Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Open Source und Social Banking: Wie nah ist die Community am Thema Geld dran?

with one comment

Kurz vor den ruhigen Ostertagen nochmal ein eher visionäres Leitthema, das sicherlich manchem Leser, so auch mir, immer wieder mal auf den  Fingernägeln brennt, für das es aber keine schlüssige Antwort zu geben scheint. Denn auf den ersten Blick erscheint das Thema Geld und Open Source als ein offener Widerspruch. 

Prinzipien wie (Quell) Offenheit, Austausch ohne finanzielle Interessen, Gleichberechtigung, ja bis hin zur frei verfügbaren Software – all das scheint es gratis und völlig umsonst-bis-kostenlos zu geben.

Die Betonung liegt auf dem Wort „scheint“ – denn längst ist die Open Source Community ein Sammelbecken für völlig unterschiedliche spirituelle bis kommerzielle Strömungen, die sich auch und gerade im heterogenen Umgang mit dem Thema Geld manifestieren. Sprich, die einen sind für Gewinne bzw. das Gewinnstreben, die anderen lehnen dies aus den unterschiedlichsten Gründen eher ab.

Das kann mitunter auch ein kontraproduktives Gebaren sein. Letztlich aber will jeder für die Früchte seiner Arbeit hoffentlich fair entlohnt werden. Immerhin: Längst kann man mit quell offener Software, wenn schon nicht direkt mit den Produkten, so doch mit den damit verbundenen Dienstleistungen, ordentliches Geld verdienen. Und das ist auch gut so, denn eine an sich selbst zerdarbende kreative Elite kann nicht das Endziel von Kunst und Kultur sein.

Übrigens: Armut ist doch nicht so sexy, als dass man sie auch noch zum über den niederen weltlichen Dingen thronenden hippen Lifestyle verklären muss. Das Gegenteil ist eher der Fall. Kreativ sein, das schließt auch das Streben nach Glück und zumindest ein bisschen ökonomischen Erfolg mit ein.

Das kreative Potential konnte man unschwer auf der diesjährigen Cebit erkennen. Denn die Halle, in der es viele Aussteller und Vorträge zum Thema Open Source gab, war gut gefüllt. Der Trend ist nachhaltig, und fasst sowohl in den Unternehmen als auch beim privaten Anwender Fuß.

Beleuchtet habe ich die Vielfalt der Szene in Dutzenden von Fachartikeln, so etwa hier in einem begleitenden Kommentar auf T3N zur Frage, ob und wie das Open Source Business von der Finanzkrise profitiert hat:

http://t3n.de/magazin/finanzkrise-profitiert-open-source-business-kleine-221276/

Ein paar weitere fachliche Einblicke von mir zur etwa zu „Open Souce basierten Cloud Computing (also Anwendungen im Internet, in der Softwarewolke), oder zum Linux-basierten Automobil, gibt es hier nachzulesen:

http://www.searchnetworking.de/themenbereiche/design/architektur/articles/186858/

http://www.cnet.de/digital-lifestyle/trends-technik/39193252/linux+auf+raedern_+soll+windows_monopol+ausbremsen.htm

Ein ganz interessantes Weblog, in dem man sich topaktuell über das „Open Source Business“ auf dem Laufenden halten kann, ist das Tagebuch „Open Road“ von Matt Asay auf Cnet:

http://news.cnet.com/openroad/

Wozu bislang aber recht wenig geschrieben wurde und wird, das wäre eine etwas andere Mission possible, nämlich die Liaison zwischen Open Source und Social Banking. Oder anders gefragt: Hat das eine mit dem anderen überhaupt etwas zu tun?

Auf den ersten Blick betrachtet wäre meine These: Nein, die Szene gehört nicht zu den Protagonisten, wenn es darum geht, die Verwendungsmöglichkeiten von Finanzen um neue Aspekte und gar Geschäftsmodelle zu bereichern. Dabei ist Geld weder gut noch schlecht, also vollständig abzulehnen, vor allem ist es das Schmiermittel auf dem unsere ganze Wirtschaft und Gesellschaft basiert.

Die gelegentliche Aversion gegen die bedruckten Scheine ist aber nicht für ewig in Stein gemeiselt – denn bevor jetzt einige Kritiker gleich, ohne groß nachzudenken, auf mich mit Argumenten einschlagen, will ich die Sache etwas genauer erläutern, was ich damit meine, wenn ich sage, mit Geld sollte man sich nicht nur in einer Abwehrhaltung beschäftigen.

Natürlich gehört die „offene Szene“, die es aber so in völliger Eintracht natürlich gar nicht gibt, zu den Vorreitern, wenn es darum geht, die realen Verwendungsmöglichkeiten um virtuelle Währungen und „Cybercash“ aus den Grassroot-Modellen heraus zu bereichern. Kreative Spieleinheiten leiten aber (noch) nicht die große Revolution im Finanzwesen ein.

