Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Crowdinvesting: Die neue C-Klasse etabliert sich

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Wer von A nach B kommen will, braucht C, den Man-in-the Middle, auch bei diesem Thema: Wie seriös, verlässlich und moderat die Neue C-Klasse der Crowdfunding-Plattformen arbeitet, lässt sich nicht pauschal beantworten. Nicht auszuschließen ist trotz der nachvollziehbaren Aufbruchstimmung , dass auch die konventionelle Finanzindustrie jetzt versucht, den hippen Trend möglichst geschickt für sich auszunutzen.

Einige dieser Szenarien ließen sich bereits beim Social Lending beobachten, weshalb ich in Die Bank sind wir einige grundsätzliche Rahmenbedingungen skizziert habe, damit derartige Modelle seriös funktionieren. Man verzeihe mir meinen verbal volkstümlichen Einwurf: Scheißt der Teufel beim Crowdfunding immer auf den richtigen Haufen, oder trifft er nur den Größten?

Grundsätzlich aber kann man einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung durchaus zustimmen: Crowdfunding – die nächste Phase der Investment-Revolution (hat begonnen).  Nicht zutreffend ist jedoch die Einschätzung, dass die Modelle ohne Mittelsmann auskommen. Das Gegenteil ist der Fall.

Andere Internetsurfer wiederum wenden sich mittlerweile von der großen Begeisterungswelle ab, von dem Konsumentenhype um das nächste bahn brechende Computerspiel. Nachzulesen etwa auf dem Blog „der ewige Held“: Crowdfunding nervt. Ein kurzer Auszug:

Aber wie sieht es dann langfristig mit dem Vertrieb, dem Support und der Wirtschaftlichkeit aus? Starten wir in eine “gaming” Zukunft, in der es von halbfertigen, unvollendeten, unausgegorenen oder kurzlebigen Projekten nur so wimmeln wird? Oder “reguliert” sich die Waage zwischen “Müllprojekten” oder ernsthaft guten Konzepten letztendlich von selbst?

Bevor die Diskussion ausufern mag, ob das Glas halb voll oder leer ist, zu den Fakten: Einige neue Crowdinvesting-Unternehmen scharren derzeit bereits mit den Hufen in ihren Startlöchern, zum Beispiel Gründerplus. Die Plattform ist bereits online, zwei weitere Spieler – Devexo und e-crowd – stehen ebenfalls bereit und haben den Start für den Monat Juni bzw. ab Mai angekündigt.  Was verbirgt sich jeweils dahinter?

Gründerplus: Eine Vorabversion der Gründerplus-Crowdfunding Plattform ist bereits online. Ziel der finalen Plattform ist es nach Angaben des Betreibers, eine einfache und schnelle Investitionsbeschaffung über Mikroinvestments zu ermöglichen. Das Modell sieht wie folgt aus:

“Mit unserer Spezialisierung auf StartUps im E-Commerce, bieten wir besonders den Geschäftsmodellen eine reelle Chance das nötige Startkapital zu sammeln, deren Geschäftsmodell für Banken und Kreditinstitute nicht geeignet scheint bzw. deren Potential dort nicht erkannt wird”, lässt der Betreiber auf den Blogseiten von Gründerplus verlauten.

Eine ausführliche Vorab-Analyse soll hier nicht das Ziel sein. Diese kann bekanntlich nur das Orakel von Delphi durchführen, das in Originalschrift so: Δελφοί geschrieben wird – und es liegt bekanntlich direkt in Griechenland. Kurzum, die Modelle müssen sich erst in der Praxis bewähren. Um die etwaigen Chancen, Risiken und Nebenwirkungen zu verstehen, kann man sich via foerderland.de einen ersten Überblick verschaffen. 

Hinter Gründerplus steht die Leipziger Händlerbund AG – eine Plattform, die rechtliche Absicherung für Online-Shops anbietet. Diese wiederum betreibt einen E-Commerce-Inkubator namens Gründerplus. Das klingt nach viel Synergie, wir werden sehen, wie transparent der Betreiber dabei in einem doch schon recht weit verzweigten und dadurch leicht unübersichtlichen “Wissensnetzwerk” arbeitet. Oder wie es der oben erwähnte Beitrag in der Süddeutschen Zeitung ausdrückt: Nicht selten sei Crowdfunding im Startup-Bereich derzeit als Marketing-Vehikel anzusehen.

DEVEXO™ Deutsche Venture Exchange GmbH. Der offizielle Start dieser Plattform ist öffentlichkeitswirksam per abwärts tickende Zeitschaltuhr auf der Homepage für den 01. Juni um 10 Uhr vorgesehen (ursprünglich: 24. April). Das klingt nach einer Überraschungsparty. Devexo ist laut eigenen Angaben eine bereits in 2011 gegründete “Equity Crowdfunding-Plattform”, die Startups mit dementsprechenden Investoren vernetzt.

