Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Twittern und Second Life (Teil 2): Wie groß ist das Missbrauchsrisiko?

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Im ersten Teil des Twitter-Reports habe ich gezeigt, dass die Bankenbranche noch sehr zögerlich mit dem Medium umgeht.

https://lochmaier.wordpress.com/2009/07/06/twitternde-banken-quantensprung-in-der-kundenkommunikation/

Einerseits verständlich, man will nicht einem kurzlebigen Hype huldigen. Twitter könnte ja schon ähnlich wie Second Life  eine virtuelle Fantasiewelt sein – ein neues Medium mit aktuell hoher Aufmerksamkeit, das irgendwann in Vergessenheit gerät. Aber stimmt das wirklich, obwohl es die meisten glauben?

Die Medien haben eine Zeitlang pausenlos berichtet, dann plötzlich geriet Second Life aus den Schlagzeilen – dabei seien die Nutzerzahlen und die öffentliche Aufmerksamkeit nach wie vor hoch, schenkt man den offiziellen Angaben des Betreibers Glauben:

http://www.sueddeutsche.de/computer/724/313630/text/5/

Wer selber mal dem Betreiber Linden Lab wegen der Zahlen auf den Zahn fühlen will:

http://secondlife.com/statistics/economy-data.php

Natürlich lässt sich trefflich darüber spekulieren, ob das zweite virtuelle Leben bereits tot ist – weil die Betreiber unzählige „Karteileichen“ unterschlagen und insbesondere pornographische Seiten den Ruf der Plattform beschädigt haben. 

Ob die Generation Digital frei nach Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“ an ungewichteten Web-2.0-Content erstickt?

Doch lassen sich Twitter und Second Life nicht Eins-zu-Eins vergleichen. Twitter ist einfacher, und basiert auf  der „Real Time Kommunikation“ – und nicht auf virtuellen Designwelten in 3D. Natürlich werden viele feststellen, dass sie das Twittern nicht täglich brauchen, eine Ermüdung von Material und Mensch wird sich einstellen. Aber der freie Fall von Second Life ins digitale Abseits dürfte dem Microblogging-Platzhirschen erspart bleiben.

Natürlich gibt es auch auf Twitter.com ein Missbrauchsrisiko, manchesmal steckt dahinter noch nicht einmal kriminelle Energie. Ein Beispiel gefällig: Fiducia bedeutet nichts anderes als (lat.) Vertrauen und Zuverlässigkeit. Das klingt gut, allerdings gibt es einen Account auf Twitter von „Fiducia“, der schon etwas problematischer ist. Verwechslungsgefahr inbegriffen: Denn hier microbloggt nicht  der gleichnamige deutsche IT-Dienstleister für Kunden im genossenschaftlichen Finanzverbund www.fiducia.de – sondern eine Dame: http://twitter.com/fiducia

Doch sind dies – etwa im Vergleich zu Namensrechten wie „Deutsche Bank oder Commerzbank“ – eigentlich keine dramatischen Verwechslungsprobleme mit dem deutschen IT-Dienstleister Fiducia. Außerdem ist der Twitterlink ja auf amerikanisch – und deutlich mit einem Gesicht aus Maryland gekennzeichnet.

Die Frau mit dem Kunstnamen Fiducia hat übrigens Paolo Coelho, den bras. Schriftsteller in ihrem Bekanntenkreis. Zumindest ist Coelho als follower registriert – und der ist vor kurzem in den Medien wirklich aufgefallen, weil er die Sache mit Neda (die im Fernsehen gezeigte sterbende Demonstrantin während des irakischen Protestes) auch über Twitter bzw. Weblog sofort publik gemacht hat, wo ein befreundeter Arzt von ihm dabei war. Danach begann eine Odyssee, die sich auf Spiegel online nachlesen lässt: 

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,632775,00.html

Das schrieb Paolo Coelho auf Twitter:

http://twitter.com/paulocoelho/status/2279678946

Mit einer virtuellen Parallelwelt  wie bei Second Life hat all das vermutlich relativ wenig zu tun. Das wirkliche Leben lässt sich viel schwieriger fälschen als eine 3D-Animation auf Second Life. Sicherlich, das Missbrauchs- und Verwechslungsrisiko bei Twitter ist da, auch gefälschte oder gehackte Accounts sind potenziell möglich – da Twitter vom Betreiber administriert wird, und der externe Twitterer keinen direkten Zugriff hat.

Unternehmen kontrollieren lieber selbst.  Aber: Ist das ein Grund, Twitter die Gefolgschaft ganz zu versagen.  Der wirkliche Unterschied zwischen Twitter und Second Life ist nämlich ein ganz anderer.

Second Life ist eine künstliche virtuelle Welt, die viel Aufwand und Pflege beim Design, Implementierung und Aktualisierung erfordert – Twitter hingegen generiert nahezu keine Einstiegskosten, das Unternehmen  muss „nur“ bereit sein, Interessantes zu erzählen bzw. interessante Links zu verteilen.

Die eigentliche Hürde ist der Inhalt – das sind gute Ideen, denn Marketing und Werbung sind an die klassische Direktvermarktung gewohnt, sie scheuen den schwierigen weil vermeintlich unberechenbaren Weg über die Bande.

Optisch finde ich zumindest das Twitter-Account des deutschen Ablegers der SEB Bank ganz ansprechend. Da sind sogar real ansprechbare Menschen abgebildet, ein erster Schritt zu mehr Kundennähe, auch wenn nicht alles, was dort im Stakkato gepostet wird, einen vom Hocker reißen muss:

http://twitter.com/seb_bank

Man darf gespannt sein, denn es ist zu verlauten, dass von dort noch mehr Ideenschübe nach kommen. Auch die GLS Bank steht zurecht als experimentierfreudige Twitter-Bank unter Beobachtung.

http://twitter.com/GLSBank

Irgendwann wird sich Twitter als „Standardwerkzeug“ und gängiges Kommunikationsritual in der Internetökonomie etabliert haben – egal, ob „Old Banking“ oder „New Banking“ . Dann ist zwar die große mediale Aufmerksamkeit vorbei, aber in der Versenkung wird es nicht verschwinden wie Second Life. Es ist ganz einfach ein alltagstaugliches und nützliches Instrument, trotz des vielen Unwichtigen, das immer wieder gepostet wird.

Wer hätte vor zehn bis fünfzehn Jahren daran gedacht, dass sich der Short Message Service (SMS), das „Simsen“ über das Mobiltelefon als von Massen genutzter Kommunikationskanal etabliert? Twitter ist die „Internet-SMS“, die schnellste Möglichkeit via Web eine Information zu aggregieren – und über eine virtuelle Schaltkonsole an die ganze Welt zu verteilen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Twitter in der Versenkung verschwindet, dürfte demnach relativ gering sein. Wie die Macher der Plattform damit gutes Geld verdienen wollen, das ist natürlich in der Webökonomie, die zwischen Nutzerautonomie und den Interessen der Werbewirtschaft hin- und her pendelt, eine andere Frage.

Written by lochmaier

Juli 8, 2009 um 7:47 am

Veröffentlicht in Uncategorized

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