Dazu braucht es mehr: Nämlich sich mit dem realen Wert von Cash auseinander zu setzen, und ein ungeschöntes Bild der wirtschaftlichen Wertschöpfungsmechanismen anzufertigen, statt allzu weit von der Wirklichkeit entfernten utopischen Visionen nachzuhängen.

Ich gebe zu: Ich träume ja des nachts auch manchmal von einer Weltordnung, die nicht nur auf der Macht des Geldes sondern auch anderen, fundamentaleren Werten basiert. Aber ich wache morgens immer mit Kopfschmerzen auf, weil mir dann bewusst wird, dass das frommes Wunschdenken ist. Ich kann mir die Welt im persönlichen Puzzle zwar so zurecht legen, wie ich es gerne hätte, leider tritt die Wirklichkeit später so nicht ein. Dies bedeutet im Umkehrschluss natürlich nicht, damit aufzuhören, an Träumen und Visionen zu arbeiten.

Dennoch: Nehmen wir die Ideen von Silvio Gesell zum „Freigeld“, von einem parallelen Mikrokosmos, der auf sozialen und ökologischen, statt auf rein monetären Prinzipien beruht, diese Vision scheint mir doch eine ziemlich weit entfernte Zielscheibe zu sein. In dem konzeptionellen Dilemma, zwischen Geldstreben einerseits, und der völligen Abkehr davon, ist auch ein Teil der Open Source Szene irgendwie manchmal gefangen.

Ich verdeutliche jetzt mal mit einer einfachen Erklärung, was ich meine:

Wenn ich statt mit jemand ein Geschäft direkt über die Währung Geld abzuwickeln, mit diesem Äpfel gegen Birnen, also Naturalien oder eine Dienstleistung austausche, so bleibt immer noch die Frage: Wieviel Birnen bekomme ich für einen Apfel, oder wieviel Haare kann ich schneiden lassen, gegen wieviel Umzugskartons.

Nun aber zurück zur eigentlichen Kernfrage:

Also: Treibt die Open Source Community Social Banking voran oder schaut sie der Entwicklung aus dem Treppenhaus betrachtet eher zu?

Wie wirkt sich die noch wenig nahe liegende Verbindung zwischen Open Source und Social Banking aus? Es reicht nicht aus, sich die Welt in einem Schwarz-Weiß-Bild zurecht zu biegen. Geld ist weder schlecht noch gut, es kommt ganz darauf an, was man oder frau damit treibt. Das wäre ein guter Ausgangspunkt, sich auch vom Blickwinkel jenseits der technischen Open Source Anwendungen dem Thema Social Banking anzunähern.

Kann hier eine fruchtbare Liaison entstehen? Ich meine ja. Wenn altes Lagerdenken über Bord geworfen wird, ohne bestimmte grundlegende Prinzipien gleich mit in den Ausverkauf zu nehmen, könnte Open Source sogar ein Protagonist sein, bei der Gestaltung von finanziellen sozialen Netzwerken und Kreditplattformen. Gelegentlich unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das sogar bereits in vielfältiger Weise der Fall.

Wie könnte das genau ausschauen? Indem neuen Ideen mit dem realen Cash erst einmal unvoreingenommen begegnet wird. Zweitens: Indem neue Modelle entwickelt werden, die einen kreativen Mix zwischen virtuellen Spiel- und Währungselementen herstellen, dabei aber den ganz realen Cash in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundfunktion nicht per se ausklammern.

Denn die Open Source Szenerie wird die IT-Welt in den kommenden Jahren mit offenen und kreativen Anwendungen deutlich mehr beeinflussen als viele dies glauben. Auch hier dezentralisiert und öffnet sich die Welt der bis dato relativ heterogen operierenden (proprietären) Anwendungen und Netze.

Nun ist es nicht mehr weit zum Sprung über den großen Teich, zum Social Banking. Denn das Web 2.0 und Social Media sind auch aus der Open Source gespeist. Offene mobile und stationäre Anwendungen für Financial Communities sind aber nur die eine Seite der Medaille.

Viel bedeutender als die Spielwiese für reine Technikfreaks sind gerade beim Social Banking die Dienstleistungen dahinter. Und hier wäre der kreative Input der offenen Gemeinschaften sehr hilfreich, um die Kommunikation auf Augenhöhe zwischen unterschiedlichen Protagonisten in der bunt-gefächerten Welt der netzwerkbasierten Kreditvergabe und Geldanlage mit den richtigen Kick- und Klick-Erlebnissen auszustatten.     

Wir werden allerdings noch sehen müssen, ob der von dem Experten Brett King in den USA unter anderem in der Huffington Post favorisierte Terminus „Open Source Banking“ nicht doch ein eher irreführendes Leitmotiv darstellt:

http://www.huffingtonpost.com/brett-king/open-source-banking-innov_b_489593.html

Klar scheint, dass die Bank der Zukunft vor allem im und über die soziale Schnittstelle Internet stattfindet. Dazu ein Zitat von Brett King:

The need for innovation is rapidly speeding up, and to be fair some banks are scrambling to respond to interest in mobile banking and social networking, but most are finding the reality of innovation difficult to master. The key stumbling blocks to innovation in the customer experience remain the long-held metrics for business unit performance being based around channel silos and revenue gains within those silos, along with organizational structures that still favor ‚retail distribution‘ over ‚alternative channels‘. Are banks doomed to fail?

