Interview: Deutsche Bank sucht nach dem Social Media Drive
In früheren Beiträgen hatte ich schon über den Social Media Ansatz der Deutschen Bank berichtet, so auch über Drive DB. Bislang fiel das Institut jedoch eher durch eine idealtypisch von der „Top-down-Philosophie“ geprägte Haltung eines Konzerns gegenüber den sozialen Netzwerken auf. Man nutzt sie, man ist dabei, aber alles wirkt etwas glattpoliert und somit abgehoben vom „wirklichen Leben“ (z.B. die Imagevideos auf Youtube).
Zudem spricht der Global Player selten über seine Social-Media-Aktivitäten. man beobachtet alles und jeden (Social Media Monitoring hält den Stab und die Budgets in Trab), hält sich aber in der direkten Kommunikation sehr zurück, ja-ja, die Compliance bei börsennotierten Gesellschaften (Reden ist gerade bei einem Marktführer nur Silber…).
Zwischenbilanz: Prinzipiell ist man somit zwar auf allen wichtigen Kanälen – ob Facebook, Twitter oder YouTube – präsent. Eine Social Media Unit, die die Kanäle zentral verwaltet, ist im Aufbau. Konkretere Aktivitäten über die dort derzeit praktizierte recht straffe Standardkommunikation hinaus sind aber wohl erst im kommenden Jahr zu erwarten.
Und bis der Kunde selbst gar mit ans Regiepult darf, dazu wird wohl noch eine längere Zeitspanne vergehen. Kann und darf der das überhaupt? Es reicht ja aus, wenn der Marktführer als „late adopter“ in das neue interaktive Bankenuniversum auf Augenhöhe einsteigt.
Und: Ein CSR-Bericht auf dem iPad ist sicherlich nicht der letzte Schlüssel zu dieser neuen Welt, wenngleich das soziale und ökologische Engagement des Instituts hier nicht kritisiert werden soll. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, insbesondere wenn man etwa beim Private Banking einen Blick auf die Provisionstabellen in der Produktgestaltung wirft.
Dazu ein praxisorientierter Hinweis, den ich selbst durch Testberatungen unter anderem im Bereich Private Wealth Management bei der Deutschen Bank persönlich erhärten konnte: Der virtuelle Depotwert wäre heute, vom damaligen Ausgangspunkt meiner Erstberatung kurz nach der Finanzkrise aus gesehen, nur noch halb so hoch.
Hier liegen – gerade angesichts der Aktienfonds-Performance der letzten 10 Jahre – klare Asymmetrien zwischen Kunde und Bank vor. Kein Einzelfall. Sprich: Die Interessen sind mehr denn je völlig unterschiedlich gelagert (hat schon mal jemand die mittel- bis langfristige Performance von immer wieder preisgekrönten DWS-Fonds durchgerechnet, einschließlich aller Kosten?).
Nun aber zum eigentlichen Thema. Man kann das Glas beim Social Media Drive der Deutschen Bank jenseits der quantitativen Anzahl an Nachfolgern als ein Drittel voll oder leer sehen. Je nach Blickwinkel. Fakt ist: Einer der ersten „Social Media Horchposten“ in die interaktive Kundenbeziehung hinein ist auch im Business-to-Business durch eine intensivere Testphase hindurch gegangen.
„Disintermediation is well under way, and will happen very quickly“, sagt Daniel Marovitz, Head of Product Management im Bereich Global Transaction Banking bei der Deutschen Bank. Tolles Zitat, oder? – Aber Vorsicht mit raschen Schlußfolgerungen: Denn Disintermediation bedeutet nicht automatisch ein „disruptives Bankenmodell“. Es bedeutet z.B. „Einlagenumschichtung“, fragt sich bloß, durch wen und wohin? Nun ja, vermutlich in Richtung attraktiver elektronischer Business-Marktplätze, deren konkrete Gestalt freilich erst in Ansätzen erkennbar ist.
Interessant: Nicht unbedingt nur vom vermeintlichen Headquarter in Frankfurt aus werden derartige Entwicklungen zentralistisch vorwärts getrieben (man möge mir meine deutschfeindlichen Umtriebe verzeihen), sondern von Großbritannien, den USA und anderen Schauplätzen entstehen eigene Biotope und Konzepte. Also geographisch von jenen Plätzen aus, wo man sich mutiger oder marketingorientierter gibt (oder zumindest aufgrund der etwas „spiel- und experimentierfreudigeren“ Unternehmenskulturen sein darf) als hierzulande.
