Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Lebensversicherung: Wenn 91 Millionen Luftballons plötzlich platzen

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Insgesamt haben die Deutschen 91 Millionen Verträge über die Gesamtsumme von rund 2,5 Billionen Euro abgeschlossen, berichtet Spiegel online. Dumm nur, wenn die Rendite jetzt nicht mehr stimmt, und die hohen Erwartungen vieler Menschen zu platzen drohen. Interessant sind zu dem obigen Beitrag die Leserkommentare.

Ganz klar, man sollte schon zwischen kapitalbildender und einer Risikolebensversicherung unterscheiden. Umso mehr, wenn es nur mickrige Garantiezinsen (künftig evtl. nur 1,75 statt 2,25 Prozent), und die Kosten jegliche Rendite ins Minus treiben.

Aber die Anbieter machen einem gerne ein X für ein U (Rendite-Sicherheitsvergleich beider Varianten) vor. Kurzum, wer sein Geld gut anlegen will, statt sich und seine Familie zu „versichern“, der ist schlecht von der Branche beraten. Das sickert allmählich bei vielen Anlegern durch, die viel mehr Zeit mit dem Kauf eines PCs oder Fernsehers verbringen als mit der Geldinvestition.

Und das, obwohl ein Fernseher viel billiger ist, selbst bei einem Fehlkauf, als eine folgenreiche Fehlinvestition in eine Versicherung, die sich hinterher nicht wieder gutmachen lässt. Aber der Herdentrieb ist stärker als der Wille, aus dem einmal erlernten Denkschemata auszubrechen. Es ist ja auch viel kuscheliger sich mit dem nächsten Urlaubsschnäppchen oder der Unterhaltungselektronik zu beschäftigen als mit der komplexen und mühevollen Geldanlage.

Wird dies so bleiben? Bei einem gewissen Teil der trägen Masse ja, ein anderer Teil der kritischen Kunden wird aber künftig deutlich mehr Sorgfalt und Zeit verwenden. Vor allem das Vertrauen in dritte „Finanzvermehrerzählonkels“ schwindet. Der liebe Nachbar, der immer wieder mal rüberkam, um einem die nächste (völlig unnötige und überfrachtete) Versicherung anzudrehen, er stellt wohl ein Auslaufmodell dar.

Sprich, Leistung und Gegenleistung müssen stimmen. Nicht nur die Höhe der Beiträge spielen eine Rolle. Die meisten benötigen nur ganz wenige Versicherungsprodukte, und selbst die greifen oftmals nicht wirklich im „Schadensfall“.  Vielleicht reicht ja schon die Haftpflicht aus – oder – was meinen die Leser von Social Banking 2.0 – wo liegt denn die Zukunft der Versicherungsbranche?

Was die Branche selbst mit dem Rücken zu Wand in einem Spiegel-Interview über sich aussagt, das können Leser anhand eines Gesprächs mit Maximilian Zimmerer, Chef der Sparte Lebensversicherung der Allianz und Vorstandsmitglied der Allianz Deutschland, nachlesen.

Das große Problem aus meiner Sicht ist die mentale wie praktische Inflexibilität, wie die Lebensversicherer selbst an den Kapitalmärkten operieren. Ich fasse meine Einwände mal in einem kleinen provisorischen Thesenpapier kurz und knackig zusammen.

Erstens: Die Lebensplanung der Kunden lässt sich mit Blick auf die Finanzen nicht mehr „stur“ über mehrere Jahrzehnte durchhalten. Das macht Versicherungen – da sie anders als die Finanzbranche allgemein mit einer „weit am Horizont entfernten Zukunftserwartung handeln“ – in ihrem derzeit praktizierten Geschäftsmodell so gut wie überflüssig. 

Zweitens: Die Versicherer selbst haben sich immer auf die Drittexpertise bei der Anlage der Kundengelder verlassen, das heißt, sie rennen wie die Schafe den allgemein als üblich identifizierten Trends am Finanzmarkt hinterher, letztlich zum eigenen Schaden und zu dem der Kunden. 

