften, Politikern usw. geführt und mussten feststellen, dass das Interesse an Crowdfunding und Energieeffizienzprojekten bei den unterschiedlichsten Beteiligten durchweg hoch ist. Beachtenswert ist auch, dass die Umsetzung einer energieeffizienten Volkswirtschaft in Deutschland schon relativ weit fortgeschritten ist, sich dennoch enorme Potentiale bieten. Global betrachtet steckt das Thema aber noch in den Kinderschuhen, wie die Prognosen renommierter Beratungsinstitutionen immer wieder bestätigen.
Wir denken bereits jetzt über ein um “Co-Funding” ergänztes bettervest 2.0 nach, in dem auch größere, institutionelle und nachhaltige Investoren eine Rolle spielen können.
Interview: Lothar Lochmaier
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