Banking on Values: Do (not) talk about Ethics!
Libor-Skandal, exzessive Bankerboni und sonstige Missstände im Management. Gibt es überhaupt eine nachhaltige Wirtschaftsethik für die Finanzindustrie jenseits von Renditeoptimierung? Über die Quadratur des Kreises habe ich mir in Berlin auf der Tagung global operierender, „nachhaltig“ aufgestellter Bankinstitute meine Gedanken gemacht. Hier meine persönlichen Eindrücke für die Leser von Social Banking 2.0.
Die jüngsten Exzesse bei der Vergütung von Managern forcieren auch in Deutschland die kontroverse Diskussion um angemessene Vergütungssysteme. Trotz des Erfolgs der Schweizer Initiative: Staatliche Regulierungsbemühungen und von den Shareholdern verordnete Gesundungsprogramme bringen kaum weiter.
Es sei überhaupt fraglich, ob der Wertewandel in der Finanzindustrie wirklich stattfinde, bilanzierte denn auch Bundestagspräsident Norbert Lammert auf der Berliner Jahrestagung der Global Alliance for Banking on Values (GABV), einem globalen Zusammenschluss von derzeit 22 Nachhaltigkeitsbanken.
Wirksame Patentrezepte sind nicht nur nach Auffassung der politischen Meinungsführer gefragt. Dies, um einerseits das Kinde nicht mit dem Bade auszuschütten, aber auch gewisse Exzesse in der Bankenwelt als der wichtigsten wirtschaftlichen „Leitbranche“ zumindest einzudämmen.
„Die Finanztransaktionssteuer auf breiter Front zu etablieren, macht aber nur dort Sinn, wo der Verursacher tatsächlichen seinen Sitz hat“, räumt Lammert ein. Sein Fazit: Grundsätzlich treffe die Politik fast immer die Falschen, und auch internationale Verbote und Regeln seien kaum wirksam. „Die Politik kann die Wirtschaft nicht steuern“, so die nüchterne Bilanz des Bundestagspräsidenten.
Umso mehr solle nun die soziale und ökologische Nachhaltigkeit stärker in die Entscheidungsmatrix der Manager mit einfließen, betont demgegenüber Thomas Jorberg, Vorstand bei der GLS Bank. Zur Trendwende aller in Richtung einer neuen Nachdenklichkeit möchte die Allianz der Ökobanken zum werteorientierten Bankgeschäft ihren Beitrag leisten.
Der Zusammenschluss aus aller Welt wächst ebenso dynamisch wie die Bilanzvolumina der ökologisch orientierten Finanzinstitute, wenngleich manche Beobachter deren Kapitalströme im Vergleich etwa zu den großen Geschäftsbanken immer noch als „Nischenmarkt“ abqualifizieren. Das aber dürfte kaum so bleiben.
Denn die Gesellschaft bewegt sich ebenso auf eine neue Zielvereinbarung zu, wie die Nachhaltigkeitsbanken sich vorsichtig an den Mainstream annähern. Hier wächst zusammen, was zusammen gehört: „Das Schweizer Referendum zur Deckelung von Managergehältern ist eine interessante Entwicklung, durch die gerade Banken auf die neue sozio-ökonomische Herausforderungen reagieren müssen“, betont Wendy Luhabe, Chair of Women Private Equity Fond in Johannesburg.
Risikobewusstes „Female Finance Management “ an die Machthebel
Die renommierte Sozialunternehmerin aus Südafrika sieht vor allem Frauen als die kommenden Hoffnungsträger in der Finanzwirtschaft an, auch weil diese Zielgruppe wesentlich risikobewusster mit dem Geld agiere. Zusätzliche Bonizahlungen selbst im Falle des Misserfolgs aber zeigten, wie sehr die Finanzbranche sich mittlerweile von der Gesellschaft isoliert habe. „Die Banken sollten weniger Risiken eingehen und eine gute Balance zwischen Rendite und sozialer Nachhaltigkeit halten“, fordert Luhabe.
Allerdings fehlt es bei den Nachhaltigkeitsinstituten an einer inhaltlich konsistenten Roadmap, wie ein Umdenken im großen Stile bei der Finanzindustrie gelingen kann. Prof. Otto Scharmer von der Denkfabrik MIT etwa plädiert für ein transformatives Bankensystem, indem das Gemeinwohl über dem Gewinnstreben stehe. Dazu gelte es, vor allem die unternehmerischen und menschlichen Fähigkeiten der Menschen zu stärken.
