Bundestagswahl: Bildet sich eine neue „Internetpartei“?
Dass die Piratenpartei rund zwei Prozent der Stimmen bei der Bundestagswahl erhalten hat, überrascht kaum. Was folgt daraus? Manche mögen diesen Erfolg als Randerscheinung abtun. Doch welche der großen und bisher im Parlament vertretenen kleinen Parteien ist schon in der Lage, das Ausmaß einer neuen sich über das Internet organisierenden Webkultur zu erfassen. Fest steht: Einige twitternde Politiker machen noch keinen Sommer. Eine neue Netzkultur könnte sich auch politisch organisieren und über virale Mechanismen an Einfluß gewinnen.
Woraus speist sich diese Bewegung? Dazu Spiegel online in der Wahlanalyse:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,651683,00.html
Zitat: Tatsächlich haben sich die Piraten binnen kurzer Zeit zum Sprachrohr für Internetaktivisten entwickelt, die sich von den großen Parteien unverstanden fühlen. Und in ihrem natürlichen Lebensraum – dem Internet – zunehmend bedroht.
Die FAZ geht noch einen Schritt weiter und sieht die „Nerds“ im Vormarsch
Hat die Piratenpartei oder eine sonstige über virale Mechanismen sich selbst organisierende kollektive Schwarmintelligenz eine wirkliche Machtperspektive? Jedenfalls ist kaum zu übersehen, dass alle anderen Parteien bislang jenseits des billigen Kopierens von Web 2.0-Mechanismen es nicht verstehen, das Internet als produktives Instrument nutzen, um ihre politische Willensbildung zu organisieren. Und genau das könnte unter einem bürgerlich-konservativen Werteregime der digitalen Bürgerbewegung weiteren Auftrieb verleihen. Dass die Piratenpartei noch viel zu lernen hat, und ob sie ihr heterogenes Profil schärfen kann, das ist eine offene Frage.
Auftrieb gibt ihnen, dass die etablierten Politiker das Internet als eigenständigen Regeln folgenden kulturellen Lebensraum noch gar nicht entdeckt haben. Es bleibt jedoch nicht nur interessant, wie das Netz in den politischen Raum hinein wirkt, auch in der Wirtschaft ist es spannend zu beobachten, ob und wie die Hierarchiestrukturen in den Unternehmen sich verändern werden, Stichwort Enterprise 2.0
Steckt dahinter mehr als ein kurzlebiger Modetrend? Gestern berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, dass Home Offices einen Unsinn darstellten, da Teams wesentlich produktiver seien als ein Einzelner. Begründung: Die Guten ziehen die schlechten mit. Warum nicht das eine und das andere sinnvoll ergänzen, statt Schwarz-Weiß-zu-malen.
Dass es überhaupt eines Memorandums bedarf, um das Internet als nützliche Einrichtung in der öffentlichen Meinungsbildung anzusehen, spricht Bände. Hier noch einmal das „Internet-Manifest“ mit 17 Punkten zum Nachlesen:
Wir Deutschen diskutieren und zerreden eben lieber eine Entwicklung, statt komplementäre Sichtweisen – wie jene von Bloggern und von Journalisten – als belebendes Element anzusehen. Wir leben lieber in einer „Kästchen-und-Schubladen-Gesellschaft“.
Oder anders gesagt: Solange wir die Thematik der digitalen Partizipation auf einem Ausschlußprinzip diskutieren, einen Gegensatz zwischen Computer, Netz und dem Mensch als Individuum und in seiner kollektiven Organisationsform herstellen, solange wird sich eine neue digitale Bewegung an den Rändern weiter entfalten und – wie das Social Banking 2.0 – auch die Mitte unserer Gesellschaft erreichen.
Die Financial Times berichtet dazu: Sparer in Europa und den USA verlieren das Vertrauen in die Banken und kümmern sich vermehrt lieber selbst um ihre Ersparnisse und Geldanlagen, so eine länderübergreifende Studie. Darin nennen die Befragten erst an zweiter Stelle Kreditinstitute, wenn es darum geht, wer sich um ihr Geld kümmern soll. Hier der ganze Beitrag:
http://www.ft.com/cms/s/0/0e13ea70-aba7-11de-9be4-00144feabdc0.html?ftcamp=rss&nclick_check=1
Wer bitte schön außer dem Internet soll die Funktion übernehmen? Soziale Interessengemeinschaften, übers Web organisiert, sind die Autobahnen der Zukunft, auf dem unsere Gesellschaft beschleunigt, fragt sich nur wieviel Benzin wir dabei verbrauchen.
[…] Die produktiven Möglichkeiten der Netzkultur sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Sicherlich, auch bei den Piraten sind viele Inhalte umstritten, manches klingt noch reichlich unausgegoren. Aber fest steht, dass eine (nicht nur) jüngere Netzgeneration neue Spielregeln von mehr Transparenz und direkter Demokratie erarbeitet. Und damit sind wir beim Thema – der neuen Macht des Kunden, die sich verstärkt über das Netz artikuliert. […]
Business Engineering Forum: Wie real ist die neue Macht des Bankkunden? « Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie
September 19, 2011 at 7:30 am