Drittens: An der Börse wird Mut, Kreativität und Gegen-den-Strom schwimmen belohnt, statt blinde Nachahmung. Versicherungen sind dazu nicht in der Lage. 

Viertens: Mäßige Organisationskultur – Die Versicherer sind strukturell gar nicht fähig, mit neuen Ideen und intelligent gestalteten Produkten statt mit „Knebelverträgen“ beim Kunden zu punkten.

Fünftens: Wer sich wie die meisten Versicherer nur auf festverzinsliche Wertpapiere und Staatsanleihen in einer mehr als volatilen Finanzwelt verlässt, ist irgendwann vom guten Geiste  verlassen. Die miese Kröte muss dann aber der Kunde schlucken, er zahlt die Zeche für ein mäßig ambitioniertes Chancen-Risikomanagement in den nicht vorhandenen Kreativetagen der Anbieter.

Sechstens: Wer wie die Versicherer die Kosten eines Vertragskonstrukts mit lediglich einem Prozent (siehe obiges Spiegel-Interview mit der Allianz) taxiert, verschweigt sowohl weitere vor- wie nach gelagerte Kosten, die die „Gesamtrendite“ deutlich schmälern. Allein die Abschlußprovision beträgt bei vielen Produkten mehrere Tausend Euro. Versteckte Kick-backs sind zudem immer noch die Regel.

Siebtens: Wer den Kunden nicht erst nimmt, wird am Ende selbst nicht mehr ernst genommen.

Achtens: Die Versicherung 2.0 mit einem Kontakt auf Augenhöhe mit dem Kunden wäre ein wünschenswertes Konstrukt, um dem sozialen, wirtschaftlichen und finanzmarkttechnischen Wandel in unserer Gesellschaft Rechnung zu tragen.

Neuntens: Das Bessere ist der Feind des Guten, aber erst, wenn das Gute von der Masse als die deutlich schlechtere Variante erkannt wird. Auch der Kunde darf also dazu lernen.

Zehntens: Es ist für die nachwachsende Generation, die mit einer weniger hierarchischen Netzkultur aufwächst, längst keine unnütze Imagefrage mehr, wenn ein Anbieter bei Sonnenschein Regenschirme ausgibt, dann aber bei einem Wandel derart harte „Knüppelverträge“ ausreicht, dass der Kunde bestraft wird, wenn sich seine Lebensplanung verändert hat.

Elftens (Bonusthese 1): Wir benötigen demzufolge einen Wandel im Verursacherprinzip. Der Anbieter haftet genauso sehr wie der Kunde im anteiligen Risikomanagement, wenn die allgemeinen Erwartungen und prognostizierten Szenarien nicht eintreffen.

Kurzum: Wir benötigen erheblich flexiblere Vertragsklauseln mit variablen Ein- und Ausstiegsszenarien. Wird dies nicht umgesetzt, dann sind die meisten Versicherungen ein völlig überflüssiges Finanzprodukt.

Zwölftens (Bonusthese 2): Wer das Finanzmanagement in eigener Hand behält, und dafür einige Zeit aufwendet, hat erstens ein besseres Gefühl, und zweitens eine mindestens ebenso hohe Rendite, als sich dem steinernen Willen eines Anbieters auf dem Königsthron auszuliefern, bei dem der Kunde sich als permanenter Bittsteller vorkommt, obwohl es doch sein Geld ist, mit dem der Versicherer wirtschaftet.

>>> Ausblick: Dass das alte Spiel mit dem Geld von oben nach unten nicht mehr funktioniert, lässt sich sogar bereits in der BILD nachlesen. Sie zitiert die Verbraucherzentrale, die sagt, dass 95 Prozent der Bundesbürger die „falschen“ Versicherungen gekauft hätten. Wieso die falschen, wenn es die richtigen (noch) gar nicht gibt? Passen Sie also gut auf Ihr Geld auf!

Written by lochmaier

Januar 17, 2011 um 8:20 am

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Eine Antwort

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