Der Pferdefuß an diesem im Fachjargon der Trendforscher als „Gesellschaft 4.0“ etikettierten Zukunftsmodell: Wer einerseits mehr unternehmerisches Denken anmahnt, gleichzeitig aber das Gewinnstreben reduzieren möchte, der übersieht einen kaum zu lösenden Interessenkonflikt. Denn letztlich operiert gerade die Gruppe der Unternehmer am Markt und muss sich an Erfolgskriterien messen lassen. Was aber passiert, wenn der Markt und die Marktteilnehmer sich ändern?
„Die Regulierung allein von Aktiengesellschaften bringt kaum weiter“, betont Thomas Jorberg. Er plädiert demgegenüber für mehr kleine, dezentrale Finanzinstitute, um den Aspekt der lokalen Nachhaltigkeit zu stärken. Denn Fakt ist: „Die allwissenden Märkte, die sich durch die unsichtbare Hand selbst regulieren, gibt es gar nicht“, pointiert der der Ökonom Tomáš Sedláček, Bestseller-Autor von „Die Ökonomie von Gut und Böse“. Siehe dazu auch mein Interview mit ihm im vorigen Beitrag.
Neues Mainstream-Banking möglich?
Fazit: Ob es künftig eine stärkere Synergie zwischen Community Banks, Öko- und Genossenschaftsbanken, Mikrofinanzinstituten und den „normalen“ Geschäftsbanken geben wird, bleibt offen. Allerdings zeigt sich die Tendenz, dass auch reguläre Finanzinstitute immer mehr auf die nachhaltige Geldanlage setzen, ob zum Window dressing oder ernsthaft, sei dahin gestellt.
„Nachhaltige Ansätze fließen erst allmählich in das Mainstream-Banking ein, das Ziel kann nicht darin bestehen, dass etwa Ökobanken es ganz übernehmen“, dämpft Peter Blohm zu hochgesteckte Erwartungen, Chair der GABV-Initiative und Chef der weltweit größten Nachhaltigkeit Triodos.
Mit anderen Worten: Der selbst gesetzte Anspruch, das eigene Wachstum nachhaltig zu gestalten und nicht nur die Rendite zu maximieren, begrenzt letztlich die Rolle der ökologischen Geldinstitute auf einen – wenngleich – attraktiven Nischenmarkt. Der aber wächst zweifellos weiter, vor allem in dynamischen Wirtschaftsregionen wie Lateinamerika oder Asien. „Wir werden unsere Initiative für ein werteorientiertes Bankensystem deshalb weiter öffnen, ohne die eigenen Werte zu verwässern“, betont Blom.
Hierzulande zeichnet sich dabei ein stärkerer Schulterschluss zwischen ökologischen Banken, dem Genossenschaftssektor und teilweise auch mit den Sparkassen ab. Der Wind hat sich gedreht. Während die einen kontinuierlich wachsen, hoffen andere darauf, nicht rasant zu schrumpfen. Auch dies ist ein kleiner Paradigmenwandel: Noch vor Jahren war Deutschland als der „kranke Mann Europas von Branchenexperten im Ausland als „overbanked“ etikettiert worden. Von einem zu kleinteiligen Bankensystem war unter anderem die Rede.
Auch dieses Wahrnehmungsmuster hat sich gründlich geändert. Heute blickt so mancher andernorts neidisch auf das „langweilige“ Regionalitäts- und Subsidiaritätsprinzip der Sparkassen und Volksbanken, obgleich man weiterhin zögert, den Anteil der ökologisch-sozialen Bankprodukte im eigenen Portfolio allzu sehr nach oben zu schrauben.
Und so bleiben wichtige Zukunftsfragen, inwieweit sich die Finanzindustrie auf einen gesünderen Mix zwischen Rendite und Gemeinwohl einlassen wird, auch weiterhin ungeklärt. Die gute Nachricht aber lautet: Neue Wege entstehen nur beim Gehen. Und hier gibt es zahlreiche neue Spieler, die bereits auf den Pfad jenseits der reinen Renditemaximierung eingeschwenkt sind.