Wieder ein neues Buzzword ist somit erfunden: Das “Equity Crowdfunding”. Auch hier muss sich zeigen, welche Bälle hoffentlich nicht nur im verschneiten Winter über welche Bande in welches Spielfeld hinein geworfen werden, ob also die elegant und zeitgemäß angesprochene Crowdcommunity die Geldströme wirklich aktiv mitverfolgen vermag.

So liest sich die erste offizielle Ankündigung von Devexo: Das Ziel sei es, digitale Fans in reale Geldgeber zu verwandeln. Dabei habe sich Devexo zum Ziel gesetzt, mit unbürokratischen und klar definierten Prozessen zu punkten, lässt sich jedenfalls via Crowdsourcing-Blog nachlesen.  

Der mögliche Haken nicht nur bei dieser Sache: Es ist nicht immer ganz klar, aus welchen Kanälen heraus die Aktivitäten gesteuert sind, und welche Protagonisten im Hintergrund den Prozess quasi wie von Geisterhand mitsteuern. Denn Crowdfunding sollte ja nicht nur eine zeitgemäße hippe Methode zur reinen Refinanzierung einer bereits existierenden, aber möglicherweise nicht komplett offen gelegten sublinearen Wertschöpfungskette sein.

Hier reicht übrigens der Verweis auf eine rechtlich professionelle Due Diligence keineswegs aus, die der jeweilige Betreiber gelobt möglichst akribisch durchzuführen. Derartiges hat auch die klassische Finanzindustrie von jeher vor keinerlei Auswüchsen bewahrt. Denn die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben bis zur Finanzkrise und darüber hinaus alles testiert, was ihnen ihre Kunden auf schnellen Pferden zugeflüstert haben. 

Die Kunden, sprich Crowdinvestoren, aber auch die Startups, sollten im modus operandi deshalb genau darüber Bescheid wissen, wer in Form von stillen oder anderen indirekten Beteiligungsformen hinter einer Plattform steht – kurz, welche Interesssengruppen aus dem professionellen Kapitalmarkt (Private Equite, Venture Capital, Vermögensverwaltung etc.) heraus hinter derartigen Projekten mit einer scharfen Speerspitze in die neue kreative Szene hinein operieren.

Anders herum betrachtet schadet natürlich ein gewisses Maß an professionellem know how der jungen Crowdfunding-Szene keineswegs per se. Es kommt nur darauf an, wie man den Begriff “professionell” definiert.  Was den Ansatz von Devexo und seinem Gründer Edin Devic – angeht, so sind hier aus der Community zumindest einige vorsichtige Fragezeichen aufgetaucht, die man im Auge behalten sollte. 

Deshalb hier ein Schwenk, was das finanzielle Engineering via Crowdfunding mit dem Cloud Computing verbindet. 

Wolkenflug mit Kompass: Leistungsversprechen der Anbieter sorgfältig prüfen

 > Arbeitet der Anbieter nachweisbar verlässlich und transparent?

> Setzt der Anbieter auf sich entwickelnde Standards oder geht er völlig neue Wege, die in einer Sackgasse enden könnten?

> Wie tief und wie genau bindet er den Kunden in die angebotenen Applikationen ein und wie passt er diese im weiteren Innovationsprozess an?

> Wie sieht das Kosten-/Nutzenmodell des Anbieters aus?

> Wie genau sind die Aspekte Datenschutz und Datensicherheit geregelt?

> Kann der Partner die rechtlichen Vorgaben einhalten?

> Greift er seinerseits in der Gestaltung von Prozessen auf Subunternehmen zu, die haftungsrechtlich nicht mehr greifbar sind?

> Wo liegen die Daten und Verantwortlichkeiten in der kompletten Wertschöpfungskette (z.B. im In- oder Ausland)?

Es gibt sicherlich noch weitere Fragen zur neuen C-Klasse der Crowdinvestoren. Nun aber statt noch mehr grauer Theorie zum nächsten neu in den Markt eintretenden Spezialisten mit Fokus auf Startups.

e-crowd (unter der Marke Bergfürst): Im Mai an den Start gehen soll die e-crowd Finance AG, laut eigenen Angaben ein ”Crowd-Financing Marktplatz”. Wieder ein neues Zauberwort. Das Unternehmen bietet laut Selbstauskunft für Privatinvestoren den Erwerb von Aktien innovativer Wachstumsunternehmen durch eine Kapitalerhöhung an – und es setzt parallel dazu einen Marktplatz für den Handel von Anteilen notierter Unternehmen in Gang.

Das ist zweifellos nicht gerade ein kleiner Markt, es dürfte ungefähr 10.000 Aktiengesellschaften in Deutschland geben, die wenigsten davon sind freilich börsennotiert. Mal schauen, welche Zielgruppensegmentierung hier ins Auge gefasst wird, oder ob es eher nach dem Gießkannenprinzip abläuft. Bei e-crowd soll es sich übrigens auch um die  erste professionelle Crowd-Financing Plattform handeln, die eine BaFin-Lizenz als Finanzdienstleister anstrebt.