Nichts ist in Deutschland so schlimm wie der gefühlte Kontrollverlust, während man in anderen Kulturen längst realisiert hat, dass das Leben sich dynamisch und vielfältig entwickelt. Erst recht im jetzt von der „finanziellen Basisdemokratie“ im Netz bedrohten Hierarchiegefälle. Gerade in Großorganisationen mit einer komplexen Entscheidermatrix geht bekanntlich so manch gute Idee im nerven aufreibenden Feintuning verlustig.
Das wäre jedoch schade. Insofern hoffen wir, dass die Energie fließt bei der größten deutschen Bank, nicht nur die Zahlenströme aufs eigene Konto. Unter dem gleich folgenden Link gibt es zur Einstimmung ins Interview zunächst ein (etwas marketinglastiges) Video der Deutschen Bank zum Projekt Drive DB.
Im Interview mit Social Banking 2.0 bilanziert nun Deutsche Bank Managerin Helena Forest das Projekt „Drive DB“, bei dem Spezialisten über drei Monate hinweg (ein relativ kurzer Zeitraum) via Webplattform gemeinsam mit den Business-Kunden an den Produkten und der Prozessoptimierung gefeilt haben.
Die Zielgruppe war hier also nicht der Privatkunde, sondern eine selektive Gruppe aus dem Unternehmenskundengeschäft. Also – Bühne frei für das erste kleine Pflänzchen à la Drive Social DB. Die passende Ausgangsfrage dazu wäre diese hier: Wie weit reicht Crowdsourcing in die Finanzbranche hinein?
Social Banking 2.0: Warum führt Ihr Haus „Drive DB“ im Transaction Banking und damit ein Crowdsourcing-Element ein, bei dem Kunden produktiv in die Wertschöpfungskette eingebunden sind?
Helena Forest: Es war uns wichtig, Transparenz rund um unsere Produktentwicklung zu schaffen und unsere Kunden so früh wie möglich in die Diskussionen und Entscheidungen einzubeziehen. Daher haben wir in einem dreimonatigen Pilotprojekt erstmalig Social-Media-Techniken auf einer speziell dafür eingerichteten Webplattform eingesetzt. Diese Maßnahme wird flankiert durch gezielte Workshops und einen kontinuierlich engen Dialog im Tagesgeschäft rund um Produkt und Servicethemen. Wir betrachten daher Social Media als einen zusätzlichen und sehr nützlichen Kommunikationskanal, den wir über den Zeitraum des Drive-DB-Projektes unseren Kunden rund um die Uhr zur Verfügung stellen konnten.
Social Banking 2.0: Welche Kernelemente kennzeichnen dieses internetbasierte System – etwa im Vergleich zu einem klassischen betrieblichen Vorschlagwesen?
Forest: Es war eine gezielte Zusammenarbeit zwischen dem Bereich Global Transaction Banking der Deutschen Bank und seinen Kunden, die sich speziell auf das Thema Entwicklung von neuen Produkten richtete. Insofern hatten wir eine geschlossene Community. Alle neuen Produktideen wurden innerhalb der Drive-DB-Community offen ausdiskutiert und bewertet. Jeder einzelne Teilnehmer hatte Stimmrechte, die er für beliebige Vorschläge abgeben konnte.
Social Banking 2.0: Wie sehen die bisherigen Erfahrungen aus? Wo haben sich punktuelle Vorteile ergeben, wo nicht, sprich, welche Elemente sind IT-seitig und strategisch nützlich, welche sind eher verzichtbar?
Forest: Unsere Erfahrung mit Social Media Technologie ist bis jetzt positiv, da wir innerhalb einer sehr kurzen Zeit viele Mitglieder gewinnen und konstruktives und quantitatives Feedback bezüglich unserer Produkte und Serviceleistungen sammeln konnten. Wir nehmen jeden Beitrag unserer Kunden und Mitarbeiter sehr ernst und werden die Ergebnisse dieser Kampagne natürlich in unsere Investitionsentscheidungen einfließen lassen.