Hier noch zum ergänzenden Hintergrund für die Leser von Social Banking 2.0 die Presseinfo der GABV-Initiative -, die meines Erachtens aber noch deutlich konkreter gefasst werden müsste, denn sonst bleibt man, ebenso wie die oben beschriebenen Regulierungsansätze im politisch wie moralisch unverbindlichen “ brüchigen Konsens“ stecken:
Die Global Alliance for Banking on Values (GABV) fordert einen fundamentalen Wandel im Bankensystem durch mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Vielfalt in der Bankenwelt. Die Mitgliedsbanken der GABV diskutieren auf ihrer Jahreskonferenz im März 2013 in Berlin über Maßnahmen für ein stabileres und stärker an den Menschen orientiertes Finanzsystem sowie darüber, was alle Beteiligten einschließlich der Banken, Aufsichtsbehörden und Regierungen beitragen können, um dieses Ziel zu erreichen.
Aus Sicht der GABV sind die folgenden drei Eckpunkte für einen Paradigmenwechsel im Finanzwesen grundlegend:
1. Transparenz
Bankkunden und Anleger haben ein Recht auf Transparenz über die Verwendung ihrer Gelder und die Geschäftsmodelle ihrer Banken. Nur Transparenz kann Vertrauen wiederherstellen und die Menschen davon überzeugen, dass das Finanzsystem ihnen dient.
Empfehlung: Alle Banken sollten sich verpflichten, vollständige Transparenz über ihre Geschäftsmodelle sowie die Verwendung der ihnen anvertrauten Gelder zu gewähren. Das schließt die Dokumentation der Ergebnisse ihrer Geschäftstätigkeit auf der Grundlage einheitlicher Standards wie zum Beispiel der Global Reporting Initiative ein.
2. Nachhaltigkeit
Banken spielen eine entscheidende Rolle bei der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Daher sollten soziale und ökologische Kriterien ein fester Bestandteil ihrer Finanzangebote sein. Banken stehen in der Pflicht, sowohl für die kurz-, als auch langfristigen Folgen ihrer Aktivitäten die volle Verantwortung zu übernehmen. Sie stehen im Dienste der Realwirtschaft und müssen gesamtgesellschaftliche Sichtweisen bei ihren Entscheidungen stärker berücksichtigen. Nur gut kapitalisierte und regulierte Banken können ihre wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllen. Basel III ist zwar wichtig, aber nicht ausreichend für ein Bankensystem, das sich nicht auf die Korrektur unerwünschter Entwicklungen beschränken will.
Notwendig ist die Entwicklung einer Vision und eines Positivbilds für das Finanzsystem in enger Zusammenarbeit von Regierungen, Aufsichtsbehörden, Banken und der Zivilgesellschaft.
Empfehlung: Die sozialen und ökologischen Folgen von Bankgeschäften müssen anhand regulatorisch verbindlicher Indikatoren dokumentiert werden.
3. Vielfalt
Ein stabiles Bankensystem ist sowohl aus globaler als auch lokaler Sicht unverzichtbar. Die Vielfalt wirtschaftlicher, kultureller und gesellschaftlicher Systeme erfordert ein ebenso vielfältiges Bankensystem. Globale Finanzkonzerne, die sich nur am Shareholder Value orientieren, können der Realwirtschaft nicht gleichzeitig die notwendige Diversität und Nähe bieten. Kleinere Banken, die in ihrer jeweiligen Umgebung fest verwurzelt sind und sich der Realwirtschaft ebenso verpflichtet sehen wie dem sozialen Zusammenhalt, spielen eine wichtige Rolle – sowohl als Treiber nachhaltiger Innovationen als auch durch ihren einzigartigen Zugang zu Finanzangeboten. Vielfalt sorgt für ein widerstandsfähigeres Finanzsystem ohne systemische Risiken, die den Regierungen vielfach die Hände binden.
Empfehlung: Die Vielfalt von Banken muss von Regierungen und Aufsichtsbehörden als ein eigenes und wichtiges Ziel bei der Neuregulierung des Bankensystems festgeschrieben werden.
Über die Global Alliance for Banking on Values (GABV)
Die GABV ist ein im Jahr 2009 gegründetes weltweites Netzwerk sozial-ökologisch agierender Banken, das derzeit 22 Mitglieder aus Asien, Afrika, Lateinamerika, Nordamerika, Australien, Afrika und Europa umfasst. www.gabv.org
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