Social Banking 2.0 – Der Kunde übernimmt die Regie

Crowdfunding – Interview Volksbank Bühl: „Viele schaffen mehr“

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Im letzten Beitrag habe ich das erste deutsche Crowdfunding-Projekt einer Sparkasse vorgestellt. Mit Viele-schaffen-mehr.de startet die Volksbank Bühl heute in der Region eine spannende IT-Infrastruktur, über welche lokale Vereine und gemeinnützige Organisationen neue Projekte finanzieren können.

Das Projekt verfolge allerdings im Kontrast zum unternehmerischen Crowdinvesting keinerlei wirtschaftliche Interessen, skizziert Innovationsexperte Franz Sebastian Welter von der Volksbank Bühl im Gespräch mit Social Banking 2.0.

Viele-schaffen.mehr (Volksbank Bühl) - Crowdfunding Portal -- Logo

Social Banking 2.0: Herr Welter, Crowdfunding scheint mehr als ein kurzlebiger Hype, sondern eine – richtig angewendet – sehr sinnvolle Sache zu sein. Warum zögern Banken bislang, solche Projekte in Eigenregie zu starten?

Franz Sebastian Welter: Ehrlich gesagt, ist es schwierig, das abschließend zu beantworten. Ich denke, es gibt mehrere Gründe, die für dieses zögerliche Vorgehen verantwortlich sein könnten: zu wenig Erfahrung mit dem Thema, Angst vor Kannibalisierung, andere Prioritäten (Stichwort: Finanzkrise), nicht das richtige Personal zur Umsetzung usw. Man darf aber auch nicht verkennen, dass zumindest Gerüchten zufolge mehrere Banken an verschiedenen Crowdfunding bzw. Crowdinvesting-Ansätzen arbeiten.

SB 2.0: Wie sieht es in der internationalen Perspektive aus, kennen Sie Banken und Finanzdienstleister, die Crowdfunding verstärkt nutzen, sehen Sie schon so etwas wie Best Practices, oder sind alle noch Lernende auf diesem Gebiet?

Etablierte Banken mit einem längerfristigen und nachhaltigen Crowdfunding-Ansatz sind mir nicht bekannt. Natürlich gibt es die bekannten Beispiele aus anderen Branchen wie kickstarter oder in Deutschland startnext, seedmatch usw. Und die Fidor Bank arbeitet an einem interessanten Ansatz, Crowdfunding in ihr Banking zu integrieren. Insgesamt würde ich allerdings sagen, dass die Banken auf diesem Gebiet alle noch zu den Lernenden zählen und es bisher keine richtigen Best-Practice Beispiele von Banken gibt.

SB 2.0: Wäre Crowdfunding nicht gerade anhand der eigenen Tradition für Sparkassen und Volksbanken ein ideales Instrument der Kundenbeteiligung?

Sicherlich. Gerade für Volksbanken könnte Crowdfunding eine Möglichkeit sein, dass genossenschaftliche Prinzip „Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele“ auf das Internet zu übertragen. Meines Erachtens eine herausragende Chance. Aber auch für andere Regionalbanken ergeben sich gute Möglichkeiten damit.

SB 2.0: Welches sind die Motivation und Ziele, dass die Volksbank Bühl jetzt das erste Crowdfunding-Projekt einer deutschen Genossenschaftsbank startet?

Wir haben in den letzten Jahren eine schöne Entwicklung durchlebt. Vor etwa fünf Jahren haben wir mit unseren Social Media Aktivitäten begonnen. Ab diesem Zeitpunkt haben wir viel gelernt und uns kontinuierlich weiterentwickelt. Auf unsere Social Media Aktivitäten folgte die Gründung unserer InnovationsWerkstatt und in 2012 die Einführung einer Enterprise 2.0 Plattform. Sowohl durch unseren externen als auch internen Social Media Aktivitäten konnten wir viel lernen. Crowdfunding war für uns so etwas wie der nächste Schritt in diesem Prozess. Wie vorhin schon erwähnt, sehen wir in Crowdfunding eine Möglichkeit, die genossenschaftliche Philosophie auf das Internet zu übertragen und damit einen bestehenden Wettbewerbsvorteil zu digitalisieren.

SB 2.0: Beschreiben Sie das Projekt bitte für die Leser genauer, vor allem auch in Abgrenzung zum Crowdinvesting, Spenden- vs. Investments, Beteiligungs- und Belohnungssysteme, strukturelle Aufstellung etc.?

Mit „Viele-schaffen-mehr.de“ wollen wir in unserer Region eine Infrastruktur schaffen, über welche Vereine und gemeinnützige Organisationen aus unserem Geschäftsgebiet gemeinnützige Projekte finanzieren können. Und das ist auch schon die Abgrenzung zu Crowdinvesting und weiteren Projekten – wir haben keinerlei wirtschaftlichen Interessen. Gebühren, die aus dem Zahlungsverkehr entstehen, werden auch von uns übernommen. Darüber hinaus unterstützt die Volksbank Bühl die Projekte mit 10.000 EUR. Das folgende Video beschreibt die Plattform: (Video ab Montag in unserem Youtube Kanal)

SB 2.0: Wie stellt man eine solide Mannschaft zusammen, um solch ein Projekt erfolgreich zu Ende zu führen?