Social Banking 2.0: Werden alle Ideen ungefiltert veröffentlicht und in das kollaborative System eingespeist, oder gibt es einen „Gatekeeper“, der die Inhalte zentral steuert und „kontrolliert“?
Forest: Alle Produktideen und Kommentare wurden innerhalb der Community veröffentlicht, jedoch wurden sie aus rechtlichen Gründen vorher auf missbräuchlichen Inhalt gescannt. Uns ging es darum, Informationen auszutauschen und nicht streng zu kontrollieren.
Social Banking 2.0: Wie profitiert die Bank und der Kunde gleichermaßen, auch mit Blick auf die „Entlohnung“ des Kunden, wenn er produktive und umsetzbare Ideen mit einbringt?
Forest: Jeder Beitrag unserer Kunden wird sehr geschätzt und ernst genommen, uanbhängig davon, ob dieser durch einen Social Media Kanal bei uns eintrifft oder durch persönliche Gespräche mit unseren Mitarbeitern entsteht. Unser Ziel ist es, den Kunden genau die Produkte und Serviceleistungen zu liefern, die sie brauchen. Deshalb haben die Kunden die Möglichkeit unsere Produktentwicklung direkt zu beeinflussen. Frei nach dem Motto: „GTB designed by you“.
Social Banking 2.0: Wie könnte sich die Plattform Drive DB weiter entwickeln, sollen auch andere Geschäftsbereiche und Regionen davon profitieren, und wenn ja wie?
Forest: Unsere Herbstkampagne umfasste Kunden und Mitarbeiter aus Europa, USA und Asien. Es gibt viele Ideen und Vorschläge wie die Plattform weiter verwendet kann; diese werden im Moment noch diskutiert.
Social Banking 2.0: Wie können andere Unternehmen vom Crowdsourcing profitieren, gibt es hier aus Sicht von Deutsche Bank eine Art Fußabdruck in der strategischen Umsetzung, der sich quasi branchenunabhängig für größere Unternehmen wie ebenso für mittelständische Betriebe heraus filtern lässt?
Sicherlich gibt es für Unternehmen vielfache Einsatzmöglichkeiten für Web 2.0 Technologien. Social Media ist jetzt schon kaum mehr aus dem Privatleben wegzudenken. Daher ist anzunehmen, dass dies künftig auch ein fester Bestandteil im Geschäftsleben wird. Uns ging es darum, die Kooperation mit unseren Kunden zu verstärken und sie in die internen Prozesse einzubeziehen. Vor allem wenn es um das Produkt und Serviceleistungsangebot geht sowie die individuelle „User Experience“, sollte der Kunde unserer Meinung nach mitreden und mitentscheiden können. Jedes Unternehmen, das von Crowdsourcing profitieren möchte, sollte dies sorgfältig planen und präzise ausführen. So minimieren sich auch das Kostenrisiko und Fehlschläge, die einem die Community nur schwer verzeihen wird. Letztendlich bestimmt der Kunde, ob und welchen Kommunikationsweg er nutzen möchte – das Unternehmen kann hier nur Wünsche äußern.
Interview: Lothar Lochmaier
Fazit: Wir sind gespannt, ob derartige Initiativen nur ein Strohfeuer im allgemeinen Abnicken von standardisierten Social Media Hypes darstellen, oder der Beginn von etwas tatsächlich Neuem darstellen. Man merke: Für die Menschen sind soziale Netzwerke nur ein kleiner Schritt, für Unternehmen bedeuten sie – hier ist die Deutsche Bank sicherlich keine Ausnahme – noch eine unkalkulierbare Reise zum Mond.
Käme hier ein individuelles Erscheinungsbild in der Kundenkommunikation jenseits von polierten Glasfassaden zustande, dann wäre das eine Leistung aus echter Leidenschaft. Lassen wir die Energie doch wechselseitig fließen, beam us Peanuts up, Deutsche Bank!
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News des Tages – 29.08.2011 « André M. Bajorats Link Sammlung
August 29, 2011 at 3:22 pm
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Sagt ja eigentlich schon alles über das Verständnis von DB zu social Medias 😉
Martin Burch
August 29, 2011 at 3:56 pm