Kapitalismus am Scheideweg: Gibt es den dritten Weg dazwischen?
Was kann der „gute“ Kapitalismus jenseits von sozialistisch angehachter Tagträumerei tatsächlich leisten? Zunächst einmal: Die Welt ist weder gut noch schlecht, ganz im Gegenteil. Sie liegt immer irgendwo dazwischen, das bestätigt zumindest Buchautor Sebastian Dullien in einem Spiegel-Essay:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,654553,00.html
Mehr Infos und ein Interview mit dem Autor zu seinem Buch „Der gute Kapitalismus“:
http://www.transcript-verlag.de/ts1346/ts1346.php
Manöverkritik: Solide recherchiert und aufbereitet – aber als gesellschaftliche Zukunftvision so richtig umhauen muss einen das nicht – auch nicht das gerade erschienene Sachbuch des ARD-Börsenspezialisten Michael Best „Kapitalismus reloaded“, siehe einige Auszüge dazu mit Blick auf das Jahr 2060 im Manager Magazin:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,652603,00.html
Wie wäre es also – ein dritter Weg zwischen den Polen Sozialismus und Kapitalismus – zwischen Good Banks und Bad Banks? Das klingt verführerisch – Wie stichhaltig ist aber folgende Analyse von Sebastian Dullien:
Dabei sollten der Finanzsektor und seine Dynamik im Bereich der Kreditschöpfung nicht verteufelt werden. Zwar wird übermäßige Kreditvergabe als ein zentraler Grund für die Blase am US-Immobilienmarkt und damit die aktuelle Krise angesehen. Es darf aber nicht vergessen werden, dass Kredit und Kreditwachstum an sich nichts Schlechtes sind. Vielmehr ist Kredit Treibstoff von Innovation und Wachstum. Anders als in den vergangenen Jahren, als die Finanzgeschäfte oft Selbstzweck waren, muss der Finanzsektor aber wieder zum Dienstleister für den Rest der Wirtschaft werden. Diese Rolle kann der Finanzsektor allerdings nur übernehmen, solange es nicht zu Überschuldung oder Schuldenkrisen einzelner Länder oder Sektoren kommt. Solche Krisen vernichten regelmäßig jenes Eigenkapital, das die Banken zur Kreditvergabe an Unternehmen brauchen. Wer aber ein neues, stabiles Wachstumsmodell will, darf eine kontinuierlich steigende Verschuldung – sei es des Staates oder der Privathaushalte – nicht zum Wachstumstreiber machen. […] Global gedacht bedeutet dies, dass die Schaffung von Nachfrage über Löhne und Gehälter erfolgen muss, die möglichst in jedem Land mit dem Produktivitätswachstum steigen sollten. Das zentrale Instrument zum Management dieser Nachfrage ist eine aktive Lohnpolitik.
Fazit: Das Ganze klingt nicht wirklich überzeugend, da es nur auf dem populistischen Prinzip des sparsamen Haushaltens und ein paar makroökonomisch zweifellos sinnvollen Maßnahmen basiert. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn letztlich wird Gier immer der zentrale Anreiz in unseren Nervensystem bleiben. Irgendwie gleichen sich die Zukunftsentwürfe in einer Art sozialverträglichen Gutmenschen-Harmonie derzeit, eine quasi von Politik und Wirtschaft selbst verordnete Rückbesinnung zur Vernunft.
Der nachhaltige Kapitalismus funktioniert jedoch jenseits der Zahlenklauberei nur dann, wenn es andere Leitmotive und Visionen gibt, denen die ganze Gesellschaft folgt. Erst dann ließe sich auch der schmale Grat zwischen notwendiger Renditeorientierung und exzessiver Habgier, die als zentrale Spielkomponente direkt im System verankert ist, besser in den Griff bekommen.
Man muss also nicht jedes Buch kaufen, das derzeit den Markt mit vermeintlich alternativen Gesellschaftsentwürfen zur Finanzkrise überschwemmt. Noch dazu wenn dieses, wie bei Sebastian Dullien der Fall, mit einem Vorwort der Fast-Bundespräsidentin Gesine Schwan (SPD) ausgestattet ist, einer früheren Politikprofessorin aus Berlin.
Denn von Finanzen hat Gesine Schwan am wenigsten von uns allen Ahnung, wie sie eindrucksvoll im Vorfeld der gescheiterten Wahl zur Bundespräsidentin gezeigt hat. Sie zeigte beim Besuch eines Altenheims nämlich nicht das geringste Verständnis für die von der Finanzwelt gebeutelten Rentner. Der dritte Weg scheint weit entfernt – aber schauen Sie doch selbst, was der Spiegel damals am 22.05.2009 über Gesine Schwan berichtete:
Ein Donnerstag im Mai, Schwan besucht ein auffallend vornehmes Berliner Altersheim. Vor ihr sitzen zwei Dutzend Rentner, irgendwann kommt die Kandidatin auf die Krise zu sprechen. „Ich vermute, dass sie selbst jetzt in ihrem individuellen Leben davon gar nicht so sehr viel mitbekommen“, sagt Schwan. „Sie sind wahrscheinlich irgendwie hier gesichert.“ Unruhe im Publikum, an einem Tisch sitzen drei „Lehman-Opfer“: Sie haben durch die Pleite der US-Bank ihre Altersvorsorge von zigtausenden Euro verloren. Eine Frau bricht in Tränen aus.
Schwan wirkt unsicher, reibt Daumen und Zeigefinger, und zeichnet ein ziemlich düsteres Bild. Von „Wut“ ist die Rede, von „explosiver Stimmung“, „Gewalthandlungen“ und „selbstzerstörerischem Verhalten“. Als Schwan wieder verschwunden ist, rechnen die Senioren mit ihr ab. „Das hat mit dem, was wir uns vorgestellt haben, nichts zu tun“, schimpft eine Heimbewohnerin. „Wir wollten ja nicht so was hören. Wir hätten hören wollen: Wie kann man es besser machen?“, meint eine andere: „Thema verfehlt.“
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,626073,00.html
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