Dies deutet tendenziell – wie bereits in der Schweiz rechtliche Realität – auf größere Tranchen bei den via Crowd Financing vermittelten Unternehmensanteilen bei “Aktienanteilen” von Unternehmen hin, was rechtlich gesehen – auch nach der erfolgreichen Zulassung via BaFin – jedoch noch ein keineswegs vollständig geräumtes Minenfeld darstellt.

Hinter der Plattform „Bergfürst“, der markenrechtlich in Konkurrenz zu einigen anderen Varianten mit dem selben Label steht,  agiert als Gründer übrigens unter anderem ein erfahrener “Banker”, nämlich Dr. Guido Sandler. Über den Mitgründer und Vorstand der W.V.M. Westfälische Vermögen Management AG und dessen Vita kann man hier mehr erfahren. Siehe auch das Xing-Profil.

Im Bereich E-Commerce und Finanzen war Dr. Guido Sandler übrigens laut eigenen Angaben Ende der neunziger Jahre als Gründungsvorstand maßgeblich am Aufbau der deutschen Präsenz von E-Trade beteiligt, einem amerikanischen Online-Broker der ersten Generation.

Bei Ortskundigen löst gerade dieser Name nicht gerade Begeisterung aus. E-Trade schritt in den Nuller-Jahren nach dem  Platzen der New Economy hierzulande einem schleichenden und sodann rasanten Niedergang entgegen. Manche bezeichneten dies auch – wesentlich eleganter formuliert – als eine der üblichen Firmenübernahmen, wo der eine Betreiber künstlerisch im Portfolio des anderen aufging.

Aber: Frühere Kunden von E-Trade, die teilweise hart um ihre Entschädigungszahlungen gestritten haben, wissen ein Lied davon zu singen, dass es sich hier in der ersten Architekturphase des Online Tradings nicht gerade um ein ”kundenzentriertes Geschäftsmodell” gehandelt haben dürfte. 

Wie oben schon gesagt – auch dies ist keine Minderqualifizierung eines weiteren an sich begrüßenswerten Modells, sondern soll für die Leser eine Steilvorlage sein, sich konstruktiv aber auch kritisch mit neuen Spielern und deren Spielregeln auseinander zu setzen. Hoffentlich nach einer rasanten Bergfahrt ohne anschließend ebenso rasante Talfahrt.

Written by lochmaier

April 18, 2012 um 6:48 am

Veröffentlicht in Uncategorized

7 Antworten

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  1. Wieder ein ausgezeichnetes Update.
    Ich dachte ja schon, ich hätte alle Plattformen in meiner Mindmap eingesammelt.

    Die Fülle an Plattformen lassen die Frage nach der Transparenz und der Qualität der Plattformen immer wichtiger erscheinen. Und zwar nicht nur für die Investoren, sondern auch für die kapitalsuchenden Unternehmen. Sollte sich Crowdfunding als neuer Standard etablieren, wovon ich ausgehe, dann benötigen auch die Unternehmen entsprechende Orientierungspunkte.

    Über die Qualitätskriterien muss man sicher noch sprechen. Wichtig ist aber, dass Interessen und Entgelte offen gelegt werden.

    Man wird auch sehen, wie das Crowdfunding auch in der Öffentlichkeit neu gemixt wird, wenn die ersten Unternehmen Probleme bekommen, ihre Einlagen zurück zu zahlen.
    Ein sehr spannendes Feld

    dels

    April 18, 2012 at 9:44 am

  2. […] Social Banking 2.0: Crowdinvesting: Die neue C-Klasse etabliert sich […]

  3. […] formalen Beiräten mit ans Regiepult zu lassen. JB: Von dieser Tendenz profitiert auch das Thema Crowdfunding, besonders in der Start-up Welt boomt diese Finanzierungsmöglichkeit. Inwieweit sehen Sie hier ein […]

  4. Ich finde Crowdfunding richtig klasse. Gerade für kleine unbekannte Künstler, Produzenten, Bands oder Sänger, die gerne ihr eigenes Album produzieren wollen, ergeben sich durch solche Aktionen große Möglichkeiten. Aktuell versucht Nina Kutschera durch Crowdfunding ihr Album zu finanzieren ( https://www.sellaband.de/ninakutschera ) und ich finde mit ihrer Stimme hat sie es wirklich verdient ein eigenes Album zumachen.

    Corinna Stein

    April 23, 2012 at 7:33 am

  5. […] auch die mediale Überhitzung aufzeigen, so empfehle ich jedem Leser meinen Basisbeitrag zur neuen “C-Klasse” der Crowdinvestoren, dort habe ich eine Reihe kritischer Anmerkungen gelistet, worauf der Anleger achten […]

  6. Guter Artikel zum Thema! Wir, 5 Studenten der Wirtschaftsuniversität Wien machen derzeit ein Crowdfunding/Crowdinvesting Projekt und haben eine Umfrage erstellt. Würden uns freuen, wenn ihr die Umfrage mitmachen würdet!

    Carina

    Mai 12, 2012 at 4:40 pm


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