Quelle: Huffington Post

Fakt ist somit, Open Source und Social Banking sind längst eine Verbindung eingegangen, deren wirtschaftliche Trag- und Reichweite jenseits von rein technischen Anwendungen und Funktionen jedoch vor allem von der Weitsicht und der ideologischen Unvoreingenommenheit der Akteure abhängen wird. Gerade wenn es ums Geld geht, dessen gesellschaftliche Bedeutung man gar nicht hoch genug hängen kann.

Auf der Seite globalideasbank kann man schon mal nachlesen, was denn das doch ziemlich unspektakuläre Fernziel einer „Open Source basierten Online-Bank“ sein könnte:

The Problem:
create more openness and more value in the banking system

The Social Invention:
Create a banking system where people on the internet help run the whole bank.
The finances are kept totally open. So everyone involved has access to who is depositing money and who is taking out money.

This open-source way of operating eliminates fees, and money going to operating costs. So everyone gets a lot more worth for their money. It also avoids some of the shadowier sides of private banking, where bankers get ludicrously rich from skimming off interest rates and the like.

There could be some democratic way of deciding who gets approved for loans. It would be a more grassroots process rather than the elite way current private banking works with.

Quelle: http://www.globalideasbank.org/site/bank/idea.php?ideaId=5204 

Einige Ziele sind gleichsam wichtig wie banal. Es geht um eine bessere Dienstleistung von Banken zu niedrigeren Gebühren und klarem Mehrwert. Wichtig wäre es aber auch, nicht nur gemeinnützige Konzepte zu entwickeln, sondern auch geschäftliche, die die Welt der Banken in ihrem (sinnvollen) Gewinnstreben beeinflussen und neu justieren.

Der Weg dahin, das Finanzsystem mit Hilfe von Social Banking und Social Lending etwas von oben nach unten zu entrümpeln, wird allerdings nicht einfach, sondern recht steinig ausfallen.

Denn allein schon die Interessen zwischen Kreditnehmer und Darlehensgeber auf einer Plattform, die private Kredite vermittelt, sind per se unterschiedlich. Das muss kein grundsätzliches Problem sein, aber man muss den Konflikt realisieren. Geld erzeugt immer ein Machtgefälle zwischen Geber und Nehmer, das es produktiv zu handhaben gilt.

Den „sozialen Moderationsprozess“ der unterschiedlichen Akteure und Interessen gilt es folglich mit intelligenten und kreativen Internetplattformen sorgfältig auszubalancieren. Aber es ist möglich – jenseits von allzu weit entfernten Utopien wird es sich für viele Spieler aus der Open Source Szene lohnen, sich dafür zu engagieren.

Damit es nicht bei einem abgehobenen theoretischen Fazit bleibt, hier noch ein Bereich, wo sich die Idee der Open Source zwischen Gewinnstreben und Gemeinschaftsorientierung bewähren könnte, nämlich bei den „Mikroversicherungen 2.0“. Da mischen bislang viele Große mit, wie ein aktueller Artikel im Berliner Tagesspiegel unter dem Titel „Policen für ein paar Dollar“ beleuchtet:

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Versicherungswirtschaft-Mikro-Versicherungen;art271,3070647

In diesem Milliardenplatz tummeln sich aber nicht nur die Großen, es gibt jede Menge Raum für neue Ideen der Marke „Open Source meets Social Banking“. Der Markt muss übrigens nicht auf die Entwicklungsländer beschränkt sein. Auch hierzulande gäbe es sinnvolle Ideen, einige aus der freien Szene tüfteln da bereits an praktischen Tools zur Microinsurance 2.0….

Und hier noch ein letzter Link zum „disruptiven Potential“ von Peer-to-Peer Financing, das kürzlich auf der Plattform semanticweb.com erschien:

http://www.semanticweb.com/features/semantic_wave_interview_frederic_baud_on_p2p_financing_155885.asp

Und noch ein Lehr- und Lernvideo über „Open Source Microfinance made by Grameen Bank“, es kann aber durchaus jenseits der eng definierten „Sozialbank“ auch kommerzielle Ansätze und Lösungen geben:

Written by lochmaier

März 31, 2010 um 8:15 am

Veröffentlicht in Uncategorized

Eine Antwort

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  1. […] Open Source und Social Banking: Wie nah ist die „quellfreie“ Community am Thema Geld dran? – Über genau dieses Thema hatte ich noch vor fast einem Jahr eine Bestandsaufnahme geschrieben. Finanzen und die freie Internetgemeinde, die beiden mögen sich nicht besonders.  […]


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