Bad Finance: Reality TV setzt auf Banken-Seifenoper
Vielleicht ist es eine Art von Selbschutzmechanismus: Gerade wenn der Mensch sich in der ärgsten Bedrängnis wähnt, will er am wenigsten von den alltäglichen Problemen wissen. Diesen Schluss jedenfalls zieht Spiegel online in seiner Filmkritik zur neuen Soap-Opera „Geld.Macht.Liebe“ aus dem Bankenmilieu in der ARD:
Offensichtlich schätzt es der Zuschauer in Zeiten der Krise, darüber informiert zu werden, dass auch die Oberen Zehntausend mit Zahnweh und Psycho-Zipperlein zu kämpfen haben, statt in realitätsnahen Szenarien mit den eigenen Nöten konfrontiert zu werden. Dieser Logik nach müsste „Geld.Macht.Liebe“ ein echter Erfolg werden, denn ferner von der Wirklichkeit des Quotenvolks könnte diese Mixtur aus „Guldenburgs“ und „Dallas“ vor Bad Homburger Pferdegestütskulisse nicht sein.
Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,634527,00.html
Erste Folge zur besten Sendezeit nach der Tagesschau wegen seltener Überstunden am 6. Juli verpasst? – Kein Problem – Wer jetzt die klischeebehafteten Charaktere aus der Finance SOAP auch noch bewundern möchte, für den empfiehlt sich der Gang auf die offizielle Homepage:
http://www.daserste.de/geldmachtliebe/
Man merke: Offenbar ist dem Mensch ein gewisser Hang zur Verklärung und Illusionierung eher zu eigen, als sich aktiv der tristen Erkenntnis zu stellen, dass das Leben den einzelnen ganz schön desillusionieren kann. Aber von den Sorgen des leidgeplagten Mittelstands nimmt offenbar kein „Fernseher“ so richtig Notiz, wollen einem zumindest die Fernsehoberen weismachen.
Zumindest orakeln die Macher der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ARD mit unterschwelligem Bildungsauftrag hohe Einschaltquoten voraus, ermutigt immerhin durch die internationalen Erfolge ähnlicher Formate, heißt es.
Wer aber jenseits des Bankenbashings und Bankenglamours einmal wirklich sehen will, wie einsam der große Erfolg den Mensch hinter dem Bankmenschen machen kann, für den hält die ARD immerhin zur Ehrenrettung noch die Doku „Absturz ins Leben bereit: Ein Banker auf Sinnsuche“
http://www.daserste.de/gottunddiewelt/beitrag_dyn~uid,ny16epy5da0qnoe4~cm.asp
Rudolf Wötzel gelang es immerhin, mit viel persönlichem Ehrgeiz bis in die Chefetage der Lehmann Brothers aufzusteigen. Die innere Leere blieb trotz Erfolg. Irgendwann erkannte Wötzel: Weniger ist mehr und stieg aus. Denn gerade für Spitzenmanager bleibt kein Freiraum für menschliche Bedürfnisse wie Beziehungen und Freundschaft.
http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/1918832
Doch der Weg zu einem Leben, in dem andere Menschen mehr sind als Slalomstangen, die es zu umkurven oder aus dem Weg zu räumen gilt, ist für Rudolf Wötzel auch heute noch steinig. Er muss lernen mit dem Scheitern erst noch umzugehen, persönliche Beziehungen lassen sich nicht nach dem Einbahnstraßenprinzip gestalten.
Für einen Manager, der bei Unternehmensübernahmen mit Milliarden jonglierte, eine bittere Erkenntnis, leider nicht massentauglich für eine realistische „FINANCE SOAP-OPERA“?
Dass es eine Realität jenseits der Giftmüllhalde „Bad Bank“ gibt, und es durchaus einige (bescheidenere) Manager mit persönlichem Format gibt, lässt sich hier nachlesen:
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/koepfe/ein-banker-der-noch-laecheln-kann;2430853
Der Mensch 2.0 ist als „systemrelevanteste Komponente“ innerhalb und außerhalb des Bankwesens eben eine nicht berechenbare Kategorie, die sich auch der Vorauskalkulation von Fernsehquoten entzieht. Aber ein differenziertes Bild zu zeigen, wäre nun wirklich von unseren Medien zu viel verlangt:
https://lochmaier.wordpress.com/2009/07/05/mensch-2-0-die-systemrelevanteste-aller-komponenten/
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