Da wir seit mehreren Jahren im Web 2.0 unterwegs sind und bereits vor einigen Jahren unsere InnovationsWerkstatt gegründet hatten, konnten wir in der Volksbank Bühl auf ein tolles Team zurück greifen. Natürlich haben wir die Plattform nicht alleine entwickelt. Mit der VR-NetWorld, T-Systems MMS und nicht zuletzt tyclipso (startnext.de) hatten wir hochkarätige Partner, die ihr Know-How eingebracht haben. Die Mischung hat es gemacht. Ohne unsere Partner hätten wir das Projekt nicht realisieren können.

SB 2.0: Für welche Bereiche, sprich Vorhaben im Umfeld von lokalen Banken, eignet sich denn Crowdfunding generell, für welche eher nicht?

Schwierige Frage. Das wird sich zeigen müssen. Momentan glaube ich, dass der Ansatz, gemeinnützige Projekte zu finanzieren, auf regionaler Ebene die größten Erfolgschancen hat. In Bezug auf Crowdinvesting gibt es auf regionaler Ebene noch zahlreiche Hürden und offene Fragen – z.B. hinsichtlich des Risikomanagements.

SB 2.0: Die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt konnte im vergangenen Jahr aufgrund der kommunalen Finanzklemme erfolgreich das renovierte Freibad über ein Crowdfunding-Projekt wieder in Betrieb nehmen. Die Initiatoren sehen das aber eher als Ausnahme an, also nicht beliebig wiederholbar an. Würden Sie dem zustimmen?

Auch das wird sich zeigen müssen und wir werden die Plattform vorerst für einen Zeitraum von ungefähr vier Monaten online stellen. Allerdings werden wir „Viele-schaffen-mehr.de“ in der Anzahl der online gestellten Projekte nicht begrenzen. Die Resonanz auf die Plattform entscheidet dann darüber, wie wir nach den 4 Monaten mit der Plattform weitermachen.

SB 2.0: Wie sieht nun das weitere Vorgehen und Prozedere bei Ihrem Projekt genau aus?

Heute um 15.00 h findet die Pressekonferenz statt und die Plattform geht online. Gemeinnützige Organisation und Vereine haben ab jetzt die Möglichkeit bis zum 16. Juni 2013 ihre Projekte auf der Plattform „Viele-schaffen-mehr.de“ vorzustellen. Vom 16. Juni bis 30. Juni 2013 müssen dann Fans gesammelt werden. Nur wer die erforderliche Anzahl von Fans erreicht, kommt in die Finanzierungsphase. Diese läuft vom 01. Juli – 31. August 2013. In der Fundingphase wird die jeweils erste Spende der ersten 2.000 Spender mit 5 EUR der Volksbank Bühl bezuschusst.

SB 2.0: Wie können Kunden und Volksbanken denn gleichzeitig profitieren, indem sie regionale Vorhaben gemeinsam per Crowdfunding ins Zielgebiet steuern? Gibt es dazu einen Königsweg, oder sollte sich jede Genossenschaftsbank 2.0 hier individuell an ein passendes Lösungsmodell heran tasten?

Ein Königsweg wurde hier sicherlich noch nicht gefunden. Wir versuchen jetzt mal unseren Ansatz und dann können wir in einigen Monaten noch mal darüber sprechen, ob das ein Königsweg sein kann. Außerdem wissen wir dann mit Sicherheit auch schon, ob andere Volks- und Raiffeisenbanken Interesse an der Plattform haben und ob die Plattform eventuell auch bundesweit ausgerollt werden kann.

SB 2.0: Und eine letzte Frage: Matthias Kröner von der Fidor Bank sagte kürzlich sinngemäß auf einem Vortrag in London, das historische Problem bei Raiffeisen war, dass er damals noch kein Social Media zur Verfügung hatte, um das Genossenschaftsprinzip auf breiter Front anzuwenden. Wo sehen Sie Chancen, aber auch Grenzen, in der aktiven Kundenpartizipation über die sozialen Medien in den Kerngeschäftsprozessen einer Bank?

Das Web 2.0 bietet Volks- und Raiffeisenbanken unzählige Chancen, wie zum Beispiel die Digitalisierung des genossenschaftlichen Prinzips aber auch z.B. die Übertragung von Kundenbeziehungen auf das Internet via Social Media. Darüber hinaus entstehen gerade viele verschiedene Geschäftsmodelle auf Basis des Web 2.0 in der Finanzdienstleistungsbranche. Und viele davon haben das Potenzial, das Credo „Was der Einzelne nicht vermag, vermögen viele“ im Internet erlebbar zu machen. Grenzen sehe ich vor allem in der Thematik ‚Datenschutz versus Transparenz’. Beim Thema Finanzen sind viele Menschen sehr zurückhaltend, wenn es um sehr innovative und transparente Dienstleistungen im Netz geht, vielleicht eine Hürde für Modelle wie Crowdinvesting – insbesondere auf regionaler Ebene.

Interview: Lothar Lochmaier

Und hier noch ein Video zum Projektstart der Voba Bühl, das vielleicht mehr als tausend Worte sagt: 

Written by lochmaier

April 29, 2013 um 7:05 am

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