Invest in Berlin: Startup-Metropole mit Zukunftspotential
Die deutsche Hauptstadt oder genauer gesagt deren unterschiedliche Kiezmilieus seien „roh und direkt“, titelt Spiegel online etwas holzschnittartig. Der Beitrag, dem eine kleine Serie folgen wird, gibt einen Überblick über das kreative Potential der Startup-Szene, die auf der grünen Wiese boomt. Auch internationale Investoren sind längst auf den Zug aufgesprungen, wie ich es in einigen ausführlichen Artikeln mit allerdings etwas differenziertem Blickwinkel aufgezeigt habe.
Es gibt mindestens 10 Gründe, in Berlin mehr als einen Koffer zu stehen haben – also lieber gleich dort hin zu ziehen, beschreibt Venturevillage. Bevor die Medien nun aber neuerlich einen „Latte-Macchiato-Hype“ ausrufen, wie ich es nennen würde, ist der genauere Blick in die Berliner Startup-Szene zwischen Übertreibung und Unterschätzung erforderlich.
In einem ersten Beitrag auf dem Online-Nachrichtendienst silicon.de (deutscher Ableger des US-Nachrichtendienstes CNET) habe ich die Bandbreite der neuen Szene schon einmal angerissen, ebenso in einem Fachartikel in den VDI nachrichten, der vielleicht sogar die etwas konservativen Ingenieure und Techniker zum Nachdenken bringt.
Und auf Heise Telepolis habe ich das Thema noch einmal genauer vertieft und die Frage aufgeworfen: Beginnt jetzt die Anti-Copy-Cat-Revolution? Meine wichtigsten Thesen jenseits von Schwarz-Weiß-Malerei in aller Kürze:
Jenseits von derartigen Erfolgsbeispielen soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass es eine ganze Reihe von kritischen Zeitgeistern gibt, die dem neuen Hype um Berlin skeptisch gegenüber stehen. Denn die Szene in der Hauptstadt war bis dato von zwei kritischen Elementen gekennzeichnet. Erstens: Ihrer etwas überheblichen Art gegenüber der Provinz, wo es mindestens genauso viele interessante Ideen gibt.
Und zweitens hingen viele Protagonisten in der Startup-Subkultur einem fragwürdigen Gründerideal hinterher, das sich meist in der lässigen Coolness erschöpfte. Man lehnte Arbeit im disziplinarischen Sinne streng ab und hing stattdessen lieber mit Gleichgesinnten in Coffeebars und anderen Szenebiotopen herum. Dort sollte einen über Nacht die geniale Idee ereilen, mit der man flugs zum Millionär aufstieg, um sich weiter zwanglos in den Szenetreffs zu tummeln.
Am Beginn eigenständiger Geschäftsmodelle?
Dabei hat jeder Kleinunternehmer längst realisiert, dass Disziplin und ein klarer geschäftlicher Fokus einen zwingend notwendigen Erfolgsrahmen darstellen. Noch ein anderes hausgemachtes Problem kam in Berlin hinzu: Denn die Universitäten und die ökonomische Struktur der Stadt sind kaum ein passendes Umfeld wie das Silicon Valley im Idealzustand, um einen wirtschaftlichen Aufschwung auf breiter Front herbei zu führen, so wie etwa beim „Daimler-Biotop“ rund um das als spießig verschriene Stuttgart der Fall.
Ein derartiges Netz aus Zulieferern und der Industrie muss aber nicht zwingend vorhanden sein, sofern keine illusorischen Vorstellungen existieren, glauben die Macher des neuen kleinen Wirtschaftswunders. Fest steht aber auch: Weder bringen das Internet und seine Geschäftsmodelle neue Arbeitsplätze für die Massen hervor, noch ist im Web 2.0-Zeitalter zwingend eine etablierte Infrastruktur notwendig, um etwas Neues auf die Beine zu stellen.
Eine offene Frage ist vielmehr, ob sich die selbst proklamierte neue deutsche Startup-Generation jenseits vom geistigen Raubkopieren einen Namen machen kann. Und diese Rolle beansprucht die neue Generation zweifellos. Wer die neuen Wunderkinder dieser proklamierten „Anti-Copycat-Revolution“ sind, lässt sich auf einer Art Internet-Landkarte zur neuen Startup-Szenerie nachvollziehen.
Es liegt also etwas Neues in der Berliner Luft. Die lokale Kultur geht ein Joint Venture mit der Internationalität ein. Was die jungen Entrepreneure daraus machen, ist noch eine offene Frage. Wie bei der großen Lachswanderung erreichen nicht alle ihr Ziel. Manchesmal setzen sich sogar Ideen durch, die in aller Stille und mit großer Beharrlichkeit verfolgt werden, als die lauten Marktvorankündiger.
Hoch fliegende Businesspläne wie jener des deutschen Twitter-Pioniers Florian Weber werden in der Szene beispielsweise derzeit mit einer gesunden Portion Skepsis beäugt. Man attestiert den Machern zwar ein gutes Marketing. Es wird viel über das Portal gesprochen. Aber noch immer befindet sich das vermeintliche neue Leuchtturmprojekt Amen jenseits eines klar erkennbaren Geschäftsmodells in der heißen Diskussionsphase, die sich ungefähr zu gleichen Teilen in Kritiker und Befürworter aufspaltet.
Das ging freilich auch schon anderen Internetheroen so – aber die Macher hatten Amen immerhin groß angekündigt, als ein gänzlich neuartiges Internetformat für starke Meinungstrends. Irgendwann wird auch hier das unternehmerische Motto gelten: Nicht an Worten werdet Ihr gemessen, sondern an den Taten.
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